Frage an Eduard Oswald von Peer H. bezüglich Finanzen
Der aktuelle Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 beinhaltet Neuregelungen des §4 Nr. 21 UStG, nach der weiterbildende und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen ohne weitere Voraussetzungen umsatzsteuerbefreit sind.
Mit diesem Privileg der Umsatzsteuerbefreiung möchte der Gesetzgeber Weiterbildungen kostengünstig machen und fördern, erreicht jedoch das Gegenteil.
Dabei wird völlig übersehen, dass diese Fortbildungen von Unternehmen gebucht und bezahlt werden. Wir betreiben die Berliner Linux Akademie mit mehren
Hundert Teilnehmern pro Jahr und haben fast ausschließlich (vorsteuerabzugsberechtigte) Geschäftskunden, die ihre Mitarbeiter bei uns qualifizieren lassen.
Das vermeindliche „Privileg“ der Umsatzsteuerbefreitung würde für uns ab 1. Januar 2013 bedeuten:
*) Für die von uns eingekauften Vorleistungen (Hotelmiete, Werbungs- und Materialkosten, Anzeigenschaltungen, Technikeinkauf) geht der Vorsteuerabzug verloren. Wir werden damit dem Endverbraucher gleichgestellt und bezahlen als Unternehmen Umsatzsteuer. Dies mag u.U. sogar verfassungsrechtlich bedenklich sein.
*) Dieser Verlust des Vorsteuerabzugs würde bei uns existenzbedrohende Mehrbelastungen von ca. 100.000 EUR pro Jahr bedeuten.
*) Die am Ende plötzlich um 19% gestiegenen Einkaufskosten würden wir nun auf unsere Schulungspreise aufschlagen müssen, was ca. 10% Preissteigerung zur Folge hätte.
Der Gesetzgeber verteuert also Schulungsmaßnahmen und sorgt so dafür, dass es Arbeitnehmern zunehmend schwieriger wird, Bildungsmaßnahmen vom Arbeitgeber bewilligt zu bekommen.
Besser wäre es unserer Ansicht nach, in §4 Nr. 21 UStG eine Regelung zu schaffen, nach der ein Bildungsträger
*) freiwillig („kann“-Regelung)
*) ggf. auf Antrag
die Umsatzsteuerprivilegierung für seine Schulungsmaßnahmen in Anspruch
nehmen kann, je nachdem, wie sein Kundenkreis aufgebaut ist.
Welche Position vertreten Sie in diesem Zusammenhang und auf welche Lösung dieser Probleme werden Sie im Ausschuß hinarbeiten?
Sehr geehrter Herr Heinlein,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 28. August 2012. Darin sprechen Sie eine Regelung im Jahressteuergesetz 2013 an.
Der Gesetzentwurf geht auf eine Initiative der Bundesregierung zurück. Unter anderem soll das Umsatzsteuergesetz so gefasst werden, dass die Leistungen von Bildungsanbietern generell umsatzsteuerbefreit sind. Auf das bisherige Erfordernis, wonach zunächst die zuständige Landesbehörde bescheinigen muss, dass der Anbieter ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine Prüfung vorbereitet, wird verzichtet.
Im Gesetzentwurf ausdrücklich aufgeführt ist, dass die Befreiung nicht für solche Leistungen gilt, die der reinen Freizeitgestaltung dienen.
Leistungen, die nicht der reinen Freizeitgestaltung dienen, aber neben der Vermittlung von Bildung *auch* der Freizeitgestaltung dienen können, sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Bei anderen Einrichtungen als den im Gesetzestext genannten Bildungsanbietern, die eine vergleichbare Zielsetzung haben, gilt dies mit einer Einschränkung: Die von ihr erbrachten Leistungen sind nur dann befreit, wenn die Einrichtung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt. Des Weiteren ist Voraussetzung, dass etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnommen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.
Die Bundesregierung beruft sich zur Begründung dieser Regelung auf eine Option in der Europäischen Mehrwertsteuersystem-Richtlinie.
Ihre Befürchtungen zu den Auswirkungen dieser Regelung nehme ich ernst. Die Finanzpolitiker der Fraktion werden sich daher sehr eingehend mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auseinandersetzen und ihn intensiv prüfen.
Die Beratungen im Deutschen Bundestag stehen für diesen Herbst an. Am 26. September 2012 ist eine Anhörung mit Sachverständigen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages vorgesehen.
Im Rahmen der Gespräche möchten wir unter anderem klären, ob die Regelung rechtlich zwingend ist und welche Alternativen es ggf. gibt. Auch nach den konkreten Folgen der Regelung bzw. der Frage, in welcher Weise die Finanzverwaltung die geplante Regelung umzusetzen gedenkt, werden wir uns beim Bundesministerium der Finanzen erkundigen.
Ich bitte um Verständnis, wenn ich zunächst diese Gespräche abwarten möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Eduard Oswald, MdB