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Elisabeth Scharfenberg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Mark C. •

Frage an Elisabeth Scharfenberg von Mark C. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Scharfenberg,
nach § 39a Abs. 1 SGB V haben Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, im Rahmen der Verträge Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativmedizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann. Die Krankenkassen tragen die zuschussfähigen Kosten unter Anrechnung der Leistungen nach dem SGB XI zu 90 v. H., bei Kinderhospizen zu 95 v.H.. Der Differenzbetrag wird vom Hospiz selber getragen.

Stationäre Hospize benötigen derzeit für einen wirtschaftlichen Betrieb u.a. eine sog. „Aufnahmeliste“ und ein (über mehrere Landkreise hinaus) großes Einzugsgebiet. Dies führt u.a. dazu dass zahlreiche anspruchsberechtigte Versicherte ihre gesetzlichen Leistungen aufgrund akuter Situationen nicht mehr in Anspruch nehmen können und in stationären Pflegeeinrichtungen zum Sterben verlegt werden, wie zahlreiche Hospizleitungen und Koordinatoren von ambulanten Hospiz- und Palliativdiensten bestätigen.
Im Gegensatz bei der stationären Hospizversorgung müssen die anspruchsberechtigten Versicherten in den stationären Pflegeeinrichtungen einen erheblichen Maß der Kosten selber Tragen oder können in schwerer Zeit einen Antrag auf „Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch“ Zwölftes Buch (SGBXII) bei der zuständigen Behörde stellen.
Vor dem Hintergrund dass anspruchsberechtigte Versicherte im Sinne des SGB IX behindert sind und das Grundgesetz hierzu einen Verweis in Artikel 3 (3) besitzt, welches wie folgt lautet „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“, bitte ich Sie, um die Darstellung Ihrer Sichtweise zur Gleichbehandlung im Sinne der gesetzlich Versicherten.
Bitte teilen Sie zudem mit, ob aus Ihrer Sicht hier ein verfassungskonformer Umgang mit den anspruchsberechtigten Versicherten besteht.

Mit freundlichen Grüßen
M.Castens

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Castens,

ich darf Ihnen vielmals für Ihre Anfrage danken! Ich bitte um Verständnis, dass ich erst heute dazu komme, darauf zu antworten.

Sie sprechen mit Ihrer Frage die Bedingungen eines menschenwürdigen Sterbens in unserem Lande an und damit ein sehr grundsätzliches, breites und vor allem sehr wichtiges Thema, das in den letzten Wochen wieder an Aktualität gewonnen hat. Vorweg darf ich sagen, dass die grüne Bundestagsfraktion schon seit Langem für Verbesserungen im Sinne eines menschenwürdigen, selbstbestimmten und schmerzfreien Lebens am Lebensende für Sterbende und Schwerkranke eintritt. Bereits in der vorvergangenen Wahlperiode hat meine Fraktion einen umfangreichen Antrag zu diesem Thema eingebracht (BT-Drucksache 16/9442) und im März 2009 auch eine große Tagung veranstaltet. Mehr dazu können Sie hier erfahren: http://www.gruene-bundestag.de/themen/gesundheit/konferenzen-fachgespraeche/leben-am-lebensende/seite-1_ID_3919423.html

Ihre konkrete Frage betreffend machen wir Grüne auch immer wieder deutlich, dass wir die Hospiz-Versorgung für eine sehr wichtige und zu stärkende Option bei der Versorgung sterbender Menschen halten. Dabei sind in den letzten Jahren auch durchaus – vermutlich nicht ausreichende – Verbesserungen und Erleichterungen für Hospize erzielt worden. Ich bin allerdings auch der Ansicht, dass ein Hospiz nicht zwangsläufig für jeden Menschen die einzige Versorgungsalternative in der letzten Lebensphase sein muss. Diesen Bedarf würden wir auch vermutlich niemals decken können, viele Betroffenen möchte auch gar nicht stationär versorgt werden.

In der Tat muss die Versorgung sterbender Menschen auf allen Ebenen verbessert werden. Dazu gehört bspw. der Ausbau ambulanter Formen der Palliativversorgung. Diese hat seit 2008 mit Einführung der „Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung“ (SAPV) einen deutlichen Schub erfahren, ist aber noch weit davon entfernt, ausreichend und flächendeckend zugänglich zu sein. Und dazu zählt auch die von Ihnen zu Recht thematisierte Versorgung sterbender Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen, aber im Übrigen auch Kliniken. Auch ich höre immer wieder, dass die Betreuung und Versorgung oftmals nicht angemessen und auch nicht immer mit der notwendigen Professionalität erfolgt. Dies hängt u.a. auch damit zusammen, dass die Versorgung Sterbender/Palliativversorgung in den Ausbildungscurricula der entsprechenden Berufe noch zu geringe Berücksichtigung findet und oftmals auch nicht Teil alltäglich gelebter und praktizierter Versorgungskultur in den Einrichtungen ist. Ebenso wichtig wie die Stärkung der Hospizarbeit fände ich daher auch, dass eben auch in diesen Einrichtungen mehr Kompetenzen auf dem Gebiet der Palliation vermittelt und vorgehalten werden. Ziel muss es sein, dass ein Mensch in allen Umgebungen – sei es in der eigenen Häuslichkeit, in einem Krankenhaus, in einer Pflegeeinrichtung, einem Hospiz – gut versorgt wird und menschenwürdig sterben kann. Ich weiß aber auch, dass es solche Pflegeheime oder Kliniken durchaus gibt.

Selbstverständlich ist es nicht gut, dass ein Mensch zum Sterben in eine stationäre Pflegeeinrichtung „verlegt“ wird, weil sich (vermeintlich) keine Alternativen bieten. Allerdings hat auch dies mehrere Seiten. Die betroffene Person bzw. ihre Familie/Angehörigen können sich natürlich gegen eine solche „Verlegung“ wehren, zumal dies in der Tat, wie Sie richtig feststellen, auch eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen kann. Zum anderen gibt es solche Verlegungen in Pflegeheime eigentlich nicht. Pflegeheime sind keine Kliniken und sind keinesfalls verpflichtet, solche Patienten aufzunehmen und sollten dies auch nicht tun, wenn sie sich nicht zu einer entsprechend professionellen Versorgung imstande fühlen.

Neben zweifellos immer noch bestehenden Versorgungslücken, zeigt sich dabei aber auch, dass wir noch viel mehr für die Aufklärung und Beratung der Betroffenen tun müssen, die oftmals zu wenig oder gar nichts über Angebote der Palliativversorgung wissen. Hier sind nicht nur, aber auch die Kostenträger gefragt. Dieses Aufklärungsbedürfnis gilt aber durchaus auch für die Einrichtungen oder Dienste. Auch bei diesen ist etwa das noch verhältnismäßige junge Angebot der SAPV noch viel zu wenig bekannt.

In welcher Umgebung auch immer – den Anspruch auf ein menschenwürdiges, schmerzfreies und selbstbestimmtes Sterben muss in der Tat für jeden Menschen gelten.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Scharfenberg