Frage an Eduard Oswald von Manfred B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Oswald,
das Bad-Bank-Gesetz ist beschlossen, doch bedauerlicherweise ist es für meine Begriffe im Sinne der Banken ausgefallen und gegen die Interessen der Steuerzahler.
Für mich ergeben sich folgende Fragen:
1.Die Bundesregierung versucht uns Bürgern weis zu machen, dass uns dieses Gesetz nichts kosten wird.
Das Gegenteil ist der Fall, denn sollte eine Bank zahlungsunfähig werden, keinen Gewinn erzielen oder diesen nicht auszahlen, finden überhaupt keine Transaktionen zum Verlustausgleich aufgrund der Auslagerung der unerwünschten Papiere statt.
Durch die Ausgabe von Vorzugsaktien lassen sich die Zahlungen der Banken an den Bund ebenfalls reduzieren.
War die ursprüngliche Idee nicht, dass die Verursacher für die Verluste aufzukommen haben?
2.Eine Bank kann freiwillig am Bad-Bank-Modell teilnehmen (Commerzbank und BayernLB haben ja bekanntlich schon abgelehnt), d.h., die Banken können sich quasi a la carte die besten Happen aus dem staatlichen Rettungspaket aussuchen.
Warum gibt es keine verpflichtenden Stresstests für alle Banken nach US-Vorbild?
3.Warum wird die Öffentlichkeit nicht darüber informiert, wohin bei einer Bankenrettung wieviele Steuergelder unter welchen Bedingungen fließen?
4.Wie die ARD-Sendung „report-mainz“ vom 20.07.09 ausführlich zeigte, feiern die Banker in Frankfurt wieder allabendlich rauschende Partys. Den Verursachern der Krise scheint es also bestens zu gehen, Boni werden wieder bezahlt und schließlich können sie Geschäfte machen wie eh und je. Alles ist nach wie vor erlaubt, was zum Desaster geführt hat. Der Bundesregierung scheint das Befinden der Banken wichtiger zu sein als das der Steuerzahler.
Warum sind Sie und die Union vor diesem Hintergrund gegen eine Börsenumsatzsteuer?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
gern antworte ich auf Ihre Fragen aus Ihrem Schreiben vom 20. Juli 2009.
Banken und Sparkassen sind wie Adern in unserer Volkswirtschaft. Da die Finanzinstitute in Deutschland, auch durch gegenseitige Kreditvergabe, sehr eng miteinander verbunden sind, besteht die Gefahr, dass bei Insolvenz eines so genannten systemrelevanten Instituts der gesamte Finanzbereich in eine Schieflage geraten könnte. Dann wären die Ersparnisse und Altersvorsorgemaßnahmen breiter Bevölkerungskreise ebenso gefährdet wie die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten. Die Insolvenz der amerikanischen Bank Lehman Brothers hat einen Eindruck von den Folgen einer Bankpleite vermittelt. Die internationale Finanzkrise nahm hier an Fahrt auf. Fast alle Fachleute sind sich einig, dass es ein Fehler der amerikanischen Administration war, Lehman Brothers nicht aufzufangen. Die Bundesregierung unter Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel und die sie tragenden Parteien sichern also nicht die Finanzinstitute „aus Liebe“ zu dieser Branche ab, sondern um die Ersparnisse und Altersvorsorge der Bevölkerung zu sichern und die weitere Kreditvergabe an die Wirtschaft zu ermöglichen.
Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, mit der Beschlussfassung über das Konjunkturpaket I im November vergangenen Jahres, mit der Verabschiedung der Haushalte und des Konjunkturpaketes II hat die Bundesregierung das getan, was vor diesem Hintergrund richtig und geboten war. Das Bankensystem war und ist hierbei zu retten, ob es uns gefällt oder nicht. Wir müssen den Banken helfen, dabei aber die Situation des Staates, die Situation des Steuerzahlers im Blick behalten. Der amerikanische Präsident Barack Obama hat hierzu gesagt: „Ich weiß, wie unpopulär es jetzt ist, Banken zu helfen, besonders wenn man unter deren Fehlentscheidung leidet … Aber ich weiß auch, dass man auf Krisen nicht mit Wut reagieren oder der Stimmung des Augenblicks erliegen darf … Es geht nicht darum, Banken zu helfen. Es geht darum, den Menschen zu helfen.“
Beim sog. Bad Bank-Gesetz hat sich die Bundesregierung und haben sich die verantwortlichen Fraktionen in der Koalition von mehreren Prinzipien leiten lassen. Das erste Prinzip der Bankenrettung ist die Freiwilligkeit. Die USA setzen auf Zwang. Das ist für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler teuer, führt aber, nach allem, was wir bisher erfahren haben, offenkundig nicht zu dem Ergebnis, das man sich wünscht, oder zu einem besseren Ergebnis, als wir es jetzt in Deutschland mit unserem Weg erzielen wollen. Lehman Brothers ist nur der bekannteste Name einer insolventen Bank, etwa 50 Banken sind in den Vereinigten Staaten mittlerweile in die Insolvenz gegangen. Zwangsmaßnahmen führen also nicht zu einem besseren Ergebnis. Sie entsprechen auch nicht der marktwirtschaftlichen Ordnung bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Die Entscheidung der Banken, sich unter den staatlichen Schirm zu begeben, wird nach wirtschaftlichen und nicht nach ideologischen Kriterien getroffen. Das zweite Prinzip, welches die Bundesregierung und die Koalitionsparteien bei der Finanzmarktstabilisierung verfolgen, ist das der Eigentümerverantwortung: Zuerst und in vorderster Front sind die Eigentümer von Finanzmarktakteuren gefordert. Dem folgt das dritte Prinzip: Der Schutz des Steuerzahlers. Im Wege der Gesetzgebung haben wir 470 Mrd. Euro Garantie- und Kapitalisierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Hierbei haben wir klar gemacht, dass ein politisches Ziel ist, dass der Steuerzahler durch diese Gesetzgebung nicht zusätzlich in Regress genommen wird.
Im Zuge der verschiedenen gesetzgeberischen Maßnahmen sind auch Stresstests vorgesehen. Dies ist zugleich ein weiteres Prinzip: keine Leistung ohne Gegenleistung. Bankenrettung ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Wenn der Staat von einem Institut um Hilfe gebeten wird, dann wird der Staat nicht sagen: „Egal, was ist – wir helfen euch.“ Vielmehr sind von dem Institut folgende Auskünfte zu erbringen: In welcher wirtschaftlichen Situation befindet sich das Institut? Welche Überlebensperspektive hat es? (Das nennen wir Stresstest.) Das wird jetzt nicht mehr von der SoFFin, sondern von der Bankenaufsicht durchgeführt. Das dient auch dem Schutz des Steuerzahlers, keine Leistung ohne Gegenleistung zu gewähren. Jeder, der im Rahmen dieses Angebotes Hilfe vom Staat in Anspruch nimmt, muss offenlegen, wie seine Situation ist.
Patentrezepte, um Finanzkrisen in Zukunft zu verhindern, gibt es natürlich nicht. Nationale Maßnahmen haben im Rahmen einer globalisierten Weltwirtschaft nur eine sehr begrenzte Wirkung bzw. sie können dazu führen, dass sich eine Volkswirtschaft isoliert und wichtige Arbeitsplätze verloren gehen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung umfangreiche Initiativen im Rahmen der Europäischen Union, der G7 und in letzter Zeit vermehr im Rahmen der G20-Staaten ergriffen. Hierbei geht es letztlich um mehr Transparenz und in diesem Sinne auch mehr um Reglementierung im Finanzbereich. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle die Aufzählung der einzelnen Initiativen; diese sind in den Medien bzw. im Internet ohne Schwierigkeit nachvollziehbar. Auf EU-Ebene sind viele Neuregelungen in der Beratung, mit denen sich der neugewählte Deutsche Bundestag ab Herbst zu beschäftigen haben wird. Auf internationaler Ebene wird Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, weiter auf Veränderungen drängen.
Den Bankensektor stabilisieren, die Einlagen der Bürgerinnen und Bürger ebenso sichern wie die Kreditversorgung unserer Wirtschaft – das sind die momentanen Aufgaben. Vor diesem Hintergrund erheben aber die Koalitionsfraktionen die Forderung, dass auch diejenigen, die in den Banken unmittelbar Verantwortung getragen haben und immer noch tragen, zur Verantwortung gezogen werden müssen. Dies gilt in vielerlei Richtung. So haben die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in der letzten Sitzungswoche noch einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht mit dem Titel „Schadensersatzansprüche gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Hypo Real Estate Holding AG“. Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Hypo Real Estate Holding AG gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder zu prüfen und auf der Hauptversammlung der Hypo Real Estate am 13./14. August 2009 für den in der Einladung zur Hauptversammlung vorgelegten Beschlussvorschlag des Aufsichtsrates zur Durchführung einer aktienrechtlichen Sonderprüfung als Grundlage für die Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Vorstandsmitglieder zu stimmen (BT-Drucksache 16/13619). Des Weiteren haben die Koalitionsfraktionen vor kurzem Neuregelungen zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen verabschiedet, mit denen die Anreizsysteme bei der Vorstandsvergütung sich mehr als bisher an der nachhaltigen Unternehmensentwicklung auszurichten haben und eine mehrjährige Bemessungsgrundlage bekommen.
Zu Ihrer Frage nach einer Börsenumsatzsteuer: Der deutsche Finanzplatz wird sich eine Börsenumsatzsteuer nicht leisten können, ohne dadurch im internationalen Vergleich signifikante Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Es gibt zwar noch in 11 EU-Staaten eine Börsenumsatzsteuer. Jedoch wurde in keinem der EU-Staaten der letzten 20 Jahre eine Börsenumsatzsteuer neu eingeführt, nachdem sie in Deutschland im Jahre 1990 abgeschafft worden war. Lediglich Schweden hat im Jahr 1983 einen solchen Versuch unternommen, diesen aber acht Jahre später aber bereits wieder zurückgenommen. Der Grund war, dass die Schweden feststellen mussten, wie schädlich eine Börsenumsatzsteuer für ihren Finanzplatz war; ein großer Anteil des schwedischen Börsenumsatzes verlagerte sich auf ausländische Handelsplätze. Der Trend sowohl in den EU-Mitgliedstaaten als auch international geht eindeutig in Richtung Abschaffung der Börsenumsatzsteuer. In den USA gibt es bereits seit 1966 keine Börsenumsatzsteuer mehr, in Japan seit 1999. Eine Börsenumsatzsteuer wäre keineswegs nur eine Steuer für die Vermögenden. Eine Börsenumsatzsteuer würde jeden einzelnen Sparer treffen, der in Wertpapiere investiert. Dies widerspricht aber einer Zielvorstellung, die die Beteiligung möglichst breiter Bevölkerungskreise am Produktivvermögen erschließen will. Mit dieser Steuer würden demnach gerade die Bereiche zusätzlich belastet, die eigentlich nicht belastet werden sollen. Zudem würde angesichts der vorhandenen Systeme des Aktienhandels auf den internationalen Finanzmärkten die Einführung einer Börsenumsatzsteuer die Gruppe der Besserverdienenden vermutlich nicht erfassen können. Dem normalen Anleger würde Liquidität entzogen. Hinzu kommen negative volkswirtschaftliche Lenkungseffekte: Eine vermeintliche Verminderung spekulativer Käufe und Verkäufe könnte andererseits eine Verminderung der Handelsumsätze bedeuten, was keineswegs erstrebenswert ist, da sich hierdurch die Liquidität des Handels verringert und die Kursfeststellung an den Börsen verschlechtert. Auch die Kapitalproduktivität würde durch eine Börsenumsatzsteuer beeinträchtigt. Eine solche Umsatzsteuer würde eine optimale Kapitalallokation erschweren, indem die Investoren und Sparer ihre Anlageentscheidung nicht nur renditeorientiert, sondern vermehrt steuerinduziert treffen würden. Zudem würde eine Börsenumsatzsteuer einen weiteren Anreiz zur Steuerflucht geben.
Die Börsenumsatzsteuer ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Sie ist ursprünglich aus der fiskalischen Belastung von Urkunden des Börsenverkehrs hervorgegangen. Gegen sie spricht, dass Kapitalverkehrssteuern die Kapitalbeschaffung zu Beschaffung des Eigenkapitals behindern, die Mobilität des Finanzkapitals behindern, dem Gedanken einer Eu-weiten Integration der Märkte zuwiderlaufen und einen Wettbewerbsnachteil für den Finanzplatz Deutschland darstellen würden. Gemessen ich ihrem fiskalischen Nutzen wären die Nachteile einer Börsenumsatzsteuer für Wettbewerb, Wachstum und Arbeitsplätze unangemessen groß. Zudem spricht alles dagegen, Finanzprodukte in der gegenwärtigen krisenhaften Situation nicht noch durch weitere steuerliche Belastungen zu verteuern und damit die Bereitschaft der Bürger zu einer Altersvorsorge mit einer hohen Eigenbeteiligung zu schwächen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Eduard Oswald, MdB