Frage an Elisabeth Scharfenberg von Christiane K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Scharfenberg,
ich bin eine werdende Hebamme, die sich ebenso wie ihre Kolleginnen einer ungewissen beruflichen Zukunft gegenüber sieht.
Als Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages hoffe ich von Ihren erfahren zu können, wie die Diskussion um den Berufsstand der Hebammen derzeit im Bundestag geführt wird.
Nachdem am 25.03.2015 auch auf Ihren Antrag hin eine Anhörung zur Situation der Hebammen in Deutschland stattfand, die – so hat es für mich den Anschein – jedoch ohne jede Folge blieb, frage ich Sie, welche konkreten Gespräche und Maßnahmen geplant sind und wann damit zu rechnen ist, dass diese umgesetzt werden.
Jeden Tag sehen sich Hebammen dazu gezwungen sich aus der Geburtshilfe zurückzuziehen und auch an den Kliniken werden immer mehr Kreißsäle geschlossen. Dies scheint die regierenden Parteien jedoch nicht davon abzuhalten, sich in schier endlosen Diskussionen zu flüchten, ohne dabei die notwendige kurzfristige Hilfe zu gewährleisten und langfristige Lösungen umzusetzen, während die versichernden Krankenkassen gleichzeitig die Situation der Hebammen und damit nicht zuletzt, die der werdenden Familien verschärfen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir schildern würden, wie die notwendige Diskussion insbesondere von Ihnen vorangetrieben wird und welche konkreten Maßnahmen Sie vertreten.
Mit den besten Grüßen,
Christiane Koch
Sehr geehrte Frau Koch,
wie Sie wissen, liegt uns die Absicherung der Hebammentätigkeit sehr am Herzen. Und ebenso wichtig ist es uns, dass die Wahlfreiheit für werdende Eltern, wo sie ihr Kind bekommen möchten, bestehen bleibt. Darum nehmen wir die massiv steigenden Haftpflichtprämien für Hebammen und Geburtshelfer mit großer Sorge zur Kenntnis. Wir haben mit den uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Instrumenten immer wieder auf die bestehende Problematik der Finanzierung der Haftpflichtversicherung hingewiesen. 2014 haben wir einen Antrag dazu vorgelegt (BT-Drs. 18/850), in dem wir die Bundesregierung auffordern, schnell eine Lösung zu finden.
Zwar gibt es die gesetzliche Vereinbarung, den Hebammen die Mehrausgaben für die Haftpflichtversicherung durch die gesetzlichen Krankenkassen zu vergüten, doch das geschieht vor allem über Zuschläge zu den einzelnen Leistungen. Hebammen mit wenigen Geburten können die Kostensteigerungen durch die hohen Haftpflichtprämien so weiterhin nicht kompensieren – mit der Folge, dass sie sich komplett aus der Geburtshilfe zurückziehen. Minister Gröhe wollte diesem Zustand durch die Einführung des Sicherstellungszuschlags begegnen, der eigentlich zum 1.7.2015 – pünktlich zur nächsten Erhöhung der Haftpflichtprämien – in Kraft treten sollte.
Doch die Ausgestaltung des Sicherstellungszuschlags wird – genauso wie die Vergütungserhöhungen – der Selbstverwaltung, also den Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und dem GKV-SV überlassen. Und diese Verhandlungen scheitern gerade, zum einen an der Definition der Qualitätskriterien, vor allem an der Überschreitung des errechneten Geburtstermins. Wenn nämlich der errechnete Geburtstermin überschritten ist, wollen die Kassen Hausgeburten nicht mehr bezahlen. Grundsätzlich will der GKV-SV, dass fortan konkrete - absolute und nicht absolute - Ausschlusskriterien gelten. Bei den absoluten wird die Hausgeburt nicht bezahlt, bei den nicht absoluten wird eine individuelle Entscheidung getroffen. Die sollen aber nicht die Hebammen allein treffen, sondern die Hebammen gemeinsam mit den Ärzten.
Die Hebammen argumentieren, dass die Ausschlusskriterien nicht evidenzbasiert sind, und dass darum immer eine individuelle Entscheidung getroffen werden muss, und sie nehmen für sich in Anspruch, dass sie diese Entscheidung in den meisten Fällen treffen können bzw. selbst entscheiden, wann ein Arzt konsultiert wird.
Insofern würde die Einführung von Ausschlusskriterien einen harten Einschnitt für das Selbstverständnis der Hebammen bedeuten. Die Entscheidungsfreiheit der Frauen, wo und wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten, würde nachhaltig eingeschränkt.
Für uns bleiben das Kindeswohl und die Erhaltung der Wahlfreiheit der werdenden Mütter und Eltern oberstes Ziel. Darum sollten die Kompetenzen der Hebammen nicht in Frage gestellt werden. Hebammen können die betreffende Frau und ihre individuelle Situation am besten beurteilen. Es ist absurd, dass die Krankenkassen nun damit drohen, künftig die Bezahlung einer Hausgeburt beim Überschreiten des Geburtstermins zu verweigern. Davon wäre die Hälfte aller Frauen betroffen. Die Konfliktparteien sollten zügig an den Verhandlungstisch zurückkehren und eine pragmatische und sinnvolle Lösung finden.
Die Verhandlungen zum Sicherstellungszuschlag sind ebenfalls gerade geplatzt, da Hebammenverbände und GKV-Spitzenverband sich nicht auf die Höhe der für den Sicherstellungszuschlag zu leistenden Zahlungen einigen konnten.
Nun muss in beiden Fällen – Vergütungserhöhungen und Sicherstellungszuschlag – die Schiedsstelle angerufen werden. Das bedeutet, dass die Hebammen den Anstieg der Haftpflichtgebühren zunächst aus eigener Tasche bezahlen müssen – für Hebammen mit wenigen Geburten bedeutet das eine echte Härte, und das dürfte dazu führen, dass sich wieder einige aus der Geburtshilfe zurückziehen.
Die Anhörung, von der Sie schreiben, bezog sich auf unseren sowie auf den Antrag der Linken. Sie fand aber auch im Kontext des von Minister Gröhe geplanten Regressverzichts statt, so dass der Regressverzicht auch das Hauptthema der Anhörung war. Denn mit einer bloßen Steigerung der Vergütung allein – auch wenn sie perfekt ausgestaltet wäre – kann das Problem der steigenden Haftpflichtprämien nicht vollends gelöst werden. Es bleibt das Problem, dass Hebammen-Haftpflichtversicherungen für die Versicherer unattraktiv sind und immer mehr Versicherer aus dem Geschäft aussteigen. Die Bundesregierung versucht, dieses Problem mit dem Regressverzicht der Kranken- und Pflegekassen gegenüber den Versicherern aufzufangen. Das bedeutet, die Kassen können sich die Gelder, die sie für die Behandlung und Pflege von Kindern mit Geburtsschäden ausgeben, nicht mehr von den Versicherungen zurückholen.
Leider ist der Regressverzicht der Bundesregierung so schlecht gemacht, dass er nicht zu einer Senkung der Kosten für die Haftpflichtversicherung führen wird. Er wird nämlich nicht in Fällen grober Fahrlässigkeit gelten. Bei der Sachverständigenanhörung waren sich alle einig, dass durch diese Einschränkung allenfalls 5% aller Kosten, die bei Geburtsschäden entstehen, einsparen werden können. Dafür wird es aber zu vermehrten Anstrengungen der Kassen kommen, der Hebamme im Schadensfall grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen. Zudem ist der Regressverzicht nur für freiberufliche Hebammen vorgesehen. Diese Beschränkung des Regressverzichts nur auf freiberufliche Hebammen lässt sich kaum begründen, da auch festangestellte Hebammen wegen mangelnder Versicherungshöhe der Kliniken oftmals eine zusätzliche Haftpflichtversicherung brauchen, ganz zu schweigen von denjenigen Kliniken, die gar keine Versicherungen haben. Wir halten auch eine Beschränkung auf Hebammen allgemein für fragwürdig, denn auch andere Gesundheitsberufe leiden massiv unter steigenden Haftpflichtprämien.
In unserem grünen Antrag fordern wir daher die Regressbeschränkung als eine Lösung, die schnell Abhilfe schaffen könnte. Aber wir fordern sie für alle Geburtsschäden, und wir wollen sie nur befristet, für einen Übergangszeitraum, bis eine Lösung für alle Gesundheitsberufe gefunden ist.
Auf Dauer kann die Haftpflichtproblematik nicht gesondert für die Hebammen gelöst werden. Alle Gesundheitsberufe leiden unter steigenden Haftpflichtprämien. Darum sollte langfristig auch eine Lösung für alle Gesundheitsberufe gefunden werden. Wir halten die Übertragung der Regelungsprinzipien der Unfallversicherung auf eine Berufshaftpflichtversicherung für alle medizinischen Berufe für vielversprechend. Damit gingen wir das Problem von Grund auf an, da die Prinzipien der Unfallversicherung, wie bspw. nicht gewinnorientierte Prämien, Versicherungspflicht und Stärkung der Patientensicherheit mit den Anforderungen an eine Berufshaftpflicht für Gesundheitsberufe vereinbar sind. Darum fordern wir die Bundesregierung auf, im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung der Haftpflichtversicherung für Gesundheitsberufe diese Möglichkeit zu prüfen.
Die Situation sowohl der Hebammen als auch der werdenden Eltern kann nicht losgelöst von der Versorgungssituation gesehen werden. Eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Geburtshilfe muss dauerhaft gesichert werden. Dazu fordern wir die Bundesregierung auf, eine regelmäßige Bestandsaufnahme der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland vorzunehmen. Auf deren Basis können dann Empfehlungen zur Verbesserung und zur Gewährung einer flächendeckenden und qualitätsgesicherten Versorgung abgegeben werden.
Bis jetzt hat die Bundesregierung viel versprochen, die Lösungsvorschläge sind aber nur halbherzig und verbessern die Situation der Hebammen und der werdenden Eltern nicht. Wir werden uns weiterhin für nachhaltige Lösungen für die Hebammen und für den Erhalt der Wahlfreiheit einsetzen.
Mehr zu den konkreten Maßnahmen finden sie in unserem Antrag unter folgendem Link: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/008/1800850.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Scharfenberg