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Frage von Lars L. •

Frage an Eva-Maria Schreiber von Lars L. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Durch die Novellierung des § 246 BauGB im Jahr 2015 (Ergänzung um Abs. 8ff.) wurde es ermöglicht, dass Flüchtlingsunterkünfte praktisch überall gebaut werden dürfen (u.a. auch in Gewerbegebieten und in unbebauten Außenbereichen). Damit wurde das gesamte deutsche Baurecht, wie es seit Jahrzehnten existiert, mit generellen Ausnahmeregelungen außer Kraft gesetzt. Wie stehen Sie zu der Novellierung? Würden Sie diese unverändert beibehalten oder eine Gesetzesinitiative für eine Rücknahme einleiten?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr L.,

herzlichen Dank für Ihre Frage.

Die Linksfraktion im Bundestag hat die Novellierung des § 246 des Baugesetzbuches abgelehnt. Es ging mit dieser Gesetzesänderung nicht um Erleichterungen des Bauens, sondern darum, Menschen, die in größter Not zu uns kommen, weil sie aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, Angehörige, Familienangehörige oder Freunde verloren haben, die ihre Gesundheit, ihre Wohnung und ihre Zukunft verloren haben, die nichts als ihr nacktes Leben haben, in Gewerbegebieten unterzubringen und das Baugesetz in diesem Sinne zu flexibilisieren.

Wenn von Maßnahmen zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen gesprochen wird, dann sprechen wir nicht über großzügige Almosen, die wir zeitweilig verteilen, um eine akute Notlage in irgendeiner Weise zu beheben, sondern über Mitmenschlichkeit, über Solidarität, Unterstützung für Traumatisierte und aus ihrer Heimat Vertriebene.

Der Grundfehler dieser Gesetzesänderung liegt in der Unterstellung, wir
hätten es mit einem vorübergehenden Notstand zu tun, den wir unter
anderem mithilfe einer Änderung im Bauplanungsrecht bis Ende 2019 wieder
beheben können.

Der Zustrom von Flüchtlingen und Asylbegehrenden nach Europa wird nicht abreißen, sondern weiter zunehmen. Die Krisen und Kriege werden nicht plötzlich aufhören, und es besteht die reale Gefahr, dass zu den Flüchtlingen, die heute kommen, noch Klimaflüchtlinge hinzukommen werden, denen die zivilisierten Industrienationen die Lebensgrundlage buchstäblich abgegraben oder weggespült haben.

Mit dieser Gesetzesänderung wird eine Ausnahmesituation zu einem rechtssicheren Dauerzustand gemacht. Formale Sicherheit im Baurecht darf aber niemals dazu missbraucht werden, dass Menschenrechtsverletzungen zu geregelter Normalität werden. Daran, dass diese Regelungen in fünf Jahren wieder einkassiert werden – das lehrt die Erfahrung – glauben wir nicht.

Und noch schlimmer: Diese Novellierung des § 246 des Baugesetzbuches signalisiert geradezu, dass wir die Flüchtlinge nicht dauerhaft unter uns haben wollen, dass ihre Integration nicht organisiert, sondern verhindert werden soll. Dieses Gesetz ist also kein Anreiz, menschenwürdige Wohnverhältnisse für Flüchtlinge und Asylsuchende zu schaffen, sondern es fördert die dauerhafte Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen, denen wir Hilfe und Respekt schuldig sind.

Die eigentlichen Lösungen sind die, die wir lange kennen und die in unserem Wahlprogramm einen großen Raum einnehmen: Wir brauchen einen ausgewogenen sozialen Wohnungsbau und eine bedarfsgerecht ausgestattete Städtebauförderung mit neuen oder ergänzenden Programmen, die auch der dauerhaften Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland gerecht werden, sodass diese Menschen in unserer Mitte leben können. Und wir brauchen eine bedarfsbezogene Vergabe von bundeseigenen Liegenschaften an die Kommunen anstelle des Höchstgebotskultes.

Wenn wir all das umsetzen – verbunden mit einer nicht nur plakativen, sondern tatsächlich gelebten Willkommenskultur –, dann machen wir wirkliche Schritte in Richtung eines menschenwürdigen Umgangs mit Flüchtlingen und Asylsuchenden, die nicht rechtssicher verwahrt, sondern Teil unserer Gesellschaft werden sollen. Dafür wird sich DIE LINKE auch weiterhin stark machen.

Mit freundlichen Grüßen,

Eva Schreiber