Frage an Edgar Franke von Dirk B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Franke,
als Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit möchte ich Sie fragen:
Es wurde die Krankenversicherung als Pflichtversicherung eingeführt. Das ist vom Prinzip zu begrüßen.
1) Dabei werden viele, jedoch bewusst oder unbewusst nicht alle Leute ohne Einkommen und Vermögen in sozialen Sicherungssystemen aufgefangen.
Obdachlosigkeit wird laut aktueller Rechtsprechung bewusst hingenommen um Beiträge der Gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen, da es das Gesetz nicht anders hergibt.
Ist das nicht Anlass das Gesetz zu ändern?
Wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass jeder krankenversichert ist, sollte dann nicht auch im SGB vorgesehen werden, dass ausnahmslos jeder in den Genuss einer Krankenversicherung kommt? Dies sollte unabhängig vom Einkommen, Alter, Krankengeschichte, etc. der Fall sein?
2) Halten Sie diesbezüglich auch eine untere Beitragsbemessungsgrenze weiterhin für sinnvoll? Jemand der angenommen nur 100 EUR (warum auch immer) je Monat zusammen bekommt zahlt über 150% Versicherungsbeiträge. Eine Aufhebung der unteren Beitragsbemessungsgrenze könnte einfach gegenfinanziert werden über eine Anhebung der oberen Beitragsbemessungsgrenze.
Vielen Dank im Voraus für Ihren Einsatz.
Mit freundlichen Grüßen,
Dirk Bloedorn
Sehr geehrter Herr Bloedorn,
herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich wie folgt beantworte:
Mit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) ist spätestens seit 2009 jede Bürgerin und jeder Bürger verpflichtet, sich bei einer gesetzlichen oder privaten Krankenkasse zu versichern. Dabei unterliegen sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenkassen dem Kontrahierungszwang. Das heißt, sie sind per Gesetz verpflichtet, neue Mitglieder unabhängig vom Gesundheitsstatus, finanzieller Leistungskraft oder Alter aufzunehmen.
Die Versicherungspflicht gilt auch für Menschen ohne festen Wohnsitz. Problematisch ist, dass obdachlose und wohnungslose Menschen in der Regel die Beiträge zu einer Krankenversicherung, egal ob gesetzlich oder privat, nicht zahlen können, da sie zumeist keine Einkünfte haben. Sie haben aber im Allgemeinen Anspruch auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (Sozialhilfe) nach den §§ 67, 68 und 69 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Zu dieser Hilfe zählt auch die Übernahme der Versicherungsbeiträge zur Krankenversicherung. Allerdings ist es für obdachlose und wohnungslose Menschen oft schwierig, sich mit den zuständigen Ämtern in Verbindung zu setzen und ihre Ansprüche geltend zu machen. So nehmen viele Obdachlose und Wohnungslose die ihnen zustehende medizinische Versorgung nur unzureichend in Anspruch, obwohl sie krankenversichert sind. Deswegen gibt es in vielen Städten besonders niedrigschwellige medizinische Versorgungsangebote für diese Personengruppen.
Aus meiner Sicht besteht deshalb im Moment keine Notwendigkeit, die geltenden Regelungen in den Sozialgesetzbüchern und speziell im SGV V zu ändern.
Für Arbeitnehmer gibt es keine untere Beitragsbemessungsgrenze. Diese gilt nur für hauptberuflich Selbstständige. Die Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbstständige beträgt derzeit 2.073,75 Euro. Davon ausgehend errechnet sich der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser liegt derzeit bei einem monatlichen Beitrag von 308,99 Euro (14,9 %) ohne Krankengeldanspruch und von 321,43 Euro (15,5 %) mit einem Krankengeldanspruch ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit. Kann ein Selbstständiger von seinen Einkünften nicht leben, maßgeblich hierfür ist der erzielte Gewinn, hat er die Möglichkeit, bei der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu beantragen. Der Selbstständige aus Ihrem Beispiel müsste sich daher bei der Arbeitsagentur melden, über seine Einkommens- und Vermögens- sowie familiären Verhältnisse Auskunft geben. Aus diesen Angaben würde seine Bedürftigkeit ermittelt und er würde gegebenenfalls ALG II in entsprechender Höhe erhalten. In die Berechnung einbezogen werden die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung.
Wird z. B. ein Erwerbsfähiger durch die Aufwendungen für seine Kranken- und Pflegeversicherung hilfebedürftig und hat dadurch einen Anspruch auf ALG II oder Sozialgeld, dann kann er beantragen, dass diese Kosten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden.
Mit freundlichen Grüßen