Frage an Erwin Huber von Stefan D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Huber,
ich nehme nochmal Bezug auf meine Frage vom 30.01.2015 und bedanke mich für die schnelle Beantwortung. Für mich bleiben jedoch weitere Fragen offen:
1. Wenn Ihrer Ansicht nach „längst geklärt“ sein soll, dass europäische Vorgaben bei Lebensmitteln und Verbraucherschutz (Beispiel „Hormonfleisch“ ect. u. a.) nicht geändert werden, warum müssen dann alle Verhandlungen zum TTIP so streng geheimgehalten werden?
2. Wenn im Handel zwischen EU und den USA noch Handelshemmnisse in Form von Zöllen und technischen Normen bestehen, warum wird dann nicht einfach darüber verhandelt, diese Zölle auszuräumen und technische Normen anzugleichen?
3. Investorenschutzklauseln wurden ursprünglich deshalb entwickelt, um deutsche Firmen vor etwaigen Enteignungen in diktatorischen Staaten oder Staaten ohne funktionierendes Rechtssystem zu schützen. In allen EU-Ländern sind keine Enteignungen ohne triftige Gründe des Allgemeinwohls möglich. Dass grundsätzlich auch in den EU-Ländern funktionierende Rechtssysteme vorhanden sind, innerhalb derer sich evtl. betroffene Firmen gegen etwaige ungerechtfertigte Eingriffe wehren könnten, wird wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden können. Warum braucht man dann solche Schutzklauseln?
4. Wenn nun Erkundungsbohrungen im Weidener Becken für Gasvorkommen genehmigt wurden, ist m. E. folgendes zu befürchten: Wenn dem Konzern, der knapp eine Million Euro investiert hat, bei einem Gasfund keine Genehmigung zur Förderung erteilt wird - aus welchem Grund auch immer - , könnte dieser Konzern doch dann gegen die Bundesrepublik klagen. Können Sie dies ausschließen?
5. Setzt nicht allein schon eine entsprechende Klagedrohung eines multinationalen Konzerns die Verwaltung und die Politik bereits so unter Druck, dass dadurch Genehmigungen im Zweifel erteilt werden und/oder die politische Willensbildung im Zweifel die Wirtschafts- und Konzerninteressen mehr beachtet als Verbraucher- und Umweltschutzinteressen?
Ich beantworte die Anfragen wie folgt:
1. "geheim" war am Anfang, entsprechend der langjährigen Praxis. Inzwischen werden nach Verhandlungsrunden des Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten informiert. MdEP können auch Einblick in Unterlagen nehmen. Aber es gilt: so lange nicht alles verhandelt ist, ist nichts beschlossen.
2. Das ist genau das Ziel des TTIP. Aber es ist umfassender angelegt, um den bedeutendsten Wirtschaftsraum der Welt zu schaffen, der inhaltlich damit ein Muster vorlegt für derartige Abkommen weltweit.
3. Ich versteh nicht ganz die Scheu und Abneigung vor Schiedsgerichten. Die Bundesregierung und Toll Collect haben ihren milliardenschweren Rechtsstreit in Deutschland auch vor ein Schiedsgericht gebracht und nicht vor ein Gericht. Schiedsgerichte sind tatsächlich eine "deutsche Erfindung" und haben Eingang gefunden in 130 bilateralen Abkommen, die D geschlossen hat. Es gibt also eine lange Erfahrung und keine schlechte! Im übrigen ist das amerikanische Rechtssystem für Mittelständler gar nicht einfach, es ist teuer und langwierig. In Europa ist es durchaus vorstellbar, in Ungarn, Bulgarien, Rumänien enteignungsgleiche Eingriffe zu erleben. Wir haben in den Abkommen mit Rumänien und Bulgarien auch Schiedsgerichte verankert. Die USA befürchten tatsächlich Enteignungen z.B. von Städten auf dem Balkan und keiner ist dann für Entschädigungen zuständig.
4. Ihre Befürchtung ist unbegründet. Enteignungen und enteignungsgleiche Eingriffe setzen Rechtstitel voraus, das ist mit Erkundung nicht verbunden. Ein interessanter Fall wird die Stilllegung der Kernkraftwerke. Die deutschen Konzerne klagen vor deutschen Gerichten auf Entschädigung. Vattenfall als schwedisches Unternehmen vor einem Schiedsgericht in den USA. Auf die Entscheidungen darf man gespannt sein.
5. Da schafft das TTIP keine neue Rechtsposition.
Zusammenfassen: man kann sich auch vor lauter Angst und Sorgen selber lähmen. Erfolgreich ist man damit i.d.R. nicht.
Beste Grüße
Erwin Huber