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Eike Hovermann
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Frage von Robert H. •

Frage an Eike Hovermann von Robert H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Als glaubensfrei erzogener Atheist aus tiefster Überzeugung, habe ich in meiner Kindheit so manche Diskriminierung wegen meines Unglaubens erfahren. Ich dachte jedoch über die Jahre, das all dies der Vergangenheit angehört und die religiöse Orientierung nicht mehr von Belang ist, was sie ja eigentlich lt. Grundgesetz auch nicht sein darf.

Durch meine 3 Kinder ist dieses leidige Thema allerdings wieder aktuell geworden, da ich leider regelmäßig feststellen muss, das man insbesondere als Atheist in unserem Lande häufig in der 2. Reihe steht. Das fängt schon im Kindergarten an, dass man keinen Platz in einem Kindergarten mit kirchlichem Träger kriegt und setzt sich in der Schule fort. Der Schulleiter des ev. Gymn. Lippstadt sagte zur Ablehnung unserer Tochter, das im Zweifesfall die Religionszugehörigkeit Entscheidungskriterium ist, wobei Hauptsache sei, das ein Glaubensbekenntnis vorliegt ! Im Klartext heißt, dass z. B. ein Moslem meiner ungläubigen Tochter vorgezogen wird.

Während überall auf der Welt im Namen des Herrn das Blut in Strömen fließt, werden damals wie heute Atheisten diskriminiert, wobei ich den Segen des Glaubens nicht erkennen kann. Das Dilemma geht doch schon los, das man bei fast jedem Antragsformular nach seiner Religionszugehörigkeit gefragt wird.

Warum eigentlich? Der einzige Sinn kann doch nur sein, das bestimmte Gruppen ausgegrenzt werden sollen, was lt. Gesetz ja gar nicht sein darf. Warum haben wir eigentlich sowohl im Grundgesetz als z. B. auch im Schulgesetz einen Gottesbezug? Was glauben Sie, was ich empfinde, das meine Kinder per Gesetz in "Ehrfurcht" vor Gott erzogen werden sollen? Die nackte Wut packt mich da. Das ist doch pure Indoktrinierung. Ständig sind irgendwelche religiöse Spinner beleidigt, weil jemand es wagt, sich über ihren Glauben lustig zu machen und damit ihre Gefühle verletzt. Atheisten haben offensichtlich keine Gefühle, weil die in unserer Gesellschaft überall und jederzeit ganz legal diskriminiert werden dürfen.
Wie lange noch ?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Heyn,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26. Januar 2008, das Sie über das Portal abgeordnetenwatch.de an mich gerichtet haben.

Sie schildern darin Ihre Erfahrungen zum Umgang kirchlicher Träger von Bildungs- und Erziehungseinrichtungen mit Aufnahmegesuchen konfessionsloser Mitbürgerinnen und Mitbürger. Des Weiteren kritisieren Sie in Ihrem Schreiben den Gottesbezug im deutschen Rechtssystem. Auf beide von Ihnen angesprochenen Aspekte möchte ich im Folgenden eingehen.

Völlig zu Recht beziehen Sie sich in Ihrer Mail an mich auf Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Bevorzugung und Benachteiligung aufgrund religiöser Anschauungen untersagt. Sie schildern gleichzeitig Fälle persönlicher Benachteiligung aufgrund Ihrer Konfessionslosigkeit. So würden Ihre Kinder beim Zugang zu kirchlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen mangels religiöser Bekenntnis benachteiligt. In Ihrem Schreiben gehen Sie insbesondere auf die Ablehnung Ihrer Tochter am Evangelischen Gymnasium Lippstadt ein. Sie schildern, dass diese aufgrund des fehlenden religiösen Bekenntnisses erfolgte. Ihre Enttäuschung über diese Entscheidung kann ich gut nachvollziehen.

Um das Vorgehen der Schule zu verstehen, muss man allerdings deren besondere Stellung unter den Bildungsinstitutionen in Westfalen berücksichtigen. Das Evangelische Gymnasium Lippstadt erfüllt als einzige Bildungseinrichtung der Evangelischen Kirche Westfalens keine so genannte Versorgungsfunktion. Kirchlichen Schulen wird dann eine Versorgungsfunktion zugesprochen, wenn in zumutbarer Nähe keine alternative, gleichwertige Bildungseinrichtung zur Verfügung steht. In Lippstadt gibt es mit dem Ostendorf-Gymnasium, der Marienschule und dem Gymnasium Schloss Overhagen allerdings drei gleichwertige Bildungseinrichtungen. Aufgrund dessen ist es im Ermessenspielraum der Schulleitung des Evangelischen Gymnasiums Lippstadt, auch konfessionelle Kriterien im Auswahlverfahren zu berücksichtigen. Wegen der alternativen Wahlmöglichkeiten innerhalb des Angebots unterschiedlichster Träger kann deshalb aber nicht von einer diskriminierenden Benachteiligung Konfessionsloser gesprochen werden.

An kirchlichen Schulen, die nach dem Landesbildungsplan eine Versorgungsfunktion erfüllen, dürfen allerdings konfessionelle Kriterien bei der Auswahl von Schülern ausdrücklich nicht herangezogen werden. Von den sieben Schulen Westfalens, die sich in Trägerschaft der Evangelischen Landeskirche befinden, kommt nach dem Landesbildungsplan sechs Einrichtungen eine Versorgungsfunktion zu.

Neben der Schilderung Ihrer Erfahrungen als Atheist mit kirchlichen Einrichtungen kritisieren Sie in Ihrem Schreiben den Gottesbezug im deutschen Rechtssystem. Schon seit Inkrafttreten des Grundgesetzes wird der Gottesbezug in seiner Präambel immer wieder in Frage gestellt. Auch die Diskussionen zum Thema Gottesbezug in der Europäischen Verfassung zeugten von der emotionalen Aufgeladenheit dieser Debatten. Ich habe dabei Verständnis für Argumente sowohl der Kritiker, als auch der Befürworter des Gottesbezuges im Grundgesetz.

Weil es sich bei der Frage des Glaubens um eine sehr persönliche und intime Angelegenheit handelt, möchte ich mir an dieser Stelle keine generalisierte Wertung des Gottesbezuges im Grundgesetz anmaßen. Deshalb nur einige Worte zu meinem persönlichen Empfinden: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen (…) hat sich das Deutsche Volk Kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“, heißt es in dessen Präambel. Diese sehr allgemeine Formulierung des Gottesbezuges stellt in meinen Augen – auch ich bin ohne Bekenntnis – keine theologische Positionierung des Staates dar, so dass die staatliche Neutralität in Glaubensfragen dadurch nach meinem Empfinden nicht angetastet wird. Vielleicht wissen Sie, dass auch die meisten Rechtsexperten diesen Absatz nicht als theologische Verfassungskomponente, sondern im Wesentlichen als eine Berufung auf das Naturrecht und die Existenz eines vor- und überstaatlichen Normengefüges ansehen.

Mit freundlichen Grüßen

Eike Hovermann, MdB