Frage an Ewald Schurer von Alois H. bezüglich Gesundheit
Warum ist das Gesundheitssystem so ungerecht und ineffizient ?
Einerseits muß man fast überall draufzahlen oder die Kosten komplett selbst übernehmen.
Andererseits ( nur mal ein Beispiel ) sieht man fast jeden zweiten Jugendlichen mit Zahnspange grinsen.
Nicht daß ich es denen nicht gönne. Nur wird es in der Vielzahl der Fälle nicht medizinisch notwendig sein. "Nice to have"
Sollte man nicht auch diejenigen, die bewußt Erkrankungen in Kauf nehmen oder sogar fördern wie z.B. stark Übergewichtige, starke Raucher und solche, die Risikosportarten betreiben endlich zur Mitverantwortung und Kostenbeteiligung heranziehen.
Ich will meine Meinung mal überspitzt ausdrücken:
Wenn jemand so fett ist, daß er nicht mehr auf einen normalen OP-Tisch passt, soll er ihn doch erstmal selbst finanzieren und die Behandlung auch ! Wenn jemand jahrzehntelang raucht wie ein Schlot, Kindern und Jugendlichen ein schlechtes Beispiel gibt und auch andere stets belästigt und schon mitgeschädigt hat, sollte er nicht auch noch mehrere Bypässe kriegen und dabei lediglich den Tagessatz im Krankenhaus bezahlen dürfen.
Ist nicht dieses System selbst am meisten krank ?
Außerdem:
In der Wirtschaft versucht man durch Fusionen rationeller zu werden und Kosten zu sparen.
Bei den Kassen macht "jeder Furz" eine eigene auf und leistet sicht teure Vorstände. Wie hoch der Prozentsatz an Verwaltungsaufwand ist, interessiert niemand.
Wenn das Geld nicht reicht, werden einfach die Beiträge erhöht oder die Leistungen gekürzt. Mehr fällt den Verantwortlichen offensichtlich nicht ein !
Doch halt; Künftig soll´s sogar noch eine weitere Variante geben: Die "Wirtschaftlichen" müssen die "Verschwender" mitfinanzieren. Was bitte soll dabei gespart werden ?
Ihre Partei stellt ( leider ) schon viele Jahre die Gesundheitsministerin.
Ist es da verwunderlich, daß das einfache Volk, von dem die SPD sich meilenweit entfern hat, aus Frust und Verzweiflung sich nach weiter links umschaut ?
Alois Höllinger
Erding
Sehr geehrter Herr Höllinger,
vielen Dank für Ihre Schreiben vom 14. September 2008, das Sie mir über das Internetportal www.abgeordnetenwatch.de haben zukommen lassen. Darin kritisieren Sie unser Gesundheitssystem als „ungerecht und ineffizient“.
Ich möchte zunächst betonen, dass unser Gesundheitssystem zu den besten der Welt gehört. Das zeigen international vergleichende Studien immer wieder – z.B. die des amerikanischen Commonwealth Funds. Deutschland zeichnet sich, auch im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarstaaten, durch eine hohe Dichte von Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten oder auch von Apotheken aus. Wartelisten gibt es praktisch nicht. Allen Bürgerinnen und Bürgern steht eine kostenlose Grundversorgung zu. Und im Gegensatz zu anderen, selbst ökonomisch ähnlich leistungsfähigen Ländern gibt es keine Leistungsausschlüsse aus Finanz- oder gar Altersgründen.
Dass wir Kinder- und Jugendliche kostenfrei mitversichern können und damit auch Zugang zu Zahnbehandlungen gewähren, finde ich eine große soziale Errungenschaft, die sich eine leistungsfähige Gesellschaft erhalten sollte.
Dies alles sind Belege dafür, dass wir im Kern ein wirklich gutes System haben. Dennoch muss es laufend angepasst werden. Unsere demografische Entwicklung setzt uns dabei immer wieder vor neue Herausforderungen. Natürlich ist es sehr erfreulich, dass die Menschen heute älter werden. Dennoch steigen unsere Gesundheitsausgaben damit auch kontinuierlich an. Dabei setzt die SPD-Bundestagsfraktion mit ihren politischen Impulsen eher auf schrittweise und zielgenau an Detailproblemen ansetzende Optimierungen, anstatt auf radikale Umstürze.
Ich kann Ihre Kritik nachvollziehen, dass Sie es als nicht gerecht empfinden, dass die Gemeinschaft Kosten tragen soll, die von Einzelnen selbstverschuldet sind, bspw. durch Risikosportarten oder ungesunde Lebensweise und deren Folgen. Allerdings sehen wir nicht im Paternalismus – also im bevormundenden staatlichen Handeln – die Lösung auf dieses Problem. Vielmehr geht der Ansatz dahin, unseren Bürgerinnen und Bürgern bewusst zu machen, das sie eine hohe Verantwortung für ihren persönlichen Gesundheitszustand tragen. Um dieses Bewusstsein zu stärken haben wir u.a. Bonusprogramme, Anreize zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und ähnliches geschaffen. Zunehmend reagieren die Krankenkassen mit speziellen Programmen für Ihre Versicherten, wenn diese besonders „vorbildhaft“ leben.
Generell muss unsere Gesundheitspolitik Impulse setzen und Anreize schaffen, nicht den Bürger stets mit Verboten gängeln. Ziel ist es, gesundes und bewusstes Leben in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu besetzen. Von Kostenbeteiligungen bei Behandlungen bei Risikosportlern oder Adipositas-Erkrankten halte ich nichts, hier bewegt man sich ganz schnell in einer juristischen Grauzone bei der Frage nach den Ausschlusskriterien (selbstverschuldet oder nicht), und das halte ich nicht für sozial gerecht.
Der Gesundheitsfonds kommt am 1. Januar 2009. Die Bundesregierung möchte die Wettbewerbsfähigkeit der gesetzlichen Kassen stärken und lässt aus diesem Grund sog. Wahltarife in der GKV zu. Die Kassen sind angehalten effizient zu wirtschaften und können Überschüsse an Versicherte zurückzahlen. Das wird den Wettbewerb verstärken und dazu führen, dass weitere Kassen fusionieren werden, um effizienter und leistungsstärker zu werden. Das ist ein gewollter Effekt. Es geht nicht darum, dass „Verschwender“ von den „Wirtschaftlichen“ ausgehalten werden sollen, sondern viel eher, dass Kassen Verantwortung übernehmen. Risikobehaftetes Handeln oder teure Verwaltungsvorstände sollen nicht länger auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen werden.
Tatsächlich wirken viele Dinge in unserem Gesundheitssystem für den einzelnen sehr intransparent. Daher besteht die Notwendigkeit, bei allen Änderungen auch immer wieder auf die Verständlichkeit der Zusammenhänge zu achten. Und dafür werde ich mich auch zukünftig gerade als Gesundheitshaushälter einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Ewald Schurer, MdB