Frage an Engelbert Wistuba von Bernd B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werter Herr Wistuba,
da Sie aus unserem Wahlbezirk sind und der Gesundheitsreform zugestimmt haben, können Sie sicher sein, einige Stimmen bei der nächsten Wahl nicht mehr zu bekommen !!! Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit die etablierten Parteien (Wahlplatz 1-5) in unserem Wahlbezirk nicht mehr gewählt werden! Die letzten Justizentscheidungen (Hartz usw.) haben gezeigt, dass es hier in Deutschland nicht demokratisch zugeht. Die ,,Gesundheitsreform" ist nun der Gipfel allen Übels. Es wird immer gesagt ,wir hätten kein Geld und müssten sparen ,trotzdem stimmen von uns gewählte Abgeordnete für eine Verlängerung des Antiterroreinsatzes,Verlängerung in Afghanistan usw. Israel bekommt mal so nebenbei U-Boote geschenkt usw. Und in deutschen Städten stehen deutsche Bürger an Suppenküchen!!! Deutschland ist momentan eine Interessensgesellschaft. Diese Interessensgesellschaft bedient sich und ihre Klientel, die andern werden für dumm gehalten und wenn nicht dumm dann für dumm verkauft. Was wollen Sie persönlich tun ,damit sich in Deutschland dies ändert???
MfG
Sehr geehrter Herr Boehm,
herzlichen Dank für Ihre Email vom 4.2.2007, in der Sie Ihre allgemeine Unzufriedenheit an der rechtlichen, gesellschaftlichen und demokratischen Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland und einigen Entscheidungen des Bundestages zum Ausdruck bringen.
In Ihrem Schreiben vermischen Sie diese unterschiedlichen Aspekte und Ebenen, stellen abschließend fest, dass Deutschland momentan eine "Interessensgemeinschaft" ist und haben mich gefragt, was ich persönlich dagegen tun möchte.
Um auf diese komplexen und unabhängigen Sachverhalten und Ihre Frage einzugehen, erlaube ich mir, dass ich mit der Beantwortung Ihrer abschließenden Grundsatzfrage beginne, bevor ich auf einige Aspekte Ihrer Aufzählungen eingehe.
Ich bin persönlich sehr froh, dass die Bundesrepublik Deutschland eine "Interessensgesellschaft´" und kein diktatorischer Staat ist, unter dem auch in unserem Bundesland die meisten Menschen noch bis vor 18 Jahren leiden mussten. Unser Grundgesetz, auf dem unsere demokratisch, gesellschaftliche Ordnung basiert, verbrieft zum Glück die "Interessensgesellschaft" in dem es z.B. in Artikel 9 das Recht Vereine und Gesellschaften zu bilden oder aber in Artikel 21 die Existenz und Handhabe von Parteien regelt. Vor diesem Hintergrund werde ich mich weiterhin dafür sogar einsetzen, dass wir eine ausbalancierte Interessensgesellschaft mit freien Medien und Gewaltenteilung bleiben. Dass Sie selber vom Grundgesetz und der "Interessensgesellschaft" durch Parteien und das Wahlrecht Gebrauch machen, zeigt Ihr Vorhaben, an den nächsten demokratischen Wahlen teilzunehmen. Genau von diesem Bürgerrecht und dem Wettbewerb der Parteien lebt unsere Demokratie. Ich bin froh, dass Sie davon Gebrauch machen, auch wenn ich mich natürlich freuen würde, wenn Sie für meine Partei stimmen würden.
Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich die Gesundheitsreform nicht als Gipfel allen Übels an, sondern freue mich, dass mit dieser Reform endlich zentrale offene Fragen und Probleme in unserem Gesundheitssystem angegangen wurden. Ich habe aus Überzeugung für diese Reform gestimmt. Sicherlich muss an vielen Fragen und Inhalten weitergearbeitet werden, weil die demographische Entwicklung auch in Zukunft für das Gesundheitssystem große Auswirkungen hat. Für Ostdeutschland gibt es viele nennenswerte Verbesserungen durch die Reform, die bisher viel zu wenig Beachtung gefunden haben. So gibt es ab jetzt einen hundertprozentigen Einkommensausgleich im Gesundheitsfonds. Das bedeutet, das es nach Einführung des Gesundheitsfonds es keine Rolle mehr spielt, wie das Einkommensgefälle zwischen Regionen oder zwischen Ost und West ist, wie viele Geringverdiener, oder auch wie viel Rentner oder Arbeitslose bei einer Kasse versichert sind. Damit bekommen jetzt die Ost-Kassen für jeden Versicherten den gleichen (Grund-) Betrag wie die Westkassen. Des weiteren verbessert die Öffnung der Krankenhäuser für spezialisierte ambulante Leistungen und seltene Krankheiten, durch die festgeschriebene Verbesserung der Versorgungssicherstellung, die Gesundheitsversorgung gerade in entsprechend strukturschwachen Regionen erheblich.
Die kürzliche Justizentscheidung zum Fall Peter Hartz ist eine rechtliche und keine politische Entscheidung gewesen. Damit ist und bleibt unser Land weiterhin genauso demokratisch wie es auch davor war. Dass Sie mit dem Gerichtsurteil nicht zufrieden sind, ist Ihr gutes Recht. Auch ich war persönlich nicht über diesen Ausgang erfreut.
Bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan ist es aus meinen Augen wichtig und richtig, dass die Bundeswehr den Norden des Landes sichert und dort auch weiterhin einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau leistet. Natürlich wäre es schön, wenn wir möglichst wenig Haushaltsmittel für Auslandseinsätze zur Verfügung stellen müssten. Im Rahmen unserer eigenen Außenpolitik und unserer Interessen, den Verpflichtungen gegenüber unseren Verbündeten sind diese Einsätze leider noch notwendig.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage ausführlich genug beantwortet habe. Sollten Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich bitte erneut an mich oder kommen Sie doch einfach in meine Bürgersprechstunde in unserer Lutherstadt Wittenberg am 13.3.2007 zwischen 13.00 - 15.00 Uhr.
Mit freundlichen Grüßen,
Engelbert Wistuba