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Edelgard Bulmahn
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Frage von Peter J. Dr. S. •

Frage an Edelgard Bulmahn von Peter J. Dr. S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Beste Frau Bulmahn,

nachdem ich jetzt seit fast einem Jahrzehnt in den Niederlanden an Universitäten tätig bin, habe ich mich in DE beworben. Abei habe ich folgende email der RWTH Aachen erhalten:

Sehr geehrter Herr Stauvermann,

Ihre Bewerbung als Senior Researcher ist bei uns angekommen. Im Vorfeld eines weiteren Gespräches müssen wir jedoch abklären, ob und wie lange wir Sie anstellen könnten.

Sie haben sicherlich schon von dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz gehört, welches die befristeten Arbeitsverträge von Wissenschaftlern regelt. Dieses besagt, dass Sie nach den uns vorliegenden Unterlagen nur noch eine Beschäftigungszeit von 13 Monaten in Anspruch nehmen können, da Sie dann insgesamt 12 Jahre nach Ihrer Diplomarbeit (6 Jahre vor und 6 Jahre nach der Promotion) wissenschaftlich angestellt waren.

Die Befristungsdauer verlängert sich durch die Betreuung eines oder mehrer Kinder unter 18 Jahren um 2 Jahre je Kind. Deshalb unsere Frage, ob Sie Kinder haben, auf die in der fraglichen Zeit betreut werden mussten.

Mit freundlichen Grüßen

[...]

So, wenn ich dies also richtig interpretiere, ist es so, dass ich noch maximal 13 Monate sofern ich kein Prof. bin an Deutschen Universitäten tätig sein darf, danach ist eine Weiterbeschäftigung nicht länger möglich.
Bitte begründen Sie mir, wie man solch ein Gesetz machen kann? Im übrigen werde ich gegenüber einem Ausländer der nie in Deutschland gearbeitet hat offensichtlich diskriminiert (dessen Dienstzeit im Ausland spielt keine Rolle) oder sehen Sie dies anders. Warum plädieren Sie nicht für ein ähnliches Gesetz in anderen Bereichen, z.B, wer Maurer gelernt hat und nach 12 Jahren noch kein Polier ist, darf nicht mehr als Maurer arbeiten?

MIt besten Grüssen

Peter Stauvermann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Stauvermann,

vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch. Lassen Sie mich aber zunächst die Frage stellen, warum Sie sich nur um eine befristete Anstellung bewerben und nicht um eine unbefristete?

Das allgemeine Arbeitsrecht, welches auch für Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen gilt, geht grundsätzlich von unbefristeten Arbeitsverhältnissen aus. Eine Befristung ohne Sachgrund ist nur für die Dauer von maximal 2 Jahren zulässig. Danach muss das Arbeitsverhältnis unbefristet fortgeführt oder ein Sachgrund benannt werden. Das unbefristete Arbeitsverhältnis ist nach deutschem wie auch europäischem Recht das Regelarbeitsverhältnis. Dies ist sachlich auch so geboten.

Für die Qualifikationsphase von Wissenschaftlern wurde bereits in den 1970er Jahren im Hochschulrahmengesetz eine Ausnahmeregelung von diesen allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen getroffen. Im Jahr 2002 hat die rot-grüne Bundesregierung im Hochschulrahmengesetz die Befristungsregelungen für die Qualifikationsphase von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neu geregelt. Dabei sollte auch weiterhin zwischen der Qualifikationsphase und der Weiterbeschäftigungsphase unterschieden werden. Man ging von der Überzeugung aus, dass für die Qualifikationsphase Befristungen sinnvoll seien, weil nur so diese Stellen immer wieder für die nachwachsenden Doktoranden, die Juniorprofessoren und die wissenschaftliche Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Daher ist eine Befristung ohne sachlichen Grund für Nachwuchswissenschaftler, die promovieren wollen, für höchstens sechs Jahre (vorher vier Jahre) möglich. Nach dem Abschluss einer Promotion ist eine erneute Befristung von weiteren sechs Jahren für weitere Qualifikationsgrade möglich. Nach dem Ausschöpfen dieser Zeit, also nach 12 Jahren, soll eine Weiterbeschäftigung im Wissenschaftsbetrieb in der Regel unbefristet erfolgen. Es greifen daher wieder die Regelungen des allgemeinen Arbeitsrechts.

Darüber hinaus war auch damals schon eine weitere sachgrundlose befristete Anstellung für zwei weitere Jahre möglich. Zusätzlich gab es auch die Möglichkeit einer befristeten Anstellung mit Sachgrund (z.B. Laufdauer eines Forschungsprojektes).

Als damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung war es mein Ziel, die ausufernde Befristungspraxis in der Wissenschaft ohne jegliche Unterscheidung zwischen Qualifikation oder darüber hinausgehende Beschäftigung einzudämmen und wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in unbefristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. Hervorragende NachwuchswissenschaftlerInnen müssen m. E. eine anhaltende Perspektive erhalten. Dies trägt im übrigen auch zur Attraktivität der Hochschule bei, die in Konkurrenz zu anderen Forschungszentren weltweit steht. Aber auch unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten sollte der wissenschaftliche Nachwuchs nicht über die zweite Lebenshälfte hinaus in unsicheren Arbeitsverhältnissen belassen werden.

Wir brauchen in Deutschland eine Stärkung der Position der Nachwuchswissenschaftler wie auch des Mittelbaus an den Hochschulen. Daher sollten die Universitäten und Fachhochschulen dem wissenschaftlichen Nachwuchs attraktive Perspektiven bieten. Damit werden im Übrigen sowohl Lehre als auch Forschung gestärkt.

Da die Hochschulen die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten des HRG unterschiedlich nutzten, wurde im Jahr 2007 die Regelung des Hochschulrahmengesetzes durch ein neues "Wissenschaftszeitvertragsgesetz" abgelöst. Die sogenannte "12-Jahres-Regelung" wird darin beibehalten. Zusätzlich ist jedoch noch einmal explizit die Möglichkeit beschrieben worden, im Rahmen von Drittmittelprojekten auch über diesen Zeitraum hinaus eine befristete Beschäftigung zu erhalten.

Ihre Darstellung, dass Sie nach Ablauf dieser 12 Jahre nicht mehr an einer deutschen Universität tätig sein können, ist daher sachlich falsch. Sie können sowohl unbefristet wie auch befristet angestellt werden. Sollte Ihre Hochschule andere Gründe haben, warum sie Sie weder unbefristet noch befristet anstellen, so sollte sie diese Ihnen gegenüber auch offenlegen.

Mit freundlichen Grüßen