Frage an Edgar Wunder von kirsten c. bezüglich Wirtschaft
CDU und FDP behaupten, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise durch erhöhtes Wirtschaftswachstum zu überwinden sei! Was halten Sie davon?
Liebe Kirsten Claus,
„Wer glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom“, schrieb Kenneth Boulding, ein US-amerikanischer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler.
Im Ernst: Der Sozialgeograph David Harvey hat ausgerechnet, dass das weltweite jährliche Wirtschaftswachstum seit der Etablierung des modernen Kapitalismus im 19. Jahrhundert bis heute im Durchschnitt 2,2 % pro Jahr betrug. Es gibt keinerlei vernünftigen Grund für die Annahme, dass dieser seit 150 Jahre geltene Durchschnittswert in der Zukunft maßgeblich und dauerhaft überboten werden könnte. Letztlich ist sogar die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise darauf zurückzuführen, dass an den Finanzmärkten auf ein deutlich größeres Wirtschaftswachstum spekuliert wurde und dass dann - als das weltweite Wirtschaftswachstum trotz aller neoliberalen Zumutungen wieder nicht über diese 2,2 % hinauskam - die ganzen Spekulationsblasen platzten.
CDU und FDP wollen den Bürgerinnen und Bürgern nun glauben machen, die Krise sei allein durch Wirtschaftswachstum überwindbar. Dazu wollen sie Großkonzerne und Superreiche abermals steuerlich entlasten (was schon in der Vergangenheit zur Erzeugung von Wirtschaftswachstum nicht funktioniert hat, die eingesparten Steuern wurden stattdessen an der Börse verspekuliert). Die dadurch entstehenden Steuerausfälle für den Staat sollten durch eben jenes dadurch entstehende Wirtschaftswachstum gegenfinanziert werden. Man kann - gemäß den Angaben in den Wahlprogrammen - ausrechnen, wie hoch das Wirtschaftswachstum sein müsste, damit diese Rechnung aufgehen könnte.
Ergebnis: Bei der CDU müsste das Wirtschaftswachstum 9 % pro Jahr betragen, bei der FDP sogar 14 % !!! Das sind völlig unrealistische Werte. Deshalb würde das, was CDU und FDP jetzt den Wählern vorgauckeln, niemals eine tragfähige Lösung zur Überwindung der Krise sein, sondern in ein nur noch größeres Chaos führen, weil es die Staatskasse und damit auch die Sozialversorgungssysteme endgültig in den Ruin treiben würde.
Fakt ist deshalb: Diese Krise ist nicht einfach durch immer weiteres Wirtschaftswachstum zu überwinden (ganz abgesehen davon, dass die Rohstoffe begrenzt sind und deshalb auch aus ökologischer Sicht das Wirtschaftswachstum nicht immer weiter gesteigert werden kann). Notwendig ist vielmehr eine grundlegende strukturelle Reform unseres Wirtschaftssystems, mit dem Ziel, dass nicht mehr die immer weitere Anhäufung von Kapital in den Mittelpunkt gestellt wird ("Kapitalismus"), sondern die sozialen Bedürfnisse der Menschen müssen im Mittelpunkt stehen. Die Linke ist die einzige Partei, die den Mut hat, dies klar auszusprechen und konsequent entsprechende Reformen einzufordern.
Mit freundlichen Grüßen
Edgar Wunder