Frage an Elisabeth Scharfenberg von Uwe M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Scharfenberg,
Sie reklamieren auch den Datenschutz beim neuen Transplantationsgesetz, wo es um die Entscheidungslösung geht. Hierzu meine Fragen:
1. Ist es sicher, dass eine Zustimmung des potenziellen Spenders ausschließlich nur durch einen mitgeführten nicht elektronischen Ausweis erkennbar ist?
2. Welchen Zweck hat eine elektronische Eintragung, bzw. eine elektronische Karte, die der Besitzer dieser Karte nicht selbst sofort ändern kann? Was passiert, wenn sich (fehlender/verneinender) Spenderausweis und gespeicherte Daten widersprechen?
3. Ist in jedem Fall sichergestellt, dass es nicht dazu kommt, dass über eine Datenbank Auskunft über die Spendenbereitschaft, des Hirntoten gegeben wird, weil der Spenderausweis fehlt?
4. Wie häufig sollen die Menschen eigentlich gefragt werden?
5. Wird das wiederholte Fragen gegebenenfalls eingestellt, wenn eine positive Antwort gegeben wurde?
6. Besteht nicht tendenziell die Gefahr, dass (junge) Menschen, die über das Sterben zunächst nicht das geringste wissen, durch wiederholtes Fragen zu einer Zustimmung gebracht werden, diese Zustimmung elektronisch gespeichert wird und ein Widerruf dadurch sehr unwahrscheinlich wird.
Die Würde des Menschen umfasst auch den Sterbeprozess. Dieser beginnt aber erst dann, wenn keine Organe mehr transplantiert werden können. Wer also zu Lebzeiten, nicht ahnend, dass er dieses Schicksal erleiden könnte, einer Organentnahme zustimmt, sollte eigentlich so gebildet sein, dass er/sie die jahrtausende alte Kultur, die die Sterbenden begleitet und erinnert, kennt. Der Transplantationsvorgang bedeutet hier einen sehr gravierenden Eingriff. Die würdevolle Existenz des Sterbenden nach dem Hirntod ist zutiefst in Frage gestellt. Der Tote lebt sogar mit seinen Organen in möglicherweise verschiedenen Menschen weiter. Man möge bedenken, dass sich der Mensch nicht nur durch das in seinem Schädel befindliche Hirn definiert.
Sehr geehrter Herr Mannke,
vielen Dank für Ihre Fragen, auf die ich im Folgenden gerne antworte.
Zu 1.) Die Entscheidung zur Organspende kann auch weiterhin wie bisher auf einem herkömmlichen Organspendeausweis aus Papier per Hand eingetragen werden. Darüber hinaus ist es ebenfalls wie bisher möglich, die nächsten Angehörigen mündlich über die Entscheidung zu informieren, damit sie diese im Falle eines Hirntodes vertreten. Die Organspendeerklärung an sich wie auch ihr Eintrag auf der elektronischen Gesundheitskarte (eCard) sind also absolut freiwillig, um das persönliche Selbstbestimmungsrecht zu wahren! Das war uns Grünen auch bei den Gesetzesverhandlungen enorm wichtig.
Zu 2.) In der Tat muss es das Ziel sein, ein technisches Verfahren zu entwickeln, mit dem die Versicherten jederzeit und unkompliziert ihre Organspendeerklärung auf der eCard eintragen/ändern/löschen können. Es ist für die eCard ab etwa dem Jahr 2016 vorgesehen, die Versicherten auch eigenständig über eine PIN-Autorisierung in die Lage zu versetzen, bspw. über spezielle Terminals, entsprechende Eintragungen vorzunehmen. Alternativ kann dies bspw. auch beim Arzt vorgenommen werden, selbstverständlich immer nur nach erfolgter Autorisierung durch die Versicherten. Wer dieses Verfahren für zu kompliziert oder zu unsicher hält, kann natürlich auf den Eintrag auf der eCard verzichten. Dieser ist freiwillig.
Bei mehreren vorliegenden, sich ggf. widersprechenden Erklärungen – das können auch zwei verschiedene Organspendeausweise im Papierformat sein – muss unter Einbeziehung und Befragung des persönlichen Umfeldes, insbesondere der nächsten Angehörigen der aktuelle mutmaßliche Wille der/des Betroffenen ermittelt werden. Dabei muss bspw. auch berücksichtigt werden, welche Aussagen die/der Betroffene über den Sterbeprozess getroffen. Hat sie/er etwa lebensverlängernde Maßnahmen kategorisch abgelehnt oder für den Fall einer Organspende ausnahmsweise erlaubt u.ä.? Auch die Aktualität der Erklärungen kann berücksichtigt werden. Es ist natürlich im Interesse des Versicherten zu empfehlen, die Erklärung nicht auf zu vielen verschiedenen Orten/Medien zu hinterlegen, um eben die Gefahr von Widersprüchen zu vermeiden.
Zu 3.) Wir Grüne haben uns in den Verhandlungen gegen ein zentrales Organspenderegister ausgesprochen und konnten uns damit auch durchsetzen. Maßgeblich bleibt daher das Medium, auf dem die Organspendeerklärung eingetragen wurde, also bspw. die eCard oder der Organspendeausweis, oder – wenn dies nicht vorliegt – die Auskunft der nächsten Angehörigen.
Zu 4. und 5.) Den Versicherten werden bis zur Ausgabe der E-Card der 2. Generation (ab 2016) alle 2 Jahre und ab dann alle 5 Jahre Informationsmaterialien zur Organ- und Gewebespende sowie weitere Hinweise übersandt, wo eine persönliche Beratung durch qualifizierte Fachleute zu erlangen ist. Zudem werden die Versicherten gebeten, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abzugeben. Es wird aber ausdrücklich klargestellt, dass die Abgabe einer solchen Erklärung freiwillig ist. Es handelt sich also nicht um eine Befragung derart, dass in jedem Falle eine Antwort abzugeben ist. Auch dies war uns sehr wichtig. Sie können Ihre Krankenkasse selbstverständlich auffordern, von der weiteren Zusendung der Materialien in Zukunft abzusehen. Meines Erachtens müssen Sie dies nicht begründen.
Zu 6.) Aus diesem Grunde war es uns Grünen so wichtig, dass die Aufklärung und Information zur Organspende ergebnisoffen erfolgt. Es darf natürlich sowohl durch den Inhalt der Aufklärungsunterlagen als auch durch die Häufigkeit der Zusendung nicht der Eindruck an die Versicherten vermittelt werden, dass nur die Zustimmung zur Organspende „richtig“ sei. Ziel ist es, den Menschen eine wohlinformierte und bewusste Entscheidung zu ermöglichen. Und nochmals: Die Entscheidung ist freiwillig, und auch das Recht auf Nicht-Entscheidung bleibt gewahrt.
Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren für eine umfassende und ergebnisoffene Aufklärung stark gemacht. Dazu zählt auch die Aufklärung über den Hirntod und inwieweit eine Organspende den Sterbeprozess verändert. Dies ist ganz zweifellos der Fall. Die Bürgerinnen und Bürger sollten dies wissen, damit sie dies bei ihrer Entscheidung berücksichtigen können. Ich persönlich gehöre nicht unbedingt zu denen, die das Hirntod-Kriterium scharf ablehnen. Dennoch müssen wir viel offener mit Fragen und Vorbehalten zu diesem Thema umgehen und aktuelle Erkenntnisse diskutieren. Deshalb will ich größere Transparenz im Umgang mit dem Hirntod. Dazu gehört nicht nur, dass über kritische Aspekte und Unsicherheiten im Rahmen der Aufklärung informiert werden muss. Dazu gehören auch verfahrenstechnische Absicherungen, die das Risiko von Fehldiagnosen weitgehend minimieren. Neben einer Verpflichtung der Bundesärztekammer zur laufenden Aktualisierung ihrer Richtlinien gehört dazu insbesondere eine stärkere Absicherung von Hirntoddiagnosen durch apparative Diagnostik sowie eine ausführlichere Dokumentation des diagnostischen Verfahrens.
Nochmals vielen Dank für Ihre Fragen und freundliche Grüße
Elisabeth Scharfenberg