Frage an Engelbert Wistuba von Mario P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Wistuba,
wie passen Fraktionszwang und Demokratie bei Abstimmungen ihrer Meinung nach zusammen?
Was muss passieren, damit Sie sich dem Fraktionszwang bei Abstimmungen entziehen?
Danke für die kommende Antwort
M.Prell
Sehr geehrter Herr Prell,
am 18.6.2009 hat der Deutsche Bundestag in namentlicher Abtstimmung über das Patientenverfügungsgesetz abgestimmt. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages stimmten ohne Weisungen ihrer Fraktionsspitzen ab. Bei ethischen Grundsatzfragen fordern die Fraktionen in der Regel keine Fraktionsdisziplin ein.
Gleichwohl sind Fraktionsdisziplin und Demokratie keine Gegensätze. Im Gegenteil. Denn ohne Fraktionsdisziplin wäre die Arbeitsfähigkeit einer Regierung unter Umständen erheblich eingeschränkt. Das kann aber nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger liegen.
Im übrigen geht den Abstimmungen ein langer Diskussionsprozess in den verschiedenen Gremien und unter der Beteiligung der Zivilgesellschaft voraus. Kann sich ein/e Abgeordnete/r dennoch nicht dazu durchringen, die Position seiner Partei voll mitzutragen, so kann er zum Beispiel von § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Gebrauch machen.
§ 31 Erklärung zur Abstimmung
(1) Nach Schluss der Aussprache kann jedes Mitglied des Bundestages zur abschließenden Abstimmung eine mündliche Erklärung, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung abgeben, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung.
(2) Jedes Mitglied des Bundestages kann vor der Abstimmung erklären, dass es nicht an der Abstimmung teilnehme.
Grundsätzlich gilt also § 38 des Grundgesetzes, nach dem Abgeordnete "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind. Der Staat muss aber handlungsfähig sein. Insofern ist es nur konsequent, wenn sich Abgeordnete einer Partei im Sinne eines klaren Profils in solidarischer Weise für oder gegen ein Gesetz oder einen parlamentarischen Antrag aussprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Engelbert Wistuba MdB