Frage an Elisabeth Scharfenberg von Jörg F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Kandidierende,
sehr geehrter Kandidierender,
bitte umreißen Sie für die Community Ihr beabsichtigtes politisches Verhalten im Falle einer Wahl zu folgenden Themen:
1. deutsche Finanzwirtschaft
2. deutsche Kriegseinsätze
3. deutsche Energieversorgung
mit freundlichen Grüßen
Jörg Faltenbacher
Sehr geehrter Herr Faltenbacher,
für Ihre Fragen bedanke ich mich und freue mich sehr über Ihr Interesse an der Politik von Bündnis 90/Die Grünen.
1. deutsche Finanzwirtschaft
Das Leitbild einer grüne Finanz- und Haushaltspolitik sieht einen handlungsfähigen Staat vor, der seine Aufgaben aus seinen Einnahmen finanziert und nicht aus immer neuen Schulden. Auch die Schuldenbremse und die europäischen Stabilitätskriterien legen fest, dass die Ausgaben eines Staates seinen Einnahmen entsprechen müssen. Nicht zuletzt ist es künftigen Generationen gegenüber nur gerecht, ihnen nicht unsere Schulden aufzubürden, sondern ihnen die gleichen Lebenschancen und Handlungsoptionen zuzubilligen wie uns.
Derzeit leidet unser Staat auf allen Ebenen an Unterfinanzierung - von den Kommunen, über die Bundesländer bis zum Bund selbst. Die Folgen kennen Sie: marode Schulgebäude und Stadtbibliotheken, schlechte Straßen und Brücken, Schwimmbäder und Jugendtreffs, die geschlossen werden müssen. Angesichts der guten konjunkturellen Lage und sprudelnder Steuereinnahmen hat die schwarz-gelbe Bundesregierung hier ganz offensichtlich Entscheidendes versäumt. Die Finanzpolitik der Grünen sieht drei grundlegende Ansätze vor: Ausgabenkürzungen, Subventionsabbau und Einnahmeerhöhung. Wir wollen sparen, wo es sinnvoll und möglich ist. Außerdem wollen wir ökologisch schädliche Subventionen ebenso abbauen, sowie solche, die durch reine Klientelinteressen geleitet sind, wie die Möwenpick-Steuer.
Schließlich wollen wir die Einnahmen des Staates erhöhen. Zum einen indem wir hohe Einkommen steuerlich moderat belasten, den Mittelstand und die mittelständische Wirtschaft steuerlich aber entlasten. Außerdem wollen wir Steuerhinterziehung, aggressive Steuergestaltung und Steuerflucht effektiv bekämpfen. So ist zum Beispiel nicht einzusehen, dass ein Unternehmen wie Starbucks Coffee Deutschland, das Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe in Deutschland erwirtschaftet, hierzulande überhaupt keine Steuern zahlt. Andere Unternehmen, wie die deutschen IKEA-Häuser, Google, Amazon oder Apple zahlen unter 5 Prozent Steuern, während bei einem mittelständischen Unternehmen im Durchschnitt 30 Prozent Steuern anfallen. Wir Grünen wollen hier mehr Transparenz schaffen und bewirken, dass Unternehmen auch wirklich dort Steuern zahlen, wo sie tätig sind.
Unser Ziel ist es das Haushaltsdefizit herunter zu fahren und den Staatshaushalt zu stärken. Das ist auch dringend notwendig, denn trotz guter Konjunktur sind unter diese Bundesregierung viele entscheidende Investitionen nicht erfolgt. Wenn Unternehmen heute beklagen, dass es an Fachkräften fehlt, wenn viele junge Leute nicht ausbildungsreif sind und viele Abgänger ohne Abschlusszeugnis dastehen, dann ist das Ergebnis einer schlechten Schulpolitik. Wir wollen, dass Bund, Länder und Kommunen beim Ausbau guter Ganztagsschulen an einem Strang ziehen. Wir wollen mit Hilfe eines guten Kita- und Betreuungsangebotes erreichen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich möglich ist. Neben einer guten Infrastruktur, sanierten Straßen und Brücken, und einem guten Schienennetz, ist vor allem ein flächendeckendes Breitbandnetz ein entscheidender Faktor für wirtschaftlichen Erfolg.
2. deutsche Kriegseinsätze
Auslandseinsätze der Bundeswehr als äußerstes und letztes Mittel lehnen wir Grünen, und auch ich persönlich, nicht grundsätzlich ab. Militärische Abenteuer wie den Irak-Krieg oder den Einsatz von Streitkräften zur Rohstoffsicherung wird es dagegen mit uns nicht geben. In Einzelfällen kann die Bundeswehr aber einen wichtigen Beitrag zur Gewalteindämmung und Friedenssicherung leisten, sofern dies im Rahmen und mit einem Mandat der Vereinten Nationen geschieht. Diese Einsätze müssen aber in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet und Teil einer Friedenslösung sein. Vorrang haben für uns jedoch immer zivile und politische Lösungen.
3. deutsche Energieversorgung
Derzeit fragen sich viele Menschen angesichts steigender Strompreise, ob die Stromkosten durch den Ausbau der erneuerbaren Energien unbezahlbar werden. Fakt ist, die Strompreise an der Börse sind dank der erneuerbaren Energien stark gesunken. Doch obwohl der Ökostrom den Börsenpreis senkt, kommt dies beim Kunden nicht an. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Ein Grund ist die Tatsache, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung über 1600 Unternehmen von der EEG-Umlage befreit hat, darunter Skilifte, Schlachtbetriebe und Futtermittelhersteller. Das treibt die Kosten für alle anderen in die Höhe und geht damit zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher und vieler mittelständischer Unternehmen. Diese Privilegien sollten auf die wirklich im intensiven internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen beschränkt werden. Wir Grüne wollen Ausnahmen in einer Höhe von über 4 Mrd. Euro zurücknehmen. Dadurch würden durchschnittliche Haushalte jährlich um 50 Euro entlastet werden. Sie würden also mehr entlastet, als der sich abzeichnende Anstieg der EEG-Umlage ausmachen würde.
Ein weiterer Grund dafür, dass die Preissenkung durch den Ökostrom nicht beim Verbraucher ankommt, liegt darin, dass sich die Spanne zwischen Verkaufswert des EEG-Stroms und der ausgezahlten Vergütung erhöht. Damit steigen paradoxerweise die EEG-Kosten. Wir Grüne wollen deshalb das EEG weiterentwickeln und neue Konzepte für die Vermarktung des Stroms aus erneuerbaren Energien entwickeln. Wir wollen, dass die Kostenvorteile von Ökostrom an der Strombörse auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter gegeben werden. Wir wollen die Netzentgeltbefreiung für Großabnehmer von Strom einschränken und eine Markttransparenzstelle zur Überwachung der Preisbildung am Strommarkt schaffen.
Insgesamt, das möchte ich betonen, ist die Energiewende die Chance, um die Energieversorgung in unserem Land für die Zukunft zu sichern. Denn die erneuerbaren Energien verursachen keine Import- und Förderkosten und keine Umweltschäden. Sie schaffen Arbeitsplätze und machen uns unabhängig von ausländischen Rohstoffquellen. Zum Beispiel von Erdöl, das gerade - auch durch die Syrien-Krise - von 5 auf 116 Dollar gestiegen ist. Das sind Kosten, die jeder früher oder später an der Zapfsäule oder, wer mit Öl heizt, im Winter spüren wird. Der Ölpreis zieht zudem die Preise für Erdgas und Kohle hoch. Erneuerbare Energien haben zudem ein hohes Wertschöpfungspotential gerade für den ländlichen Raum.
Wir sind davon überzeugt, dass eine Stromversorgung, die vollkommen auf erneuerbaren Energien basiert, bis zum Jahr 2030 machbar ist. Im Wärmesektor gehen wir davon aus, dass bis 2050 100% Versorgung aus erneuerbaren Energien erreichbar sind. Allerdings redet diese schwarz-gelben Bundesregierung zwar viel von Energiewende. Sie arbeitet jedoch konsequent gegen ihre Umsetzung. FDP-Spitzenkandidat Brüderle will keine neuen Wind- und Solaranlagen ans Netz lassen und das EEG abschaffen. Erst im Frühjahr 2013 hat Schwarz-Gelb einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das grundwasserschädliche Fracking in Konkurrenz zur Ökoenergie auf 86 Prozent unserer Landesfläche erlauben wollte. Auch das schwarz-gelbe Quotenmodell, mit dem der Staat künftig festschreiben soll, wie viel Ökostrom erzeugt werden soll, ist untauglich. Das ist Planwirtschaft pur und kommt uns teuer zu stehen. Andere Länder, zum Beispiel Großbritannien, sind mit der Quote bereits gescheitert. In Bayern fordert Horst Seehofer überdimensionierte Abstandsregeln zwischen Wind- und Wohnanlagen, die, wie viele bayerische Gemeinden kritisieren, den Ausbau der Windkraft zum Erliegen bringen würden. Er hat zudem, obwohl dies noch kein geltendes Recht ist, die Genehmigungsbehörden bereits angewiesen, diese Abstände zu berücksichtigen.
Das Ergebnis dieser Blockadepolitik zeigt sich bereits: Solarfirmen, vom Handwerker bis zum Produzenten, mussten Insolvenz anmelden. 10 000 Arbeitsplätze gingen bereits verloren. Auch bei Ausbau von Biogasanlagen ist es zum Stillstand gekommen. Das hat weiter 20 000 Jobs gekostet. Insolvenzen und Arbeitsplatzverlust gibt es auch bereits bei der Offshore-Windkraft-Branche. Wenn diese systematische Sabotage der Energiewende weiter geht, ist auch der Atomausstieg gefährdet. Die Folgen einer solchen Energiepolitik sehen wir derzeit in Fukushima.
Ich hoffe, dass ich Ihren meine Haltung habe überzeugend darlegen können. Sollten Sie weitere Fragen haben, stehe ich zur Beantwortung gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Scharfenberg MdB