Frage an Erich Georg Fritz von Heinz-Uwe E. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Fritz,
Sie haben der Erhöhung des von der Bundesrepublik Deutschland garantierten ESFS-Fonds zugestimmt. Damit sind Sie bereit, Steuergelder der Bürger im Falle eines Falles an Griechenland zu geben, ohne die Gewissheit zu haben, das Geld jemals wieder zurück zu bekommen.
Nehmen wir mal an, es kommt zur Inanspruchnahme dieser Bürgschaft. Wie wollen Sie sich dann verhalten, wenn die Bediensteten des öffentlichen Dienstes die seit Jahren überfällige Beteiligung an der guten wirtschaftlichen Lage einfordern? Eine Argumentation, dass die Kassen leer sind und es nichts zu verteilen gibt, wäre ja wohl ein Hohn. Wenn für die eigenen Bürger nichts da ist, dann kann man auch anderen Staaten oder misswirtschaftenden Banken nichts geben.
Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass die ganze Aktion eine gigantische Umverteilung weiterer Gelder von unten nach oben ist.
Ihrer ausführlichen Antwort entgegensehend sende ich die besten Grüße
Heinz-Uwe Engling
Sehr geehrter Herr Engling,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 8. Oktober, in dem Sie sich nach meiner Haltung bezüglich der Erhöhung der EFSF, sowie nach der Beteiligung der Bediensteten des öffentlichen Dienstes an der guten wirtschaftlichen Lage erkundigen.
Europa steckt in einer tiefgreifenden Krise, und deshalb müssen wir Politiker zunächst die fundamentale Frage beantworten: wohin wollen wir mit Europa?
Unsere Grundgesetzväter haben die bedeutende Rolle der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas für Frieden und Wohlstand in Deutschland erkannt. Vielleicht machen wir uns heutzutage nicht mehr genügend bewusst, wie viel Lebensqualität wir tagtäglich durch die europäische Wertegemeinschaft, Frieden durch Recht, freien Binnen- und Arbeitsmarkt oder freies Reisen gewinnen. Dies alles macht es sehr lohnenswert, um unser Europa zu kämpfen.
Der komplexe Weg, den die europäische Staatengemeinschaft eingeschlagen hat, ist gewiss nicht ohne Risiken. Doch erscheinen mir die Risiken aller bekannten Alternativen größer.
Äußerst sensible Finanz- und Kapitalmärkte stellen täglich aufs Neue die Frage, ob und inwieweit das spezifisch europäische Konstruktionsprinzip - nämlich eine Europäische Währungsunion ohne eine politische Union bei national definierten Haushalts-, Finanz- und Sozialpolitiken - funktionieren kann. Die Europäische Union und die Eurogruppe haben sich jedoch als handlungsfähig erwiesen. Seit den Anfängen der europäischen Einigung mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) war die Vorgehensweise, durch begrenzte Einzelermächtigungen seitens der Mitgliedstaaten schrittweise handlungsfähigere europäische Institutionen herauszubilden, sehr erfolgreich. Dabei bleiben die Mitgliedstaaten die „Herren der Verträge“. Die nationalen Parlamente entscheiden über die partielle Abgabe von Souveränitätsrechten. Mit diesem Konstruktionsprinzip wurde die europäische Einigung wirtschaftlich und politisch eine Erfolgsgeschichte.
Ich habe der EFSF im Interesse eines stabilen Europas zugestimmt, nicht aber um Griechenland /per se/ zu retten. Denn unser aller Wohlstand hängt von einer intakten Eurozone ab. Gerne möchte ich meine Aussage anhand einer kurzen ökonomischen Analyse verdeutlichen: 61 Prozent deutscher Exporte fließen in die Eurozone (Stand: Juni 2011), das entspricht ca. 85,3 Milliarden Euro, die von einem intakten Europa abhängen. Deutschland exportiert alleine in die Niederlande immer noch mehr als nach China und das trotz bester Handelsbeziehungen mit dem neuen globalen „Player“. Ich bin besorgt um einen Zerfall des europäischen Wirtschaftsraums, sollte Griechenland eine ungeordnete Insolvenz ereilen. Denn dieser Zusammenbruch wäre insbesondere für die hauptsächlich am Export orientierte, deutsche Volkswirtschaft fatal. Die möglichen Folgen wären starke Inflation und Massenarbeitslosigkeit auch hierzulande. Immer wieder haben Staaten mit hohen Schulden die Notenpresse angeworfen und so das Geld und folglich auch die Schulden entwertet. Leidtragende waren diejenigen, die im Vertrauen auf einen stabilen Geldwert gespart hatten: denn nicht nur Schulden des Staates, sondern auch Ersparnisse der Bürger verloren an Wert.
In Anbetracht dieser Situation halte ich den ernsthaften Versuch, einen in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedsstaat zunächst zu stützen und ihm zeitgleich eine stringente Sanierungskur zur Erreichung intakter Strukturen und damit dauerhafter Stabilität anzuordnen, für weniger risikoreich im Sinne unserer deutschen Interessen.
Im internationalen Größenvergleich tendieren wir auch gerne dazu, Europa im Konzert dieser Welt zu überschätzen. Die wirtschaftliche Bedrohung, von den USA und den BRIC - Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) abgehängt zu werden, ist bereits augenfällig. Im Wettbewerb der Globalisierung ist Deutschland alleine nicht konkurrenzfähig, unsere Zukunft liegt unübersehbar in einem vereinten und wettbewerbsfähigen Europa. Wir müssen unseren Größenvorteil nutzen und viel stärker als bisher finanzielle Disziplin halten, wie es in dem Programm des ESM vorgesehen ist. Dann werden die Finanzmärkte Europa als nachhaltigen und seriösen Investitionsraum betrachten, so wie sie es derzeit mit Deutschland tun. Die politische Bewertung, ob man Griechenland aus dem europäischen Verbund ausschließen sollte, ist eng verknüpft mit dem Vertrauen in die Europäische Union. Wenn ein Euro-Land bald davon ausgehen muss, als schwächstes Mitglied unserer Gemeinschaft „vom Hof gejagt“ zu werden, verliert es das Urvertrauen. Europäische Wettbewerbsfähigkeit entsteht auf diesem Weg nicht. Deshalb stehe ich eher für ein massives EU-Aufbauprogramm in Griechenland, das viele neue EU-Mitglieder in den vergangenen Jahren erfolgreich durchlaufen mussten, um Aufnahmekriterien zu erfüllen, die Griechenland vielleicht noch nie erfüllt hat.
Zeitgleich streben wir von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag an, zum 01.01.2012 unsere Beamtinnen und Beamten des Öffentlichen Dienstes durch Wiederbelebung der Sonderzahlungen an unserem wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu lassen. Wir wollen die zum 1.1.2011 nicht vorgenommene Wiedergewährung der Sonderzahlung nun doch schon zum 1.1.2012 und nicht erst drei Jahre später verwirklichen. Konkret werden sämtliche Gehaltsbestandteile, auf die die Sonderzahlung gewährt werden, wie z. B. auch der Familienzuschlag, zum 01.01.2012 um 2,44 % erhöht. Im Ergebnis wird dadurch das Niveau von 2005 wieder erreicht. Zusammen mit dem ersten Einbauschritt durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz von 2009 bedeutet dies insgesamt ab Januar 2012 ein Plus von 5% auf die monatlichen Bezüge.
Die öffentliche Verwaltung des Bundes hat in den vergangenen Jahren erhebliche Sparmaßnahmen beigesteuert: Die Einführung der 41-Stunden-Woche, die Reduzierung der Sonderzahlungen auf 60%, der Wegfall des Urlaubsgeldes, der Verzicht auf inflationsbedingte Lohn- und Gehaltsanpassungen seit 1998. Allein im Zeitraum von 2006 bis 2011 haben die Beamten und Richter des Bundes sowie die Soldaten so einen Sparbeitrag von rund 3 Mrd. Euro erbracht. Deshalb ist es gerechtfertigt, dass die krisenbedingte Aussetzung der Sonderzahlung wieder korrigiert werden muß. Wer einen im internationalen Vergleich sehr leistungsfähigen Öffentlichen Dienst in Deutschland sichern möchte, darf die Vertrauensbasis mit den dort tätigen Beamten, Richtern, Soldaten und Versorgungsempfängern nicht verspielen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Erich G. Fritz, MdB