Frage an Edgar Franke von Heribert K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Dr. Franke -
mich beschäftigt unser Gesundheitssystem und ich habe hierzu einige Fragen an Sie als Mitglied des Gesundheitsauschusses:
1. Wie kann es sein, dass die GKVen in Zeiten der Quasi-Vollbeschäftigung 2014 und 2015 erneut Defizite in Millardenhöhe schreiben? Was erst soll passieren, wenn die Zahl der Arbeitslosen irgendwann wieder steigt? erwarten Sie noch höhere Beitragssätze?
2. Wer sind die größten Kostentreiber im Gesundheitssystem? Die Zahl der Versicherten kann doch innerhalb des Solidarsystems nicht so immens gestiegen sein (bei schrumpfender Bevölkerung. Die Kosten der GKVen haben sich indes von 2010 mit 172 Mrd. Euro auf erwartete 220 Mrd Euro in 2016 erhöht (28 %!!!).
3. Wie stehen Sie zu dem DRG-System? Während Patienten im Jahr 1991 noch im Schnitt 14 Tage im Krankenhaus verbrachten, sind es 20 Jahre später nur noch 7,7 Tage. Allerdings gibt es auch viel Kritik am neuen Abrechnungssystem: Transparenter sei das Gesundheitssystem nicht geworden. Stattdessen machen Schlagworte wie "Rosinenpickerei" (Anstieg von Knie-OP, Hüft-OP), "blutige Entlassung", "Drehtüreffekt" und "Hamsterrad" die Runde. AHB und REHA verfehlen durch die verkürzten Liegezeiten Ihren Zweck.Von der ursprünglichen Idee des DRG ist eigentlich nur noch der Buchhaltungsteil übrig geblieben.
4. Solidarsystem u. Flüchtlinge: Vermutlich übernimmt den pauschalierten Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Flüchtlingen ebenfalls der Träger der Grundsicherung, wie auch bei den ALG II Beziehern. Es sind Fälle bekannt, bei denen monatliche Krankenkosten für Medikamente etc. von 30 T€ anfallen (Flüchtling mit HIV-Infektion u. Tuberkulose). Wie beteiligt sich der Bund an diesen Kosten der GKVen? Halten Sie den geplanten Bundeszuschuss für die GKVen von 13 Mrd Euro in 2016 noch für angemessen?
Vielen Dank und Grüße nach Berlin
Heribert Karsch
Sehr geehrter Herr Karsch,
erlauben Sie mir zunächst einige Angaben zur Finanzentwicklung und damit eine Beantwortung Ihrer ersten Frage: Die Gesetzlichen Krankenkassen haben wie 2014 das Jahr 2015 mit einem Defizit abgeschlossen. Es wurde mit einem Minus von 1,14 Milliarden Euro abgeschlossen. Einnahmen von rund 212,42 Milliarden Euro standen laut der vorläufigen Finanzergebnisse Ausgaben von rund 213,56 Milliarden Euro gegenüber. Die Differenz führt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Wesentlichen darauf zurück, dass die Krankenkassen ihre Versicherten durch niedrigere Zusatzbeiträge entlastet haben.
Je Versicherten stiegen die Ausgaben 2015 um 3,7 Prozent. Die höchste Rate verzeichnete der Pflegebereich mit 9,1 Prozent, das sind 474 Millionen Euro. Die Kosten betragen insgesamt 2,543 Milliarden Euro; je Versicherten macht das eine Steigerungsrate von 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus.
Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau rechnen die gesetzlichen Krankenkassen mit zunehmenden Defiziten wegen der hohen Zahl an Flüchtlingen. Demnach werde ohne eine Anhebung des Steuerzuschusses bereits in diesem Jahr eine Lücke von mehreren Hundert Millionen Euro entstehen, weil der Bund für Flüchtlinge und andere Hartz-IV-Empfänger viel zu geringe Krankenkassenbeiträge überweise. 2017 werde das Defizit dann schon auf mehr als eine Milliarde Euro anwachsen, so die Frankfurter Rundschau weiter.
Derzeit zahlt der Finanzminister aus Steuermitteln 14 Milliarden Euro im Jahr, für 2017 sind bisher 14,5 Milliarden Euro eingeplant. Sollte dieses nicht reichen, drohen weitere Beitragsanhebungen für die gesetzlich Versicherten.
Vor diesem Hintergrund fordert die SPD-Bundestagsfraktion, dass die Arbeitnehmer künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht allein tragen müssen. Auch die Reformen der großen Koalition führen zu Mehrkosten. Wir sind der Meinung, dass eine zukunftsfähige und demografiesichere Versorgung nur gelingen wird, wenn sich alle Sozialpartner an den Kosten wieder paritätisch beteiligen.
Es gibt viele Gründe dafür, dass die Kosten im Gesundheitssystem und für die gesetzlichen Krankenkassen steigen. Zunächst einmal werden die Deutschen immer älter, die Zahl der Ärzte nimmt zu und der medizinisch-technische Fortschritt schreitet voran.
Auch die Kosten in den Krankenhäusern nehmen zu. Der Krankenhaus-Report 2016 zeigt, dass mehr als doppelt so hohe Kosten für die stationäre Behandlung anfallen. So hatte die GKV im Jahr 2015 rund 35 Milliarden Euro für die ambulante ärztliche Behandlung ausgegeben und über 70 Milliarden Euro für die stationäre Behandlung im Krankenhaus. Wir arbeiten seit Längerem daran, die Trennung zwischen dem ambulanten und stationären Bereich aufzuheben.
Die Einführung des DRG-Systems in Deutschland im Jahr 2003 stellt die größte Strukturreform im deutschen Krankhauswesen der letzten Jahrzehnte dar. Die Einführung eines Fallpauschalensystems hat sich grundsätzlich bewährt. Es ist aber auch erkannt worden, dass nicht alle stationären Fälle mit Hilfe statistisch-ökonomischer Methoden in medizinisch sinnvolle und nach ökonomischem Aufwand vergleichbare Fallgruppen eingeteilt werden können. Daher gibt es zunehmend Öffnungsklauseln für die Vergütung von Leistungen außerhalb der Fallpauschalen. Damit sollen gerade Qualitätsverluste in der Patientenversorgung vermieden werden.
Flüchtlinge werden in den Sozialsystemen nach einer Wartezeit von 15 Monaten normalen Arbeitnehmern gleich gestellt. Wenn sie keinen Job bekommen, haben sie Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Sie erhalten dann die vollen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung; die Beiträge an die jeweilige Kasse zahlt dabei der Bund.
Der Bund zahlt für jeden Hartz-IV-Empfänger rund 90 Euro im Monat. Es fehlen noch verlässliche Zahlen, wie hoch die von Flüchtlingen verursachten Gesundheitskosten tatsächlich sind. Festzustellen ist, dass der Bundeszuschuss bereits hier nicht alle Kosten abdecken kann.
Kritische Prognosen gehen davon aus, dass im Verlauf des Jahres 2017 eine Million Flüchtlinge die Wartezeit von 15 Monaten überschreiten werden und prognostizieren ein daraus entstehendes Defizit auf über eine Milliarde Euro. Da fehlen jedoch, wie erwähnt, zuverlässige Zahlen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Edgar Franke