Portrait von Erika Mann
Erika Mann
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Erika Mann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dr. Rolf A. •

Frage an Erika Mann von Dr. Rolf A. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Mann,

auch ich möchte, dass Europa weiter zusammen wächst. Dies ist für uns Bürger Europas sicherlich in erster Linie durch Reisen in unsere Nachbarländer möglich. Wenn man jedoch von zu Hause aus Kontakt zu anderen Kulturen halten möchte, bieten sich natürlich Radio und Fernsehen an. Doch hier setzt mein inzwischen völliges Unverständnis angesichts der Verbreitung der staatlichen Programme unserer Nachbarn ein.

Während Deutschland das gesamte Repertoire des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nahezu flächendeckend über Satellit in Europa verbreitet, ist aus den anderen europäischen Staaten nahezu Null bis nichts zu empfangen. Als an unseren Nachbarländern und besonders auch an deren Sprachen interessierter Bürger (z.B. Großbritannien, Frankreich, Schweden, Niederlande, Österreich, Irland, Dänemark) möchte ich gerne meine Fremdsprachenkompetenz durch Original-TV oder Radio verbessern. Doch diese Länder sind rundfunkmäßig total abgeschottet. (Nur private Spartenprogramme, wenn überhaupt - wenig attraktiv).

Warum ist das so? Wieso kann Deutschland derart opulent verbreiten, andere Staaten dagegen unvorstellbar knickerig? Hat Deutschland keine Kosten durch die überregionale Verbreitung aller Medien aufzubringen, während die anderen Staaten unter der Tantiemenlast zusammenbrechen würden?

Das ist höchst merkwürdig und nicht mehr zeitgemäß, da bildungsfern! Ich freue mich auf Ihre Antwort - bis dahin kann man nur grüßen mit "Lang lebe ARTE!"

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rolf Altemöller

Portrait von Erika Mann
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Altemöller,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum grenzüberschreitenden Empfang von Rundfunk- und Fernsehfrequenzen aus anderen europäischen Ländern.

Die Antwort auf diese Frage ist sehr komplex und beinhaltet mehrere Faktoren, die nationale, europäische und teilweise auch internationale Abkommen, Beschränkungen und/oder Geschäftspraktiken berühren. Der Ursprung der Sachlage liegt nicht nur in den Kosten für die überregionale Verbreitung von Medien, die von Deutschland bzw. anderen Ländern ausgesendet werden; zusätzlich spielen vertragliche Abkommen eine erhebliche Rolle.

Allgemein muß man zwischen Kanälen unterscheiden, die umsonst empfangen werden können und solchen, die kosten- oder zugangspflichtig sind:

Im Hinblick auf den Empfang der Kanäle, die umsonst empfangen werden können, liegt das Problem nicht in einer technischen Ursache, sondern in der Mischung von Rechten und Vertragsabkommen zwischen den Rundfunk- und Fernsehsendeanstalten eines bestimmten Mitgliedslandes und den Signalverteilern, die die Kanäle in dem jeweilig anderen Mitgliedsland speisen.

Darüber hinaus trägt in manchen Fällen auch das Geschäftsverhalten der Rundfunk- und Fernsehanstalten an der ungleichen Verteilung bei.
Beispielsweise gibt es in Belgien Kabelinhaber (Coditel und Brutele), die die Erlaubnis haben, vom italienischen Sender "RAI" über Satellit das Signal zu empfangen und es in ihrem Kabelnetzwerk zu verwenden. Für bestimmte Veranstaltungen (z.B. für Sportveranstaltungen, wie z.B. die Formel 1 Rennen), kann "RAI" jedoch dieser Vereinbarung nicht nachkommen, weil es selbst nicht die Erlaubnis der Rechteinhaber erhalten hat (das ist im Fall von Formel 1 Rennen die FIA) die Veranstaltung außerhalb von Italien zu senden. In diesem Fall sperrt "RAI" den Kanal über Satellit und macht ihn damit in Belgien nicht empfangbar.

Wenn der Kabelinhaber nicht die Erlaubnis der Rundfunk- und Fernsehanstalten hat, ein Signal zu senden und es auch kein Abkommen mit anderen Plattformverteilern (zum Beispiel Kabel oder ADSL) gibt, kann der entsprechende Sender deshalb auch nicht in anderen Mitgliedsstaaten empfangen werden. Darüber hinaus, wie oben erwähnt, benötigt die Rundfunk- und Fernsehanstalt das Recht, bestimmte Inhalte in anderen Ländern zu übertragen.

Die rechtliche Basis für diese Angelegenheiten ist eine Mischung aus europäischem (Kabel- und Satelliten Richtlinie, Copyright-Richtlinie) und nationalem (Rechte zu geistigem Eigentum) Recht und vertraglichen Abkommen privater Institutionen.

Im Hinblick auf die Kanäle, die nicht umsonst, sondern nur über eine Zugangsberechtigung empfangen werden können (zum Beispiel über "Decoder" oder "smart cards") ist die rechtliche Grundlage, zusätzlich zu den bereits beschriebenen, eine europäische Richtlinie "Zu Zugangskontrollierten Diensten". Die Generaldirektion Binnenmarkt der Kommission hat hierzu erst kürzlich einen Bericht herausgegeben, der die Grauzone untersucht, die durch die Verwendung von "Decodern" und "smart cards" außerhalb des Sendegebiets entsteht.

Ich hoffe, diese Informationen beantworten Ihre Frage, wenngleich sie wahrscheinlich nicht Ihre Frustration lösen. Mir geht es wie Ihnen, auch ich möchte im Prinzip überall Zugang zu "meinen" Lieblingssendern haben und deshalb kann ich Sie auch so gut verstehen. Vielleicht werden wir es eines Tages schaffen, auch in diesem Bereich eine wirkliche "Europäisierung" zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen,
Erika Mann