Frage an Engelbert Wistuba von Antje K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Wistuba,
wie wollen Sie und Ihre Partei realisieren, daß der
Zugang zu den Hochschulen unabhängig von der sozialen und finanziellen Herkunft bleibt.
Ich selbst bin Studentin und muß aufgrund meiner sozialen und finanziellen Herkunft neben dem Studium arbeiten, so daß sich dadurch meine Studienzeit verlängert hat.
Wie wollen Sie künftig Abiturienten motivieren, wenn hinter ihnen kein reiches Elternhaus steht, die das Studium finanzieren können und es ja nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Studiengebühren eingeführt werden, vor allem für die Studenten, die ihr Studium nicht rechtzeitig beenden können, was meistens nicht an dem Willen der Studenten liegt, sondern an der finanziellen Situation?
Wie wollen Sie es schaffen, die Zahl der Studierenden zu steigern, da ja bekanntlich in Deutschland zu wenige studieren?
Und wie wollen Sie die teilweise katastrophalen Bedingungen verbessern?
Mit freundlichen Grüßen
Antje Kösterke
Sehr geehrte Frau Kösterke,
haben Sie vielen Dank für Ihre zahlreichen Fragen zum Thema "Zukunft der Bildungspolitik", die Sie mir über das Portal von Kandidatenwatch.de übersandt haben. Ich habe in der Folge versucht, Ihre Fragen so konkret als auch so kurz wie möglich zu beantworten, was bei der Komplexität des Themengebietes nicht immer ganz einfach war:
zu 1.)
Die SPD steht - wie in der Vergangenheit - für den offenen Zugang zu den Hochschulen, unabhängig von den sozialen oder finanziellen Voraussetzungen der Jugendlichen. Wir stehen dafür, dass mehr Jugendliche aus bildungsfernen Schichten ein Studium ermöglicht wird: das bedeutet vor allem, dass das Erststudium unter allen Umständen kostenfrei bleiben muss! Darüber hinaus hat unsere BAföG-Reform von 2001 gezeigt, dass es möglich ist, mehr Chancengleichheit in Deutschland zu verwirklichen. Und ich finde, die Bilanz kann sich sehen lassen: Seit 1998 ist die Zahl der BAföG-Geförderten von 529.000 auf 810.000 und damit um über 50% gestiegen. Fast jeder zweite Geförderte (48,7 Prozent) erhielt 2004 eine Vollförderung, das heißt maximal bis zu 585 Euro.
zu 2.)
Bei der Novelle des Hochschulrahmengesetzes 2001 wurde die ursprünglich gemeinsam von den Ländern verabredete Einigung über ein studiengebührenfreies Erststudium festgeschrieben. Das neue Gesetz ist 2002 in Kraft getreten. Gegen diese Regelung haben einige unionsgeführte Bundesländer geklagt und mit der Begründung, dem Bund fehle das Gesetzgebungsrecht, vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts auch gewonnen. Damit liegt die Regelungskompetenz zunächst bei den Ländern. Im Hinblick auf die Ankündigung einiger CDU-regierter Länder, Studiengebühren einführen zu wollen, fordern wir diese auf, vorher Mindeststandards für die soziale Ausgestaltung sicherzustellen. Aber ich befürchte, noch nicht einmal davon kann bei den zurzeit bekannten Überlegungen die Rede sein. Allein die Diskussionen um Studiengebühren hat nach einer jüngst veröffentlichten HIS-Studie die Studierneigung gesenkt. Das finde ich sehr, sehr bedenklich.
Und zusätzlich zu der Frage, wer sich nach der Einführung von Studiengebühren überhaupt noch ein Studium leisten könnte, muss man sich ja auch über eines klar werden: Junge Menschen, die trotz Studiengebühren fest entschlossen sind, studieren zu wollen, müssten ihren Start ins Berufsleben und in die Familiengründung dann erst einmal mit hohen Schulden beginnen. Das halte ich für unverantwortbar, denn als Vater zweier erwachsener Kinder, die beide studieren bzw. studiert haben, weiss ich sehr wohl, was da an Kosten auf den/die einzelne Studierende/-n zukommt. Um die Belastung für die Studierenden deshalb schon zum Zeitpunkt der Studienentscheidung kalkulierbar zu machen, hat die SPD-geführte Bundesregierung die Darlehensbelastung bei 10.000 Euro gedeckelt. Zum Vergleich: Bei bedarfsdeckendem Studienkredit müsste ein Studierender für ein fünfjähriges Masterstudium inklusive Zinsen rund 90.000 Euro zurückzahlen. Studiengebühren oder -kredite wirken sich auf die Entscheidung für ein Studium aus, denn 70 Prozent der aktuell Geförderten geben an, ohne BAföG hätten sie nicht studieren können. Eine Umwandlung in ein Volldarlehen lehnen wir deshalb ab. Wir halten am BAföG, so wie es jetzt ist, fest - das sehe ich - zumindest in finanzieller Hinsicht - als Motivationsstütze an!
zu 3.)
Erst einmal hat es mich gefreut, als ich im Zuge der Beantwortung Ihrer Frage feststellen konnte, dass die Studienanfängerquote gegenüber 1998 um fast zehn Prozentpunkte gestiegen ist und jetzt bei 37,5 % liegt. Es ist somit gelungen, den Anschluss an internationale Durchschnittswerte zu erreichen. Es geht aber v.a. darum, diesen Erfolg nicht zu gefährden, zumal wir im internationalen Vergleich noch lange nicht am Ziel sind. Was ist also zu tun?
Die finanziellen Grundbedingungen auf Seiten der Studierenden müssen stimmen, dazu habe ich Ihnen meine Überzeugungen schon dargelegt.
Ansonsten will ich Ihnen noch ein paar Zahlen präsentieren, die mir im Zuge der Recherchen aufgefallen sind: Von 1993 bis 1998 sanken die Ausgaben für Bildung und Forschung um 390 Mio. Euro. Wir haben diesen Trend in einer großen Kraftanstrengung umgekehrt. Die Ausgaben für Bildung und Forschung sind seit unserer Regierungsübernahme 1998 um 37,5 % auf 9,9 Mrd. Euro gestiegen. Wir würden zusätzlich zu unseren Vorschlägen zum Subventionsabbau (z.B. Abschaffung der Eigenheimzulage) weitere Mittel dadurch mobilisieren, dass hohe Einkommen ab 250.000 Euro (Ledige)/500.000 (Verheirate) Euro mit einem Steuerzuschlag von 3 % stärker zur Finanzierung von notwendigen staatlichen Aufgaben - vor allem für Bildung und Forschung - herangezogen werden.
Aber bereits jetzt unternimmt die amtierende Bundesregierung erhebliche Anstrengungen, die Hochschulen zu stärken: sei es z.B. in der Geisteswissenschaft, in der internationalen Zusammenarbeit oder bei der Einführung neuer Medien. Mit der Exzellenzinitiative für Spitzenuniversitäten, die auf die Initiative der Bundesregierung zurückgeht, schaffen wir für unsere Hochschulen ein Sprungbrett in die Weltklasse. Mit zusätzlich 1,9 Mrd. Euro, von denen der Bund 75 % übernimmt, können Deutschlands Hochschulen ihr Profil stärken und endlich auch international zeigen, wie leistungsfähig sie sind. Dabei ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass die Auswahl und Bewertung der Konzepte durch eine hochkarätig besetzte Kommission erfolgen soll, in der auch Expertinnen und Experten aus dem Ausland oder mit langjähriger Auslandserfahrung maßgeblich mitwirken. Auch das neue Innovationsprogramm für die Hochschulen zielt hierauf.
Sehr geehrte Frau Kösterke,
trotz meiner doch nun relativ ausführlichen Darlegungen hoffe ich, dass ich Sie ein wenig davon überzeugen konnte, dass das Thema Hochschulbildung bei der SPD sehr gut aufgehoben ist. Dies soll nicht heißen, dass wir alles schon perfekt machen, aber wenn Sie sich die Mühe eines Vergleichs der verschiedenen Wahlprogramme machen, werden Sie sehen, dass es gute Gründe gibt, warum die SPD ihre Bildungspolitik auch in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen sollte. Sie können dazu beitragen, denn es ist auch Ihre Zukunft!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Engelbert Wistuba