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Edgar Franke
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Frage von Sandra G. •

Frage an Edgar Franke von Sandra G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Dr. Franke,

Anfang Juni 2011 kamen Schüler der Oberstufe aus Hessen und Rheinland-Pfalz zum Schülerparlament der Initiative Wissenschaft im Dialog zusammen. Zum Thema Gesundheitsforschung erarbeiteten die 80 Teilnehmer Forderungen und Thesen, die sie dann im Plenum diskutierten und verabschiedeten. Eine der Arbeitsgruppen beschäftigte sich mit der internationalen Dimension von Gesundheitsforschung. Sie diskutierte über die zu ergreifenden Maßnahmen, um die Versorgung der Menschen in den betroffenen Ländern sicherzustellen und zu verbessern.

Anschließend finden Sie die erarbeiteten Forderungen der Schüler. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie kurz dazu Stellung nehmen könnten.

Forderungen:
1. Der Verkauf von Patentrechten an Pharmakonzerne soll an Bedingungen der Forscher (z.B. gestaffelte Preise) geknüpft werden.

2. Evergreening soll verhindert werden, indem die Patentvergabe nur bei innovativen Veränderungen erlaubt wird, etwa bei einer drastischen Verminderung der Nebenwirkungen oder bei nachweislich verbesserten Wirkungen.

3. Neue Anreize zur Förderung von Forschung und Entwicklung müssen geschaffen bzw. ausgebaut werden, beispielsweise durch Wettbewerbe und Preisausschreibungen.

4. Durch Einbeziehung der Öffentlichkeit soll der Druck auf die Pharmakonzerne erhöht werden, um tragbare Preise für die Bedürftigen in Entwicklungsländern zu erwirken, aber auch um mehr Transparenz zu gewährleisten.

5. Sogenannte “Product development partnerships” (PDP) sollen durch konkrete und international verabschiedete Maßnahmen besser unterstützt und subventioniert werden.

6. Um effektivere Hilfe zu gewährleisten, muss die Kooperation internationaler Hilfsorganisationen verbessert werden.

7. Parallel dazu müssen Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, die den Ausbruch vermeidbarer Krankheiten verhindern sollen, beispielsweise die Verbesserung der Aufklärungsarbeit, Hygienebedingungen oder Infrastruktur.

mit freundlichen Grüßen,
Sandra Golz /WiD

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Liebe Frau Golz,

ich freue mich, dass Sie sich im Rahmen der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ in einem Schülerparlament mit Fragen des Gesundheitswesens auseinander gesetzt haben. Gern nehme ich zu Ihren Forderungen im Hinblick auf die internationale Dimension der Gesundheitsforschung kurz Stellung. Sehen Sie mir nach, dass ich nur einige Ihrer Forderungen betrachte.

ad 1) Gestaffelte Preise
Patenrechte an Arzneimitteln werden im Rahmen der Welthandelsabkommen, im Trips-Vertrag zum Schutz des geistigen Eigentums, geregelt. Zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums (d. h. den Patenten) und den Ausnahmen in Form der Zwangslizenzen, besteht eine Möglichkeit, die die EU mit der pharmazeutischen Industrie und einer Reihe betroffener Länder sondiert haben: die Möglichkeit gestaffelter Preise.

Dazu haben Pharmamultis beispielsweise ein gestaffeltes Preissystem bei AIDS-Medikamenten eingeführt. In mehr als sechzig Ländern, die zu den ärmsten der Welt zählen, verzichtet zum Beispiel der Pharmakonzern Roche auf Patentrechte und verkauft die sogenannten Antiretroviralmedikamente zum Selbstkostenpreis. Die jährlichen Therapiekosten konnten damit erheblich gesenkt werden und so vielen Menschen zugänglich gemacht werden. Dies ist ein erster Anfang. Diese Strategie sollte weiter verfolgt werden, so dass ausgewählte Arzneimittel, gerade zur Bekämpfung von Armuts- und Tropenkrankheiten in den unterentwickelten Ländern zu günstigeren Bedingungen angeboten werden können.

ad 2) Evergreening
Evergreening besteht dann, wenn ein Patent mithilfe von neuen Schutzrechtsanmeldungen de facto mehrfach verlängert werden kann. Jede neue Dosierungsform oder -anleitung und jeder neue Verabreichungsplan ermöglicht nach aktueller Rechtsprechung bereits ein neues technisches Schutzrecht.
Das Evergreening dient eben nicht dem Schutz von Innovationen, sondern ist eine Form der Behinderung des Wettbewerbs bei innovativen und generischen Arzneimitteln. Der Wettbewerb ist aber für die Bürger von großer Bedeutung, denn nur so ist sicher, dass die neuesten Arzneimittel zur Verfügung stehen und die Arzneimittelkosten, angemessen bleiben. Für Europa heißt dies, dass die Behinderung des Wettbewerbs streng von der EU-Kommission verfolgt werden muss.

ad 4) Transparenz
Die Einbeziehung der Öffentlichkeit setzt voraus, dass mehr Transparenz im Gesundheitswesen zu schaffen. Mit der SPD-Bundestagsfraktion habe ich dazu einen Antrag mit dem Titel „Korruption im Gesundheitswesen wirksam bekämpfen“ forumuliert und im Deutschen Bundestag eingebracht.

Der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland gehen durch Korruption, durch Abrechnungsbetrug und vor allen Dingen durch Falschabrechnungen jedes Jahr erhebliche Summen an Versicherungsgeldern verloren. Man kann darüber streiten, ob es 5, 10 oder sogar 20 Milliarden Euro sind, wie Transparency International behauptet. Zumindest handelt es sich um eine riesige Summe; das ist unter Fachleuten unbestritten. Diese finanziellen Schäden gehen zulasten der Solidargemeinschaft, zulasten der Versicherten und vor allen Dingen zulasten des Staates.

ad 7) Prävention
Auch zu diesem Punkt gehe ich auf die Situation in Deutschland ein. Das Gesundheitssystem steht in Anbetracht einer stetig alternden Gesellschaft und steigender Zahlen chronischer und psychischer Erkrankungen vor großen Herausforderungen. Das System muss einerseits langfristig finanziell stabilisiert werden und andererseits die Qualität der Gesundheitsversorgung garantieren. Diese Ziele können nur durch einen grundlegenden Ausbau präventiver Maßnahmen, die zu einer Verringerung von Krankheits- und Krankheitsfolgekosten erreicht werden.

Dazu hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Antrag vorgelegt, die ihre Forderungen wie folgt darstellt: Prävention muss eine entscheidende Rolle im Gesundheitswesen einnehmen. Es müssen klare Präventionsziele definiert und deren Erreichung kontrolliert werden. Dafür soll eine Stiftung für Prävention und Gesundheitsförderung errichtet werden, der ein Nationales Institut für Prävention untergeordnet ist. In ihm sollen alle bislang im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung tätigen Einrichtungen gebündelt werden. Institut und Stiftung sollen Projekte koordinieren, betreuen und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Des Weiteren muss die Institutionen- und Länder übergreifende Zusammenarbeit verbessert werden. Außerdem soll für Krankenkassen ein Mindestausgabenrichtwert von 10 Euro pro Patienten für Präventionsmaßnahmen festgelegt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Edgar Franke

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