Frage an Edelgard Bulmahn von Michael W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Bulmahn,
ich informiere mich gerade bezüglich der anstehenden Bundestagswahl über die Möglichkeiten mit meinen beiden Stimmen zumindest einen gewissen Einfluss auf die Zukunft dieses Landes zu nehmen.
Dabei habe ich ein paar Fragen, die ich ihrem Wahlprogramm nicht exakt entnehmen konnte.
Auf Seite 67 steht geschrieben, dass sie den Spitzensteuersatz ab 100.000€ auf 49% anheben wollen. Ich kann dabei nicht genau erkennen, ob der Steuersatz ab 100.000 sprunghaft ansteigt oder vielleicht sogar schon früher? Wenn ja, ab welchem Betrag muss mit einer Erhöhung des Steuersatzes gerechnet werden?
Zum Thema Vermögenssteuer finde ich leider auch nur vage Aussagen, aber keine konkreten Vorschläge wie dies ausgestaltet sein soll.
Ist ihnen bewusst, dass es bei der Erhebung einer solchen Steuer sehr viel Aufwand bedarf (Stichwort Ermittlung von Betriebsvermögen)? Steht ihrer Meinung nach die damit einhergehende Willkür in Bezug auf die Ermittlung des Vermögens und die wohl eingehenden Klagen gegen ungerechtfertigte Schätzungen in einem sinnvollen Kosten/Nutzen-Verhältnis?
Vielen Dank und alles Gute für den anstehenden Wahlkampf
Sehr geehrter Herr Weber,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf diesem Portal.
Zu ihrer ersten Frage bezüglich des Spitzensteuersatzes:
Wie bisher auch, wird der Spitzensteuersatz progressiv berechnet- ab dem 100.001 Euro wird demnach ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent berechnet.
Die Mehrbelastungen im Einkommensteuertarif beginnen ab einem Einkommen von 64.000 Euro und 128.000 Euro für Verheiratete – dies entspricht für nicht Verheiratete einem Bruttoeinkommen von 75.000 Euro im Jahr bzw. 6.250 Euro im Monat. Wer darunter liegt, wird nicht stärker belastet. Der neue Spitzensteuersatz greift erst ab einem Einkommen/Gewinn von 100.000 Euro bzw. 200.000 Euro für Verheiratete.
Wir belasten nur die höchsten 5% der Einkommensbezieher – und das sind nach unserer Ansicht die Schultern, die mehr beitragen können zur Finanzierung unseres Gemeinwesens. In Deutschland bekommen 94,5 % der Erwerbsbevölkerung unter 52.300 Euro.
Ein Ehepaar mit zwei Kindern muss zusammen 11.500 € brutto im Monat verdienen, um mit unseren Plänen dann 17 Cent mehr im Monat zu zahlen. Ein Single zahlt ab 6.125 € brutto im Monat 8 Cent mehr Steuern pro Monat. Unter diesem Link finden sie einige weitere beispielhafte Berechnung für die Auswirkungen der SPD Steuerpläne: http://www.spd.de/themen/102824/steuern.html
Es wird deutlich, dass unsere Steuerpläne 95% der Bürger entlasten und 5% der Bürger mehr belasten. Die dadurch generierten höheren Einnahmen kommen dann wichtigen Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung, Infrastruktur sowie dem Abbau der Neuverschuldung zugute.
Zu ihrer zweiten Frage zum Thema Vermögenssteuer:
Wir werden die Vermögensteuer auf ein angemessenes Niveau heben, um den Ländern die notwendige Erhöhung der Bildungsinvestitionen zu ermöglichen. Wir wollen dabei eine Vermögensteuer, die der besonderen Situation des deutschen Mittelstandes, von Personengesellschaften und Familienunternehmen Rechnung trägt und ihre zukunftssichernde Eigenkapitalbildung sichert, sowie ihre Investitionsspielräume nicht belastet. Bei der Vermögensteuer stellen hohe Freibeträge für Privatpersonen sicher, dass das normale Einfamilienhaus nicht von der Vermögensteuer betroffen sein wird.
Die Ungleichheit der Vermögen ist in Deutschland so stark ausgeprägt wie in kaum einem anderen Land Europas. Zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland verfügen über zwei Drittel des Vermögens, dagegen verfügen mehr als zwei Drittel der Bevölkerung nur über einen Anteil am Gesamtvermögen von weniger als zehn Prozent. Sogar innerhalb der reichsten 10% der Bevölkerung konzentriert sich das Vermögen auf die besonders Reichen: 0,1% der Haushalte verfügen noch über 22,5% des Vermögens in Deutschland.
Ein beschlossenes Modell für eine Vermögensteuer gibt es noch nicht. Zwar haben verschiedene SPD-geführte Landesministerien im vergangenen Jahr erste Überlegungen angefertigt, um Fragen der Bewertung und verfassungsrechtliche Vorgaben zu klären. Diese Überlegungen sind allerdings nicht abgeschlossen, auch wenn angebliche Versionen einer Vermögensteuer in der Öffentlichkeit immer wieder zitiert werden: es gibt kein fertiges Konzept. Warum? Weil es der SPD wichtig ist, dass die Vermögensteuer nicht die Substanz der Betriebe trifft. Und weil wir ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Privilegierung von Betriebsvermögen in der Erbschaftssteuer abwarten, hiervon versprechen wir uns näheren Aufschluss über Möglichkeiten zum Schutz des betrieblichen Vermögens.
Unser Ziel, hohe und sehr hohe Vermögen in Deutschland einer höheren Besteuerung zuzuführen, wird immer flankiert von der Einschränkung, dass dadurch die Investitionsspielräume der Unternehmen nicht belastet werden dürfen. Unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat – über unser Wahlprogramm hinaus – diese Überzeugung mehrfach persönlich zum Ausdruck gebracht. Auch wir haben ein Interesse daran, dass bei der Einführung der Vermögensteuer kein Arbeitsplatz verloren geht.
In ihrer Frage sprechen sie auch das Kosten/Nutzen-Verhältnis einer solchen Steuer an. Der Erhebungsaufwand wird vom DIW auf Basis seines Konzeptes einer wiederbelebten Vermögensteuer auf durchschnittlich unter zwei Prozent des Steueraufkommens geschätzt. Schon früher, als die Steuer noch erhoben wurde, konnten die nicht nachvollziehbare Horrorzahlen über den Erhebungsaufwand nicht belegt werden. Die hohen Verwaltungskosten sind schlicht eine Legende, die von Lobbygruppen der Vermögenden geschaffen wurde.
Ich hoffe, dass ich ihre Fragen zufriedenstellend beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Edelgard Bulmahn