Frage an Fabio De Masi von Reinhard G.
Sehr geehrter Herr De Masi,
für wie wahrscheinlich halten sie es, dass Ceta sehr bald vorläufig in Kraft gesetzt werden soll? Sind Änderungen beim Vertragstext geplant? Wenn ja, welche?
Petra Pinzler schreibt auf zeit.de:
http://www.zeit.de/politik/2016-05/ceta-eu-kommission-anwendung-bundestag
Nach meiner Kenntnis steht in Ceta:
Artikel X.06-3(a): „Dieses Abkommen kann vorläufig angewendet werden ab dem ersten Tag des folgenden Monats, der auf das Datum folgt, an dem die Parteien sich gegenseitig mitgeteilt haben, dass ihre jeweiligen dazu notwendigen Verfahren abgeschlossen sind.“
Artikel X.07-4: „Wenn die vorläufige Anwendung dieses Abkommens beendet wird und es nicht in Kraft tritt, kann ein Anspruch auf Schadenersatz entsprechend der Regeln dieses Abkommens geltend gemacht werden, hinsichtlich jeder Angelegenheit, die sich während der Zeit der vorläufigen Anwendung dieses Abkommens zugetragen hat, entsprechend den Regeln und Verfahren, die in diesem Abkommen begründet wurden, und der nicht später als drei (3) Jahre nach dem Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Anwendung eingereicht wird.“
Viele Grüße
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Es ist sehr wichtig, dass Sie als Bürger die Entwicklung um CETA aufmerksam verfolgen. Es ist anzunehmen, dass sich die USA vom Partnerabkommen TTIP auch daher ggf. verabschieden, weil CETA günstigere Regelungen bereit hält. So können Konzerne mit Zweigniederlassung in Kanada dann auch ohne TTIP die umstrittenen Investor-Staat Gerichte nutzen. Das gilt es zu verhindern.
Die Kommission beabsichtigt im Juni dem Europäischen Rat (den Staats- und Regierungschefs der EU Mitgliedsstaaten) einen Vorschlag zu unterbreiten, ob es sich bei CETA um ein gemischtes Abkommen handelt (dann müssten auch die nationalen Parlamente zustimmen) und wenn ja, ob es zur vorläufigen Anwendbarkeit kommt. Diese Möglichkeit ist im Vertrag von Lissabon vorgesehen, den DIE LINKE als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien abgelehnt hat.
Über diese Dinge soll dann im Rat im September entschieden und das Abkommen zw. 17. und 21. Oktober mit der Unterzeichnung durch die Staats- und Regierungschefs (vorläufig) in Kraft gesetzt werden.
Mit dem Europäischen Parlament existiert eine Vereinbarung, wonach das Abkommen nicht ohne Zustimmung des Parlaments (vorläufig) in Kraft gesetzt werden soll. Eine solche Vereinbarung existiert jedoch nicht mit den nationalen Parlamenten. Wie Frau Pinzler richtig schreibt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein nationales Parlament nach der vorläufigen Anwendung noch nachträglich einschreiten würde.
Derzeit haben sich u.a. die österreichische und die griechische Regierung skeptisch zu dem Abkommen geäußert. Weiterhin hat das Parlament der Wallonie die belgische Regierung aufgefordert CETA nicht zuzustimmen. Die Verabschiedung ist also (zum Glück) nicht gesichert.
In CETA wurde nachträglich der "Investitionsschutz" bzw. die Schiedsgerichtsbarkeit überarbeitet. Etwaige Verbesserungen beziehen sich aber nur auf das Verfahren (Richterauswahl), nicht auf die unbestimmten Rechtsbegriffe, wie faire und billige Behandlung bzw. indirekte Enteignung.
Dies wird u.a. auch in einem Gastbeitrag in der ZEIT
http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-03/ceta-investoren-investitionsschutz-reform-ttip-eu-kanada-usa
bzw. bei Power Shift problematisiert.
http://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2016/05/Powershift-Analyse-ISDS_final.pdf
DIE LINKE wird auch rechtliche Schritte gegen CETA prüfen.
Wenn Sie über meine diesbezüglichen Aktivitäten auf dem Laufenden bleiben wollen, abonnieren Sie gerne meinen monatlichen Newsletter hier
http://www.fabio-de-masi.de/de/topic/3.newsletter.html
Die Linke im Europäischen Parlament hat zudem eine Sonderseite zu den Freihandelsabkommen eingerichtet
http://www.fair-handeln-statt-ttip.eu
Ihr,
Fabio De Masi