Frage an Edelgard Bulmahn von Andreas H. bezüglich Verkehr
Wollen sie sich wirklich an der Privatisierung der Infrastruktur (speziell Autobahnen) beteiligen? http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/autobahn-privatisierung-spd-taeuscht-die-eigenen-genossen-26972860
Hat die SPD über Hartz IV und Riester-, Rüruprente nicht genug Sozialabbau betrieben? Wo beibt die "soziale Gerechtigkeit"?
Über Bildungspolitik reden und sie ständig verschlechtern ist leider auch Produkt der SPD - natürlich immer in Verbindung mit anderen Parteien aber eben nicht nur als Juniorparner.
Hören sie auf die Republik an die Wirtschaft, Banken und Versicherungen zu verkaufen.
Sehr geehrter Herr Hohenschild,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf diesem Portal.
Der Deutsche Bundestag hat nicht nur über Artikel 90 GG ab, sondern über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems, also über ein ganzes Paket abgestimmt.
Der Bundestag hatte über ein Regelungspaket zu beraten und zu entscheiden, das im Vorfeld bereits zwischen allen 16 Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. In harten Verhandlungen hat z.B. die SPD-Fraktion durchgesetzt, dass der Bund wieder in den Bildungsbereich investieren darf, was bisher ausdrücklich in Art. 104 GG untersagt war.
Darüber hinaus wurde auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche beschlossen hatten, die faktisch nicht mehr entkoppelt werden konnten. Umso beachtlicher sind die wichtigen Veränderungen, die von unserer Seite im parlamentarischen Verfahren durchgesetzt werden konnten. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen.
1. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast eine Million alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen das unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann.
2. Nach 6 monatigen hartnäckigen Verhandlungen hat die SPD das Kooperationsverbotes im Bildungsbereich aufbrechen können. Der Bund wird in die Lage versetzt für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen, geplant sind im ersten Schritt 3,5 Mrd. Euro. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik, wird aber nach wie vor von der CDU/CSU Fraktion abgelehnt.
3. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, hatten sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, u.a. die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Trotzdem befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft ver.di problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Auch hier gelang es nach wochenlangen Verhandlungen eine Ergänzung des Verfassungstextes vorzunehmen, die eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigen abzuschließen. Die Gewerkschaft ver.di hat die Erfolge der parlamentarischen Verhandlungen ausdrücklich anerkannt.
In der Debatte werden auch sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Diese Partnerschaften gibt es jedoch bereits seit langem– sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung Öffentlich-Private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt.
Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehendere Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich.
Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu einhundert Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer 2/3 Mehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der jetzigen Zusammensetzung des Parlaments nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Edelgard Bulmahn