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Edelgard Bulmahn
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Frage von Mark M. •

Frage an Edelgard Bulmahn von Mark M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Bulmahn

was halten Sie von dem bedingungslosen Grundeinkommen?

Denken Sie nicht auch, dass es ungerecht ist, dass in einem reichen Land wie Deutschland Menschen in Armut leben müssen?

Sollten nicht alle Einwohner Deutschlands die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, anstatt teilweise nur ihre nackte Existenz abgesichert zu wissen?

Ein Wechsel zum Grundeinkommen würde soviele positive Dinge mit sich bringen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen:
.. stärkt die Familie.
... fördert Innovation
... stärkt die Unternehmen.
... stärkt die Volkswirtschaft. Unproduktive Industrien und  Wirtschaftszweige müssen nicht mehr subventioniert werden.
... ermöglicht einen umfassenden Abbau von Bürokratie, auch in den Sozialsystemen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt weitestgehend bestehende Sozialleistungen.

Das bedingungslose Grundeinkommen wird von vielen namenhaften Wissenschaftlern, unter ihnen zwei Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften gefordert.
Mehrere voneinander unabhängige Studien belegen eine Finanzierbarkeit.

Wäre es nicht der beste Anreiz zur Arbeit, wenn man sich frei für sie entscheiden darf und das volle Gehalt ohne Anrechnung auf ein Grundeinkommen erhält?
Denken Sie wirklich, ihre Wähler wollen hören, dass sie potentielle Faulenzer sind, die zur Arbeit gezwungen werden müssen?

Sollten wir uns nicht langsam von der eingestaubten Idee der Vollbeschäftigung lossagen und nach neuen, innovativen Lösungen suchen?

Ich glaube, es ist Zeit für eine wirkliche Verbesserung, nicht nur für Ausbesserungen an einem maroden System.
Was glauben Sie?

Mit freundlichen Grüßen,
Mark Maute

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Maute,

vielen Dank für Ihre Frage über dieses Internetportal. Gerne antworte ich Ihnen dazu. Lassen Sie mich Ihnen aber gleich zu Beginn sagen, dass ich die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für gut gemeint aber in seiner Wirkung für fatal halte, denn es ist nicht geeignet eine echte Teilhabe zu sichern.

Die unterschiedlichen Konzepte die derzeit dazu diskutiert werden, haben aus meiner Sicht ein entscheidendes Grundproblem. Wenn keinerlei Verpflichtungen mehr bestehen, eine Gegenleistung für staatliche Unterstützungen zu erbringen, dann lohnt sich möglicherweise die Erwerbsarbeit für den einzelnen nicht mehr. Wer Leistungen von der Gemeinschaft erhält, sollte dafür auch eine Gegenleistung erbringen, sonst geht die Ausgewogenheit von Geben und Nehmen verloren. Es ist richtig, dass eine Gesellschaft Sorge für die Existenzsicherung ihrer Mitglieder tragen muss. Das geschieht auch, zum einen über die Sozialhilfe (die im Übrigen eine Grundsicherung ist) und zum anderen über das Arbeitslosengeld II. Ein Grundeinkommen aber, das völlig von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit abgekoppelt ist, ist arbeitsmarkt- und sozialpolitisch höchst problematisch und hat nichts mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun.

Die SPD und auch die Gewerkschaften verfolgen deshalb einen anderen Ansatz. Statt Arbeitslosigkeit wollen wir Arbeit finanzieren. Durch Fortbildung, Weiterqualifizierung und eine gezielte finanzielle und auf die jeweilige individuelle Situation abgestimmte Unterstützung, sollen auch Langzeitarbeitslose besser und schneller wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Der Kerngedanke, den wir mit der Einführung von Arbeitslosengeld II und damit einer bedarfsorientierten Grundsicherung verfolgt haben, ist und bleibt richtig. Kein Mensch darf auf alle Zeiten in die Sozialhilfe abgeschoben werden, sondern jedem muss sich die Chance auf einen Arbeitsplatz eröffnen. Denn Arbeit ist mehr als Geldverdienen. Sie ist wichtig für die sozialen Kontakte eines Menschen aber auch für sein Selbstwertgefühl.

Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen würden wir vielen Menschen, die arbeiten und etwas für andere tun wollen, quasi den offiziellen Status akzeptierter Arbeitslosigkeit verleihen. Man findet sich damit ab, dass 8%, 10% oder mehr Menschen arbeitslos sind. Das halte ich für falsch, denn gleichzeitig arbeiten viele Menschen 45, 50 oder mehr Stunden. Problematisch schätze ich auch die Wirkung für soziale, personenbezogene Tätigkeiten und Berufe ein. Ich fürchte, dieser Sektor würde dann sowohl in der Bezahlung wie auch Wertschätzung nach unten rutschen. Genau das Gegenteil wäre aber notwendig.

Gerade konservative Politiker und Unternehmer stellen mit ihren Grundeinkommensmodellen das Recht aller auf umfassende Teilhabe an der Gesellschaft in Frage. Aus meiner Sicht geht es ihnen vielmehr darum, einen neuen Niedriglohnarbeitsmarkt zu schaffen, bei dem das Grundeinkommen eine Art Kombilohn wäre. Die Unternehmen müssten dann dieses nicht mehr besonders ergänzen.

In Ihrem Hamburger Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2007 hat sich meine Partei für einen vorsorgenden Sozialstaat ausgesprochen. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, der das gesellschaftliche Zusammenleben gestaltet und die soziale Sicherheit garantieren kann. Eine lebendige Demokratie braucht Chancengleichheit und sozialen Aufstieg wie die Luft zum atmen. Ziel des vorsorgenden Sozialstaates ist es deshalb, Sicherheit, Teilhabe und Emanzipation zu gewährleisten. Sicherheit vor existenzieller Not und elementaren Lebensrisiken, Teilhabe an der wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Entwicklung. Emanzipation, damit die Menschen ihr eigenes Leben frei und selbstbestimmt gestalten können.

Ich denke, dass wir mit diesem Verständnis des Sozialstaates ein gerechteres Modell entwickelt haben, als jenes des bedingungslosen Grundeinkommens.

Mit freundlichen Grüßen
Edelgard Bulmahn, MdB