Wie rechtfertigen Sie Ihr menschen- und frauenfeindliches Abstimmungsverhalten im Bundestag in Bezug auf Schutzsuchende und dem Gewaltschutz von Frauen, Kindern und weiteren vulnerablen Personen?
Ich habe die selbe Frage wie Yvonne S. und da ich in Ihrem Wahlkreis wohne, hoffe ich auf eine Antwort.

Sehr geehrte Frau B.,
vielen lieben Dank für Ihr Schreiben zum Thema „Gewalthilfegesetz“. Fakt ist - Gewalt gegen Frauen ist ein schwerwiegendes gesamtgesellschaftliches Problem, für das wir aktiv Lösungen im Sinne der betroffenen Frauen schaffen müssen, die auch wirklich vor Ort ankommen.
Ich verstehe daher, wenn Sie sich wundern, weshalb ich bei diesem wichtigen Thema nicht mit abgestimmt habe: Das lag tatsächlich nur daran, dass ich zum Zeitpunkt der Abstimmung (Freitag Spätnachmittag/Abend) kurzfristig von Berlin nach Hause zu meiner kleinen Tochter fahren musste, da ich keine Betreuung mehr für sie hatte. Das lag also keinesfalls an dem Abstimmungsthema, aber bei Abstimmungen, die sich zeitlich so stark nach hinten verschieben, gelingt es nicht immer, alles andere damit zu vereinbaren. Ich setze mich sehr wohl und sehr gerne im Sinne der Betroffenen ein und stehe auch völlig hinter den Forderungen meiner Kolleginnen, die den Kompromiss erarbeitet haben.
In deren Sinne freue ich mich auch, dass es nach langen, intensiven und konstruktiven Gesprächen zwischen Union, SPD und Grünen am 31.1.2025 zu einer Einigung kam. So ist es gelungen, dass das Gewalthilfegesetz kommt und damit auch der Rechtsanspruch auf Schutzplätze und Beratung. Der Bund beteiligt sich erstmalig an der Finanzierung des Gewalthilfesystems in einer Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Der Rechtsanspruch bedeutet einen Paradigmenwechsel für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder. Der Bund übernimmt Verantwortung und wird die Länder in der Versorgung von gewaltbetroffenen Frauen finanziell unterstützen. Explizit wird damit auch die Hilfestruktur und die Prävention gestärkt. Seit Jahren ist die Situation in den Frauenhäusern und Beratungsstellen angespannt. Der Handlungsbedarf ist extrem groß. Laut dem Lagebild „Geschlechtsspezifische Gewalt“ von 2023 begeht in Deutschland fast jeden Tag ein Mann einen Femizid. Knapp 400 Frauen am Tag wurden Opfer von Partnerschaftsgewalt. In den vergangenen Jahren sind diese Zahlen deutlich gestiegen und daher ist die Einigung zwischen SPD, CDU/CSU und Grünen mit einem historischen Schulterschluss so entscheidend und es löst ein, was Fachverbände, die Zivilgesellschaft und Expertinnen und Experten seit Jahren fordern.
Für uns als Union ist klar: Die Situation ist alarmierend und es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir kritisieren sehr scharf, dass die Ampel-Regierung in den letzten drei Jahren nichts unternommen hat, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen. Aus Sicht der CDU/CSU braucht es ein umfassendes Gesamtkonzept zum Schutz von Frauen vor Gewalt, das alle staatlichen Ebenen einbindet. Mit einem Nationalen Aktionsplan wollen wir das Problem deshalb ganzheitlich angehen. Wir wollen nicht nur die Opfer besser vor Gewalt schützen, sondern vor allem härter und konsequenter gegen die Täter vorgehen und das Entstehen neuer Gewalt von vornherein verhindern. Dies erreichen wir unter anderem durch einen Ausbau der Aufklärungs- und Präventionsarbeit, gezielte Strafverschärfung und eine Stärkung unseres Schutz- und Unterstützungssystems. Zudem braucht es endlich wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Nachtrennungsgewalt und digitaler Gewalt. Unsere Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen haben wir bereits im November 2024 mit unserem Antrag "Gewalt gegen Frauen wirksam bekämpfen - Schutz, Hilfe und Unterstützungsangebote ausbauen" (Drucksachennummer 20/13734) vorgelegt.
Nach dem Bruch der Ampel-Regierung hat das Bundesfamilienministerium im Dezember 2024 einen Entwurf für das sogenannte Gewalthilfegesetz vorgelegt, das den bedarfsgerechten Ausbau des Schutz- und Unterstützungssystems für Gewaltopfer sicherstellen soll. Der vorgelegte Entwurf war allerdings lückenhaft und zeigte handwerkliche Fehler, die eine erfolgreiche Umsetzung dieses wichtigen Vorhabens gefährdet hätten. Trotz des engen Zeitplans konnten wir nach langen Verhandlungen mit SPD und Bündnis 90/ Die Grünen eine Einigung erzielen, gezielte Nachbesserungen vornehmen und gemeinsam das Gewalthilfegesetz am 31. Januar 2025 im Deutschen Bundestag beschließen. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Meilenstein zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Zentral war für uns als CDU/CSU bei diesem Vorhaben immer, die besondere Betroffenheit von Frauen in den Fokus der Maßnahmen zu stellen. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, dass die begrenzten finanziellen und personellen Kapazitäten vorrangig zum Schutz von Frauen eingesetzt werden. Im Rahmen der Verhandlungen haben wir deshalb darauf bestanden, dass der Betroffenenkreis auf Frauen und ihre Kinder (bis zum 18. Lebensjahr) beschränkt wird. Zudem war uns wichtig, dass Frauenhäuser ausschließliche Schutzräume für Frauen bleiben und Personen mit männlichen Geschlechtsmerkmalen zu diesen keinen Zugang erhalten. Dies ist elementar, um das Sicherheitsgefühl von Frauen mit Gewalterfahrung in den Einrichtungen aufrechtzuerhalten und Retraumatisierungen zu vermeiden. Entsprechende Formulierungen, die zu einer Unsicherheit in der Auslegung vor Ort führen könnten, wurden deshalb gestrichen.
Es war uns als CDU/CSU ein wichtiges Anliegen, das Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Deshalb haben wir uns dafür stark gemacht, dass der Beschluss möglich wird. Wir bedauern aber, dass mit der Ablehnung des Gesetzentwurfs der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur „Änderung des Strafgesetzbuches und weiterer Gesetze – Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen“ weitere wichtige Maßnahmen zum Schutz von Gewaltopfern von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen verhindert wurden. Im Bereich des Gewaltschutzes besteht deshalb aus unserer Sicht weiterhin Handlungsbedarf.
Mit besten Grüßen
MdB Emmi Zeulner