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Emmi Zeulner
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Frage von Julian Pascal B. •

Frage an Emmi Zeulner von Julian Pascal B. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Zeulner,

warum haben Sie im Bundestag gegen das Masernschutzgesetz gestimmt?

Mit freundlichen Grüßen

Julian B.

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CSU

Sehr geehrter Herr B.,

gerne lasse ich Ihnen auf Ihre Frage meine persönliche Erklärung zukommen, die darauf eingeht, warum ich nicht zugestimmt habe:

"Ich stimme mit dem Ziel des Gesetzes, die Impfquote zu erhöhen und somit den Gemeinschaftsschutz über die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, überein.
Allem voran möchte ich sehr deutlich sagen, dass ich keine Impfgegnerin bin und die grundsätzliche Notwendigkeit von Impfungen vertrete. Ich stehe hinter der Aussage des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, der betont hat, dass es auf die einzelnen Maßnahmen ankäme, um einen Gemeinschaftsschutz zu erwirken und der das Ergreifen dieser Maßnahme ohne eine zwingende Einführung einer Pflicht als Möglichkeit angeführt hat.
Genau solche Maßnahmen sind in dem Gesetz angelegt und sie sind in großen Teilen richtig und werden zum gewünschten Ziel führen. Vor allem die angelegten Zugangserleichterungen zu der Impfung und der Abbau der Abrechnungshindernisse bei den Ärzten wird die Impfquote weiter erhöhen.
Für mich steht vorab fest: Die angelegten Maßnahmen des Gesetzes sind in großen Teilen für sich alleine unterstützenswert und ich danke den Kollegen und dem Bundesgesundheitsministerium für die gute und umfassende Arbeit an diesem Gesetz.

Doch ich sehe das grundlegende Mittel, die Impfpflicht, die durch Sanktionen durchgesetzt wird, nicht als verhältnismäßig an. Ich sehe den legitimen gesetzgeberischen Zweck und heiße das Ziel auch gut. Das Mittel der Impfpflicht ist auch geeignet, um dieses Ziel zu erfüllen. Doch bei der Erforderlichkeit sehe ich erste Probleme, die sich schließlich in der Angemessenheit noch deutlicher für mich darstellen.
Meiner Meinung nach hätte es mildere und niedrigschwelligere Möglichkeiten gegeben, die vor einer Pflicht ergriffen werden hätten sollen. Denn eine staatlich auferlegte Pflicht, die bei den Menschen als Zwang ankommt, muss ultima ratio bleiben und steht für mich vorliegend außer Verhältnis.
Auch wenn man hier argumentieren kann, dass es sich nur um eine Impfnachweispflicht handelt und kein unmittelbarer Zwang ausgeübt wird, so bleibt für mich auch entscheidend, wie es bei den Menschen vor Ort ankommt. Und hier wird deutlich: es wird als Impfpflicht und staatlicher Zwang empfunden. Diese Intention kann man dem Gesetz nicht absprechen, da die Sanktionen, sei es die Ausschlussmöglichkeit aus den Einrichtungen oder die Bußgeldtatbestände selbstverständlich als eine Art Zwang - resultierend aus der Nichtbefolgung der Pflicht - beim Einzelnen ankommen. In Gesprächen wird sehr deutlich, dass den Menschen vor Ort die Sensibilität für das Thema nicht etwa fehlt und nur ein sehr geringer Teil wirklich sogenannte Impfgegner sind. Es wird aber auch deutlich, dass die Art und Weise das Problem über eine staatliche Pflicht zu regeln, eine Gegenwehr hervorruft, die dem Ziel der Impfpflicht leider entgegensteht. Wir schaffen uns hier teilweise selbst Impfgegner, die vorher keine waren. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts hat ebenfalls auf die Möglichkeit dieser konterproduktiven Folge einer Impfpflicht hingewiesen und davor gewarnt. Wir müssen die Menschen mit ihren Bedenken ernstnehmen.

Meine Ablehnung beruht daher im Kern darauf, dass ich die Pflicht gerade nicht angemessen finde. Ich stelle hier die Grundrechte der Einzelnen, seien es die der Kinder oder aber auch der Eltern, höher als das Wächteramt des Staates, das einen solchen Eingriff rechtfertigen könnte. Ich möchte die Gefahren einer Masernerkrankung nicht herunterspielen und ich bin mir der Risiken bewusst. Doch wenn wir den Vergleich zu Pockeninfektion ziehen, bei der das Bundesverwaltungsgericht 1959 die staatliche Schutzpflicht über die individuellen Grundrechte gestellt und eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer derartige Impfpflicht bejaht hat, so wird das Missverhältnis der Pflicht für mich sehr deutlich. Denn der Entscheidung lag zugrunde, dass die Pockeninfektion eine Sterblichkeitsrate von 30 Prozent hatte – und ja, bei dieser Zahl ist eine Pflicht ohne Frage zu bejahen. Zu keiner Zeit möchte ich die möglichen Folgen einer Masernerkrankung herunterspielen, doch für einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen bedarf es aus meiner Sicht als Parlamentarierin mehr.
Dazu kommt, dass wir mit dem Willen in den Gesetzgebungsprozess gegangen sind, einen Schutz gegen Masern durch vermehrte Impfungen sicherzustellen. Am Ende sind wir jetzt aber bei einer Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln, zu der wir die Menschen verpflichten. Dies verstärkt den Widerstand bei Vielen noch weiter und wird als Vielfachimpfung durch die Hintertür empfunden.
Über dieses Missverhältnis des Ziels und des Mittels der Pflicht komme ich in meiner persönlichen Entscheidung nicht hinweg, so dass die Gründe in der Gesamtheit keine Einführung einer solchen Impfpflicht für mich rechtfertigen."

Mit freundlichen Grüßen
Emmi Zeulner

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