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Edelgard Bulmahn
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Frage von Christian R. •

Frage an Edelgard Bulmahn von Christian R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Bulmahn,

Mich würde an dieser Stelle interessieren, wie Sie persönlich zum Thema Vorratsdatenspeicherung stehen. Ist es für Sie legitim, freie Bürger ohne jeden Verdacht vorsorglich auszuspionieren? Ich verstehe das Anliegen, dass man frühzeitig bestimmte Muster erkennen möchte, um zum Beispiel Terroranschläge verhindern zu können.

Aber: Es wird hier ein Generalverdacht gegen jeden gestellt. Es schafft mehr ein Gefühl der Angst, als ein Gefühl der Sicherheit, und an der Stelle, an der man persönliche Freiheit und Privatsphäre aufgibt, um sich scheinbare Sicherheit zu erkaufen, ist mMn die Politik, grundlegend die Demokratie gescheitert.

Des weiteren würde mich interessieren, was Sie von Bürgerentscheiden wie in der Schweiz in wichtigen und tiefgehenden politischen Entscheidungen halten.

Hochachtungsvoll,

Christian Reichelt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reichelt,

vielen Dank für Ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch.

Am 15. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien für die Regelung einer Datenspeicherung festgelegt.

Mit dem Vorschlag von Bundesjustizminister Maas wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also Email – eingeführt.

Oberste Richtschnur aller Regelungen sind für uns die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die von Bundesjustizminister Maas vorgelegten Leitlinien sind deutlich restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und erheblich restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie.

§ Gespeichert werden sollen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.

§ Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir ausschließen wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.

§ Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.

§ Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.

§ Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.

§ Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Die Leitlinien sind eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Wir sind uns sicher, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss stehen wird. Deutschland hätte damit zugleich die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.

Zu Ihrer zweiten Frage:

Ich setze mich seit Jahren für mehr Bürgerbeteiligung auf der Bundesebene ein.

In Deutschland sind viele Bürgerinnen und Bürger daran interessiert, zwischen den Wahlen einzelne Sachentscheidungen mitzugestalten oder zu korrigieren.

Eine bereits vor einigen Jahren von der SPD vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes orientierte sich mit einem dreistufigen Verfahren aus Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid an der Mehrheit der jüngeren, direktdemokratischen Regelungen einiger Bundesländer. Im Detail sah der Entwurf folgende Regelungen vor: 100.000 Abstimmungsberechtigte können den Bundestag auffordern, sich mit einer Gesetzesvorlage oder einem anderen bestimmten Gegenstand der politischen Willensbildung zu befassen (Volksinitiative). Kommt innerhalb von einem halben Jahr kein Bundesgesetz oder Beschluss zustande, so kann ein Volksbegehren beantragt werden, das innerhalb von weiteren sechs Monaten mindestens eine Million Wahlberechtigte unterzeichnen müssen. Entspricht der Bundestag dem Volksbegehren innerhalb von sechs Monaten nicht, so findet ein Volksentscheid statt. Dabei entscheidet dann die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens müssen sich allerdings 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten beteiligen. Ergänzend wurden die Anregungen aus der Wissenschaft aufgegriffen, und außer diesen Instrumenten der aktiven Gestaltung, quasi dem „Gaspedal“, sollte auch das volksbegehrte Referendum eingeführt werden. Diese „Bremse“ ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern, den Parlamentsgesetzgeber zu korrigieren. Eine Million Abstimmungsberechtigte hätten somit das Recht, ein vom Bundestag bereits beschlossenes Gesetz, dem Volksentscheid zu unterwerfen. Auch der Bundestag könnte mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen, die Bevölkerung über ein Bundesgesetz abstimmen zu lassen (Parlamentsreferendum). Leider fanden diese Vorschläge keine Unterstützung durch die CDU/CSU.

Mit freundlichen Grüßen

Edelgard Bulmahn