Frage an Emmi Zeulner von Hannes K.
Sehr geehrte Frau Zeulner,
Am 08.05.14 haben Sie gegen einen Gesetzentwurf für ein Rüstungsexportkontrollgesetz gestimmt. Dies sollte u. a. folgende Punkte berücksichtigen:
• Die Menschenrechtslage im Empfängerland
• Zuständigkeit unterliegt dem Auswärtigen Amt [nicht Wirtschaft]
• Verbot der Lizenzvergabe an Drittstaaten
Meine Frage bezieht sich nun auf die Begründung Ihrer damaligen Entscheidung in Anbetracht der folgenden Hintergründe.
Mit dem 24. Dezember 2014 ist der Vertrag über den Waffenhandel (The Arms Trade Treaty, ATT) in Kraft getreten, "anerkennend, dass Frieden und Sicherheit, Entwicklung und die Menschenrechte Säulen des Systems der Vereinten Nationen und Grundlagen der kollektiven Sicherheit sind" (Präambel).
Am 12.12.11 werden zwei Studenten im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero mit Sturmgewehren vom Typ G36 erschossen.
Einige Monate später bestätigt eine Liste des mexikanischen Verteidigungsministeriums, dass 1.924 Gewehre der Firma Heckler & Koch in Guerrero gelandet sind.
Bedenklich ist dies, da der Bundesstaat Guerrero zu den vier Regionen zählt, für die die Exportbehörden wegen der schwierigen Menschenrechtslage keine Ausfuhrgenehmigung erteilt haben. Insgesamt sei etwa die Hälfte der 9.652 Lieferungen in diesen Regionen gelandet.
Am 26.09.14 sterben bei einem Angriff von Kriminellen und Lokalpolizisten auf Studenten der Ayotzinapa-Fachschule sechs Menschen. 43 Studenten wurden verschleppt und vermutlich ermordet.
Mindestens 38 Sturmgewehre vom Typ G36 wurden im Polizeirevier von Iguala gefunden.
Auch Mitglieder der Mafia sollen die Gewehre benutzt haben.
Mexiko ist nur ein Beispiel.
60,5% der letztjährigen Exporte gingen an Drittstaaten außerhalb der NATO mit teils prekären Menschenrechtslagen, wie u.a. Ägypten, Indien, Irak, Katar, Kuwait, Pakistan, Panama, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Quellen:
- http://www.juergengraesslin.com
- Amnesty Journal 08/09 2015
- Rüstungsexportbericht 2014
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kaltenecker,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Engagement in dieser Sache. Sehr gerne werde ich Ihre Fragen beantworten und habe Ihnen hierzu auch bereits an Ihre persönliche Emailadresse eine Nachricht gesendet. Bis zur vollständigen Klärung der Fragen würde ich zunächst im direkten persönlichen Austausch per Mail bleiben, um auch kurzfristige Nachfragen zu ermöglichen. Sobald wir die Rückmeldungen von den zuständigen Stellen haben, werde ich Ihre Anfrage abschließend beantworten.
Beste Grüße
Emmi Zeulner, MdB
Sehr geehrter Herr Kaltenecker,
Ihre Fragen habe ich ja bereits auch per Mail beantwortet und wir standen hierzu auch wSehr geehrter Herr Kaltenecker,
Ihre Fragen habe ich ja bereits auch per Mail beantwortet und wir standen hierzu auch weiter im Kontakt. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihr großes Engagement und auch für die übersandten Unterlagen. Der Vollständigkeit halber hier die Antwort auch nochmals auf abgeordnetenwatch.de.
Für Ihre Bedenken bei der Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern in Spannungs- und Krisengebiete habe ich großes Verständnis. Seien Sie versichert, dass ich als Mitglied des Parlaments, keine Entscheidung leichtfertig treffe. Jeder meiner Abstimmungen in diesem Bereich geht eine sorgsame Abwägung aller Argumente voraus. Ich bin Ihrer Meinung, dass wir hier ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit und den Endverbleib legen müssen. Wir haben eine große Verantwortung und dieser gilt es gerecht zu werden. Doch auch die Bundesregierung macht sich die Entscheidung über Waffenlieferungen nicht leicht und entscheidet daher immer nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls anhand strenger Kriterien. Deutschland betreibt eine sehr restriktive Rüstungsexportpolitik. Die Bundesregierung orientiert sich dabei an den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“, die im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verabschiedet wurden. Diese geben neben der restriktiven Gestaltung der Rüstungsexportpolitik auch vor, dass sich die Politik „am Sicherheitsbedürfnis und den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik zu orientieren“ habe. Zudem ist darin festgelegt, dass der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen wird. Die Politischen Grundsätze von 2000 wurden bisher von allen Bundesregierungen unverändert in den jeweiligen Koalitionsvereinbarungen bestätigt. Auch aus diesem Grund zeichnet sich die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung seit jeher durch Zurückhaltung, Verantwortungsbewusstsein und Kontinuität aus. Die oftmals vorgetragene Behauptung, Deutschland gehöre neben den USA und Russland zu den weltweit größten Rüstungsexporteuren ist schlicht nicht zutreffend. Auch die Behauptung, dass Rüstungsexporte schwerpunktmäßig in die Krisenländer der Welt gingen, ist falsch. So ergibt die Darstellung der deutschen Rüstungsexporte in dem jährlich erscheinenden Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ein anderes Bild. Es zeigt sich, dass der überwiegende Teil der deutschen Rüstungsexporte in Länder der Europäischen Union und der NATO erfolgt. In den vergangenen Jahren entfiel gut die Hälfte der Einzelgenehmigungen auf diese Ländergruppen. Im Übrigen kommt es meines Erachtens weniger auf das Gesamtvolumen der ausgeführten Güter an, sondern vielmehr auf ihre Art und den jeweiligen Verwendungszweck. An letzterem sollte eine verantwortungsvolle Exportkontrolle gemessen werden. Wenn Sie den Export in Drittländer nehmen, so zeigt sich, dass unter den dorthin exportierten Gütern zum Beispiel auch Geländewagen mit Sonderschutz für internationale Organisationen, Minenräumgeräte für Hilfsorganisationen, Küstenschutzboote oder U-Boote zur Überwachung von Küstengewässern zu finden sind, die ebenso in das Gesamtvolumen der deutschen Rüstungsexporte einfließen. Die Entscheidung über den Export von Waffen und Rüstungsgütern macht sich auch in der Bundesregierung niemand leicht. Bereits heute gilt der Grundsatz, dass Waffen und Rüstungsgüter nicht in Krisengebiete geliefert werden. Mithin haben wir uns auch klar gegen eine Waffenlieferung in die Ukraine ausgesprochen. Dieser Konflikt kann dauerhaft nur auf diplomatischem Weg gelöst werden. Andererseits gehört es für mich aber auch zum christlichen Menschenbild, Verantwortung für bedrohte Menschen zu übernehmen. Deshalb finde ich es nach wie vor richtig, dass wir uns im Sommer letzten Jahres für eine Waffenlieferung an die Peschmerga im Irak entschieden haben. Dort werden Menschen ihrer elementarsten Rechte beraubt und auf grausamste Weise ermordet. Deshalb musste es eine Reaktion mit dem Ziel geben, die Betroffenen in ihrem Leben und ihren elementaren Rechten zu schützen. So sah es nicht nur der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit, sondern auch namhafte Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland. Papst Franziskus hat die Waffenlieferungen unterstützt und mit den Worten, dort „wo es einen unrechtmäßigen Aggressor gibt, ist es berechtigt, ihn zu stoppen", sogar ein militärisches Eingreifen gefordert. Ebenso hat sich die Deutsche Bischofskonferenz für die Waffenlieferungen ausgesprochen. Ich bin der festen Überzeugung, dass humanitäre Hilfe nicht gegen Waffenlieferungen ausgespielt werden darf. Wir werden uns daher auch zukünftig beim Export von Waffen und Rüstungsgütern an den politischen Grundsätzen der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 orientieren und jeden Einzelfall genau prüfen. Selbstverständlich werden wir aber auch weiterhin unserer humanitären Verpflichtung gerecht werden.
Eine sehr große Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang, wie auch von Ihnen angesprochen, die Endverbleibskontrolle dar. Immer wieder gelangten Rüstungsexportgüter in fremde Hände. Deswegen hat die Bundesregierung im Juli letzten Jahres Eckpunkte für neue Regeln zur Kontrolle des Endverbleibs von Rüstungsgütern beschlossen. Diese hänge ich Ihnen auch als Datei an. Künftig sollen die Ausfuhr von Kriegswaffen wie etwa Maschinengewehren sowie bestimmten anderen Schusswaffen in Drittstaaten nachträglich vor Ort im Empfängerland kontrolliert werden (sog. Post-Shipment-Kontrollen). Die Einführung von Post-Shipment-Kontrollen ist eine entscheidende Verbesserung bei der Überwachung von Rüstungsexporten. Denn endlich können die Angaben, die Empfänger zum Verbleib der Waffen machen, vor Ort überprüft werden. So können wir sicherstellen, dass die exportierten Waffen auch am angegebenen Bestimmungsort ankommen und verbleiben. Dies ist wichtig, um eine unerlaubte Weitergabe zu unterbinden. Mit der Neuregelung ziehen wir auch die Konsequenz aus Skandalen der Vergangenheit. Schon im Mai 2015 haben wir sehr strenge Regeln für den Export von Kleinwaffen beschlossen. Zusammen genommen sorgen die Kleinwaffen-Grundsätze und die Eckpunkte für die Post-Shipment-Kontrollen dafür, dass wir jetzt die strengsten Regeln für Rüstungsexporte haben, die es in der Bundesrepublik je gab. Nach bisheriger Rechtslage wurde der Endverbleib von Rüstungsgütern im Rahmen des Genehmigungsverfahrens im Vorfeld (ex ante) u.a. anhand von Endverbleibserklärungen geprüft. Wenn Zweifel am gesicherten Endverbleib beim Empfänger bestanden, wurden Ausfuhranträge abgelehnt. Eine nachgeschaltete Prüfungsmöglichkeit vor Ort bestand nicht. Nach den neuen Vorschriften muss der Empfänger von Kriegswaffen und bestimmten Schusswaffen (Pistolen, Revolver und Scharfschützengewehre) in Drittländern (also nicht NATO, EU oder diesen gleichgestellt) sich in den geforderten Endverbleibserklärungen verpflichten, sich mit späteren Vor-Ort-Kontrollen einverstanden zu erklären. Dies ist ein wichtiger und entscheidender Schritt. Denn so wird die bloße ex-ante-Genehmigung deutlich durch die Post-Shipment-Kontrollen gestärkt. Die auf dieser Grundlage möglichen Kontrollen sollen zunächst als Pilotprüfungen erfolgen. Die Vorbereitung und Durchführung erfolgen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die deutschen Botschaften. Verstößt ein Land gegen die Endverbleibserklärung oder verweigert es die Vor-Ort-Kontrollen, wird es nach den Vorgaben der Ziffer IV Nr. 4 der "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" aus dem Jahr 2000 grundsätzlich von der weiteren Belieferung mit Rüstungsgütern ausgeschlossen. Der Entwurf der Eckpunkte sieht ferner vor, bei Partnern in der NATO und der EU für die Einführung vergleichbarer Kontrollen zu werben. Zwei Jahre nach Durchführung der ersten Post-Shipment-Kontrolle wird eine Überprüfung des Verfahrens stattfinden.
Zur Umsetzung von Post-Shipment Kontrollen von Rüstungsgütern ist eine entsprechende Vereinbarung mit dem Empfängerland erforderlich. Die rechtliche Grundlage für solche Kontrollen bilden die OSZE und Wassenaar Abkommen, in denen Vorgaben für Endverbleibserklärungen bereits vorgesehen sind. Es gilt weiter daran zu arbeiten, dass die Länder die Vorgaben übernehmen und wir so ein breites Band an Rückversicherungsmöglichkeiten bilden. Da wir hier Neuland betreten, werden vor allem auch die Praxiserfahrungen der Post-Shipment-Kontrollen aus den USA und der Schweiz als Vorbilder dienen. Die USA führen seit 1990 derartige Kontrollen durch. In der Schweiz trat das Verfahren erst 2013 in Kraft.
Doch neben den gesetzlichen Grundlagen spielt auch die Technologie eine entscheidende Rolle bei der Endverbleibskontrolle. Denn solange die Identität der Waffe durch das einfache Abfeilen der Identifikationsnummer verschleiert werden kann, solange können wir den Endverbleib nicht wirksam kontrollieren. Die Industrie arbeitet, unter Einbeziehung der zuständigen Behörden, an verbesserten Systemen für Post-Shipment-Kontrollen. So stellte Dynamit Nobel Defence, Hersteller von Panzerabwehrhandwaffen, kürzlich ein chipbasiertes System vor. Hier werden Kleinstchips mit Registriernummern in die flüssigen Verbundstoffe von Rüstungsgütern, z.B. in das Rohr/Griffstück einer Waffe eingeschmolzen, sodass sie sich nicht mehr entfernen lassen. Dies wäre ein weiterer Schritt hin zu einem sicheren Endverbleib.
Es gilt hier, sowohl in der Technologie, wie auch in der Politik weiter an Verbesserungen und Weiterentwicklungen zu arbeiten. Wir müssen alles aus unserer Position Mögliche tun, um sicherzustellen, dass die Rüstungsexporte bei dem vereinbarten Empfänger verbleiben und nicht zur Weitergabe missbraucht werden. Dafür sind die Grundlagen gelegt.
Zum Ende möchte ich auch noch einmal kurz auf die von Ihnen angesprochenen aktuelleren Vorwürfe zu sprechen kommen, dass im Irak Tranchen der Bundeswehr auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht seien. Das Bundesministerium der Verteidigung nimmt diese Hinweise über Waffenlieferungen an Dritte sehr ernst und hat dies zum Anlass genommen, mit den Verantwortlichen Verbindung aufzunehmen, um den Hinweisen nachzugehen. Jedoch werden hier keine Hinweise auf systematischen Missbrauch oder Verkauf von Waffen gesehen. Es handelt sich um Einzelfälle, denen wir mit den oben geschilderten neuen Verfahren künftig entgegenwirken wollen. Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen, ist aber meiner Ansicht nach unerlässlich.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Emmi Zeulner