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Erik Marquardt
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Frage von Jens W. •

Frage an Erik Marquardt von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe

Sehr geehrter Herr Marquardt,

ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meinen gewählten Abgeordneten mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wehrmann,

Vielen Dank für Ihre Anfrage. Es war, wie Sie sicher verfolgt haben, ein dynamisches Geschehen, das da an der türkisch-griechischen Landgrenze am Evros stattgefunden hat. Ich war von Ende Februar bis Ende April auf der griechischen Insel Lesbos und habe in dieser Zeit das Geschehen intensiv verfolgt und begleitet, da ich selbst glaube, dass Europa und Griechenland hier die eigenen Werte verraten und man alles dafür tun muss, dass sich das wieder ändert. Es wurde in der griechischen Öffentlichkeit und spätestens nach dem berühmten Hubschrauberflug der EU-Kommissionspräsidentin auch in der europäischen Öffentlichkeit über die Menschen, die an der Grenze festsaßen, wie von einer Kriegswaffe gesprochen. Griechenlands Grenzschutz wurde als "shield of europe" bezeichnet, militärische Phrasen wurden also gezielt genutzt, um rhetorisch zu verhüllen, dass hier Menschen an der Außengrenze stehen und keine Panzer.

Das war so falsch wie unnötig. Wir hatten es an der Grenze mit lediglich etwa 15.000 Menschen zu tun, die vom türkischen Präsidenten Erdogan unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an die Grenze gefahren wurden und denen er in der Folge die Rückkehr verweigerte. Europa hat sich vorführen lassen. Griechische Grenzsoldaten haben mit tödlichen Folgen auf Menschen an der Grenze geschossen, wie unter anderem der Spiegel berichtet hat. Doch die griechische Regierung streitet das im Stile von andere Rechtspopulisten schlicht als „Fake News“ ab.

Diese Politik der martialischen Bilder hat einzig den Rechtsradikalen in Deutschland und Erdogan genutzt. Der wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit nun darauf hinweisen, dass wenn Europa der Türkei Menschenrechtsverstöße vorwirft, es bitte doch erstmal vor der eigenen Haustür kehren soll. Und dieser Glaubwürdigkeitsverlust wird uns lange zu schaffen machen, selbst wenn wir die Politik wieder ändern. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht - oder auf Politik übertragen: Wer einmal den Rechtsstaat aussetzt, dem glaubt man die Rechtsstaatsgarantie nicht mehr.

Die Europäische Union ist asylpolitisch in einer schwierigen Lage. An fast allen Außengrenzen werden Menschen ohne rechtsstaatliches Verfahren abgeschoben. Malta und Italien verweigern Menschen in Seenot die Lebensrettung, Griechenland verstrickt sich mehr und mehr in menschenrechtsfeindlicher Politik und in anderen Ländern werden humanitäre Organisationen zunehmend kriminalisiert, wenn sie sich für Geflüchtete und Migrant*innen einsetzen. Oft begegnet mir berechtigte Kritik daran aber ich muss auch sagen: Ohne die Europäische Union würden wir deutlich schlechter dastehen. Wenn wir in einer globalen Welt ernsthaft für Menschenrechte streiten wollen, dann müssen wir die EU verändern, und sie nicht dumpf abschaffen wollen, wie es auch einige meiner linken Freund*innen fordern. Schließlich sind es vor allem Entscheidungen der Nationalstaaten, die zu solchen Problemen führen. Die Kommission hat inzwischen eingesehen, dass sie sich rhetorisch auf Abwegen befunden hat, ähnliche Rhetorik hat sich seitdem nicht mehr wiederholt. Ich arbeite weiterhin jeden Tag daran, dass sich die EU ihrer Verantwortung und Vorbildfunktion nach innen und außen bewusst ist und danach handelt.

Mit freundlichen Grüßen

Erik Marquardt

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