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Edelgard Bulmahn
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Frage von Franz I. •

Frage an Edelgard Bulmahn von Franz I. bezüglich Verkehr

Guten Tag Frau Bulmahn,

rund zwei Drittel der Deutschen haben sich laut einer Umfrage gegen die Privatisierung der Bahn ausgesprochen. Die Folgen von Bahnprivatisierungen lassen sich in Großbritannien und Argentinien besichtigen - zerstörte Infrastruktur und schwere Eisenbahnunfälle in England, die patagonische Eisenbahn in Argentinien gibt es nicht mehr.
Was werden Sie gegen diese Verramschung von öffentlichem Vermögen in private Hände unternehmen, gegen die Verschleuderung und mutwillige Zerstörung von Vermögen, das von fünf Generationen aufgebaut wurde?

Mit freundlichen Grüßen

Franz Isfort

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Isfort,

die Privatisierung der Deutschen Bahn AG wird derzeit vielerorts kontrovers diskutiert. Dabei geht es mir und meinen Kolleginnen und Kollegen nicht um eine „mutwillige Zerstörung von Vermögen“. Vielmehr soll die Eigenkapitalausstattung der Bahn erhöht werden um diese wettbewerbsfähiger und noch leistungsfähiger zu machen. Meine Kollegen und ich halten die Bahn für einen wichtigen Verkehrsträger dessen Bedeutung unserer Meinung nach noch wachsen soll. Wie dies geschehen kann, dazu werden in den derzeitigen parlamentarischen Beratungen unterschiedliche Wege angedacht. Lassen Sie mich Ihnen den aktuellen Stand der Diskussionen und meine persönliche Meinung dazu darstellen.

1993 hat die damalige CDU/FDP-Koalition mit ihrer parlamentarischen Mehrheit die Bahnreform beschlossen. In der ersten Stufe wurde nach sorgfältiger Prüfung der Lösungswege mit einer formellen Privatisierung die Deutsche Bahn AG gegründet.
Im Koalitionsvertrag haben sich nun CDU/CSU und SPD darauf verständigt, die 2. Stufe der Bahnreform umzusetzen. Zurzeit liegt ein Entwurf des Bundesverkehrsministers vor, der in den parlamentarischen Gremien diskutiert wird.

Nach dem vorliegenden Entwurf bleibt die Infrastruktur (das Schienennetz) im Besitz des Bundes. Die Eisenbahninfrastruktur soll – also Schienennetz, Bahnhöfe, Energieversorgung etc. – vor einer Kapitalprivatisierung in das Eigentum des Bundes überführt werden. Juristische Risiken für die eigentümerrechtliche Position des Bundes werden damit ausgeschlossen, und es ist sichergestellt, dass kein privater Investor Zugriff auf das Schienennetz erhält und die in Jahrzehnten aus Steuermitteln finanzierte Eisenbahninfrastruktur als Volksvermögen erhalten bleibt.

Darüber hinaus soll die Mehrheit der Anteile (51%) der Deutschen Bahn AG beim Bund verbleiben. Die Bahn darf das Netz bewirtschaften. Der Bundestag beschließt über die Neu- und Ausbaumaßnahmen des Schienennetzes. Die Durchsetzung der Infrastrukturverantwortung wird vertraglich zwischen dem Bund und der Bahn AG geregelt. In diesen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen sind sowohl Qualitätsvorgaben als auch Sanktions- und Kontrollregularien vereinbart. Der Bund verpflichtet sich jährlich 2,5 Mrd. Euro für Ersatzinvestitionen in das Schienennetz zur Verfügung zu stellen.
Neu ist hingegen, dass die DB AG künftig jährlich einen Netzzustands- und Entwicklungsbericht vorlegen muss. Damit schaffen wir mehr Transparenz als bisher, insbesondere was die Qualität des Netzes in den einzelnen Regionen angeht. Und es führt dazu, dass die Länder mehr Spielraum haben, um die gegebenenfalls erforderlichen Konsequenzen bei der Planung und Organisation des Regional- und Nahverkehrs zu ziehen. Die Qualität der Infrastruktur wird künftig durch eine Reihe von gesetzlichen und vertraglichen Regelungen genau festgeschrieben, und zwar in der Fläche wie in den Ballungsräumen.

Dafür gibt es in Zukunft die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Sie enthält klare Vorgaben über den Netzzustand. Der Bund hat seinerseits die Möglichkeit, durch Messfahrten auf dem Schienennetz und mit Hilfe unabhängiger Sachverständiger die Angaben im Netzzustands- und Entwicklungsbericht zu überprüfen. Dieses Modell hat sich in den Niederlanden bereits bewährt. Für uns ist Sicherheit oberstes Gebot!

Der SPD-Parteivorstand und mehrere Mitglieder der SPD- Bundestagsfraktion sprechen sich bei der konkreten Ausgestaltung dieser Bahnreform für ein Volksaktienmodell aus. Dieses soll die möglichen Risiken die mit einer Privatisierung einhergehen vermeiden. Kernelement ist die Ausgabe von Vorzugsaktien an Kleinaktionäre. Diese Form der Unternehmensbeteiligung sieht für die Aktionäre zwar kein Stimmrecht vor, gleicht diesen Nachteil jedoch durch eine höhere Rendite aus. Ich unterstütze dieses Modell, weil es die Infrastrukturleistungen der Deutschen Bahn AG sichert und nicht den Interessen privat-wirtschaftlicher Großinvestoren aussetzt.

Ziel der Bahnreform muss sein, der DB AG Planungssicherheit und eine gute Zukunftsperspektive zu verschaffen, die Arbeitsplätze der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner zu sichern und gleichzeitig die Instrumente des Bundes zur Durchsetzung seiner grundgesetzlichen Infrastrukturverantwortung deutlich zu verbessern. Die Deutsche Bahn AG ist nicht irgendein Unternehmen, sondern von besonderer Bedeutung gerade auch für die Erreichung unserer Klimaschutzziele. Die Erfahrungen der Bahnprivatisierung aus anderen Ländern dürfen dabei nicht völlig ignoriert werden.

Die Verantwortung für den Regionalverkehr liegt im Übrigen bereits seit langem bei den Ländern. Hierfür zahlt der Bund erhebliche Milliarden. Leider werden gerade in Niedersachsen die Mittel aber nicht im vollen Umfang für den Regionalverkehr eingesetzt.

Mit freundlichen Grüßen
Edelgard Bulmahn