Frage an Eduard Oswald von Marc N. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Oswald,
es hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Anläufe oder zumindest Lippenbekenntnisse gegeben, das Steuerrecht für den Bürger transparenter und einfacher zu gestalten. Vor den letzten Bundestagswahlen waren ein Herr Kirchhoff mit seinem System und ein Herr Merz mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel in aller Munde. Von den ganzen Hoffnungen, die damals geweckt wurden, blieb nichts, aber auch wirklich nichts übrig.
In meinen Augen stellt das deutsche Steuersystem auch einen nicht unerheblichen Hinderungsgrund für ausländische Firmen dar, sich in Deutschland niederzulassen.
Wäre es angesichts der aktuellen Debatten um Erleichterung nicht hilfreich, das gesamte Steuersystem in Frage und auf neue Füsse zu stellen und damit einer breiten Masse von Bürgern eine echte spürbare Erleichterung zu verschaffen?
Gruss
M. Neininger
Sehr geehrter Herr Neininger,
für Ihre eMail vom 5. Mai 2008 danke ich Ihnen.
Auch der Finanzausschuss, als dessen Vorsitzender ich besonderes Gewicht auf den Gesichtspunkt der Steuervereinfachung lege, hat durchgängig die Verständlichkeit und Einfachheit des deutschen Steuerrechts als Ziel vor Augen. Und bei einer näheren Beschäftigung mit den steuerrechtlichen Bestimmungen kann auch festgestellt werden, dass das geltende Steuerrecht für einfach gelagerte Sachverhalte eindeutige, nachvollziehbare und eben auch einfache Regelungen bereithält. So sind bei den Überschusseinkünften die Ausgaben von den erzielten Einnahmen abzuziehen und der Saldo der Besteuerung zu unterwerfen. Die oftmals streitbefangenen Fragen entzünden sich an der Zuordnung von Ausgaben: Sind diese abzugsfähig und in welchem Umfang? Aus einer Vielzahl von einzelnen Bestimmungen hat sich so das Steuerrecht zu einer in seiner Gesamtheit komplexen und auch für Experten nicht immer leicht zu durchschauenden Materie entwickelt. Ausnahmeregelungen, mit denen wirtschafts- oder sozialpolitische Zielsetzungen verfolgt werden, haben zusätzlich zur Undurchsichtigkeit beigetragen. Es ist daher schon seit einiger Zeit das Ziel der an der Steuerpolitik Beteiligten auf Seiten des Parlaments wie auch der Bundesregierung, die über Jahrzehnte aufgebauten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen auf den Prüfstand zu stellen. Auch durch häufige Änderungen sind die Steuergesetze intransparent und kompliziert geworden. Dies ist jedoch in weiten Teilen unerlässlich, da der Gesetzgeber auch auf die veränderten Gegebenheiten reagieren muss. Zunehmend sind dabei EU-rechtliche und Vorgaben der Rechtssprechung zu beachten.
Lassen Sie mich als ein Beispiel auf die gleich zu Beginn der laufenden Wahlperiode im Jahre 2005 von der Großen Koalition vorgenommene Beschränkung von Abschreibungsgesellschaften hinweisen: Die unbegrenzte steuerliche Abzugsfähigkeit von Verlusten aus Abschreibungsmodellen führte mittelbar zu einer volkswirtschaftlich fragwürdigen Förderung von Steuersparmodellen, die insbesondere von Steuerpflichtigen mit höheren Einkünften genutzt wurden, um ihre Steuerbelastung gezielt zu senken. Mit dem Gesetzentwurf wurden die Verluste aus diesen Einkunftsquellen nur noch zur Verrechnung mit späteren, positiven Einkünften aus derselben Quelle zugelassen. Diese Verlustabzugsbeschränkung hat das Einkommensteuerrecht mit zusätzlichen Vorschriften belastet – dies ist nicht zu bestreiten. Gleichwohl ist die Notwendigkeit der Rechtsänderung allen Beteiligten deutlich gewesen und die Gesetzesänderung wurde einstimmig vom Deutschen Bundestag angenommen. Dieses Beispiel mag verdeutlichen, welche Gratwanderung der Gesetzgeber bei steuerrechtlichen Entscheidungsprozessen zu bewältigen hat. Auch ist nach meinem Eindruck die Gleichsetzung „Rechtsänderungen = Verkomplizierung“ nicht gerechtfertigt.
Wie schon eingangs erwähnt, setze ich mich immer für die Vereinfachung des Steuerrechts ein und in Teilbereichen sind Bürokratieabbau und eine praxisgerechte Modernisierung des Steuervollzugs auch schon gelungen. So wurde für rd. 6 Mio. einfach gelagerte Arbeitnehmerfälle die vereinfachte Einkommensteuererklärung eingeführt. Die Buchführungspflichtgrenzen sind mehrfach angehoben worden, so dass der Kreis der Unternehmen, die keine Bilanzen erstellen müssen, deutlich erweitert wurde. Seit 2005 ermöglicht ein flächendeckendes Verfahren die elektronische Übermittlung von Lohnsteuer- und Umsatzsteuer-Anmeldungen und mit der Software ‚Elster-Lohn’ können seit 1. Januar 2005 die Lohnsteuerbescheinigungsdaten durch den Arbeitgeber unmittelbar an die Finanzverwaltung übermittelt werden. Ferner ist es mit der Unternehmensteuerreform 2008 durch den Wegfall der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe und Einführung der einheitlichen Abgeltungsteuer zu weiteren Vereinfachungen gekommen.
Die Standortattraktivität Deutschlands für Investitionen ist durch das Gesetzgebungsverfahren über die Minderung der nominalen Belastung bei Kapitalgesellschaften erhöht worden und dem Interesse der Unternehmen an einer Ertragsverlagerung in das Ausland wurde entgegengewirkt. Aber auch aus meiner Sicht reichen die bisherigen Versuche, das deutsche Steuerrecht verständlicher zu machen, nicht aus, wir müssen uns daher weiterhin bemühen, Klarheit, Transparenz und Vereinfachung einzubringen, um die Bereitschaft der Bürger, Steuern zu zahlen, zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Eduard Oswald, MdB