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Eckhard Rothe
Kusch
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Frage von Karin D. •

Frage an Eckhard Rothe von Karin D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Herr Rothe,
die Ärzte/in stellen um auf Billiglohn!!!
Bei den Bewerbungen um einen neuen Arbeitsplatz im Bereich Gesundheit, machte ich folgende Erfahrungen:
fast 90% der Angebote in den entsprechenden Publikationsmitteln, waren Jobs auf der 400 € Basis. Der Rest teilte sich auf in 15 bis 30Std. Jobs und Personalvermietungen auf seltene Angebote 38,5Std..

Wie wollen Sie diese schlechten Bedingungen für Arbeitslose (nicht nur im Bereich Gesundheit) verbessern.
mfg
K.Dobuschewski

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Antwort von
Kusch

13.02.08

Sehr geehrte Frau Dobuschewski,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Diese Frage trifft und betrifft mich besonders. Als ich vor 4 Jahren meine Kassenarztpraxis auf eine Privatpraxis umgestellt habe, musste ich 6 Arzthelferinnen entlassen.

Arzthelferinnen sind der unverzichtbare Bestandteil einer gut funktionierenden Arztpraxis. Es läßt sich in Euro nicht messen, was diese Mitarbeiterinnen tagaus und tagein in den einzelnen Praxen leisten. Jede Arzthelferin, die in einer Praxis fehlt, bedeutet weniger Zuwendung für den Patienten, und deshalb auch weniger Umsatz. Jeder selbständig tätige Arzt ist sich dieser Tatsache bewußt. Trotzdem sind in den letzten 10 Jahren ca. 100.000 Vollzeitstellen in den Arztpraxen verloren gegangen. Ich bin überrascht, dass Ihnen von Ärzten überhaupt noch ein Arbeitsplatz angeboten worden ist.

Nach dieser Einleitung werden Sie erstaunt sein, meinen nächsten Satz zu lesen:
Mit einem Marktvolumen von 260 Milliarden Euro ist der Gesundheitssektor heute der größte Wirtschaftszweig in Deutschland. Seit Mitte der 90iger Jahre ist er etwa um 1 Prozentpunkt stärker gewachsen, als die gesamte Deutsche Wirtschaft. Rund 4,2 Millionen Menschen sind hier beschäftigt, also jeder 10. Erwerbstätige.
Warum stellen wir Ärzte, dann auf Billiglohn um? Warum sind 90% der Angebote Jobs auf 400 Euro Basis?

Die Zerstörung von Arbeitsplätzen, ausgelöst durch politische Fehlentscheidungen von selbst ernannten Experten, die noch niemals zuvor auch nur einen einzigen Patienten behandelt haben, hat den Gesundheitsmarkt in zwei Versorgungsformen oder auch Marktsegmente geteilt. Auf der einen Seite gibt es den Luxusmarkt und auf der anderen Seite den Mäc-Geiz-Gesundheitsmarkt, den Markt der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Denker im Segment gesetzliche Krankenversicherung nennen als große Kostentreiber den medizinischen Fortschritt, die Überalterung der Gesellschaft und zum Dritten, die Profitgier der Pharmaindustrie. Diese Vorwürfe sind vollkommen richtig, aber nur, wenn man sich im falschen System bewegt. Denn keines der Argumente würde einen Sinn machen, wenn man sich aus der künstlich geschaffenen Sonderwirtschaftszone gesetzliche Krankenversicherung heraus begibt.
Es gibt kaum ein Gebiet, ohne technischen Fortschritt. Wenn Sie ein heutiges Angebot eines Elektronikfachgeschäftes mit Geräten, die noch vor 5 Jahren dort zu kaufen waren vergleichen, sprechen Sie nicht von einer Kostenexplosion im Elektrowesen. Alle Elektrogeräte, die auf dem Markt neu erscheinen, sind zunächst einmal teuer. Sie werden durch Nachfolgeprodukte ersetzt, die genauso leistungsfähig, aber deutlich billiger sind. Sie werden entwickelt, weil die Nachfrage da ist. Gesundheitsleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind kostenlos. Für niemanden besteht ein Anreiz, günstige Leistungen nachzufragen oder anzubieten. Angebote, für die keine Nachfrage zu erwarten sind, werden garnicht erst entwickelt. Nichts ist daher auf Dauer so teuer, wie ein kostenloses Gut.
Auch die Demographie taugt wenig als Sündenbock. Die steigende Lebenserwartung geht mit steigenden Gesundheitsausgaben einher. Aber beide steigen nicht von einem Tag zum anderen. Beide steigen stetig über einen langen Zeitraum hinweg. Bei den privaten Krankenversicherungen wird ein komfortables Polster von Altersreserven geschaffen, warum nicht auch bei den gesetzlichen Krankenversicherungen?
Die Erkenntnis, dass die Pharmakonzerne sich profitmaximierend verhalten, ist nicht besonders bahnbrechend. Sie trifft auch nicht ausschließlich auf Pharmaunternehmen zu. Gegen eine Vormachtstellung eines Marktteilnehmers gibt es ein altbewährtes Mittel namens Wettbewerb. Und genau daran mangelt es, in dem Parallelmarkt des Gesundheitssektors der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Bürger im sogenannten Luxusmarkt hat sich hinsichtlich der eigenen Gesundheitserhaltung und in der Inanspruchnahme des expandierenden Marktes mehr Kompetenz angeeignet. Solidarität ist angesichts der gewaltigen demographischen Entwicklung zunehmend nicht mehr präsent (ich habe diese Solidarität im Gesundheitswesen kaum wahrgenommen, wenn dann nur innerhalb einer Familie). Nicht nur die Produkte dieses Gesundheitsmarktes, auch die Patienten und das Gesundheitspersonal sind inzwischen mobil. Daraus haben sich neue Versorgungsformen und Marktsegmente entwickelt. Diese Tatsachen spiegeln sich jedoch nicht in den politischen Strukturen wieder. Aus dem Gesundheitsministerium heutigen Zuschnitts ist noch kein Gesundheitswirtschaftsministerium geworden.
Wenn der Gesundheitssektor als Job- und Wachstumsmotor konsequent liberalisiert würde, könnten in den kommenden Jahren rund 1,4 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.
Zentraler Punkt bei der geforderten Liberalisierung des Gesundheitssystems ist die Umschichtung von öffentlichen zu privaten Ausgaben. Diese ermöglicht den positiven Beschäftigungsschub. Die gesetzlichen Krankenkassen sind dann nicht mehr Körperschaften des öffentlichen Rechtes, sondern privatwirtschaftlich organisiert; sie könnten staatlich kontrolliert werden.

Anstatt die Politik der Kostendämpfung weiter fortzusetzen, müßten die von den Gesundheitsexperten der politischen Parteien als bedrohlich beschriebenen Szenarien als gewaltiges Nachfragepotenzial gesehen werden.
1. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung werden die Deutschen immer gesundheitsbewusster. Der private (nicht durch Krankenkassen oder Staat finanzierte) Konsum von Gesundheitsleistungen wird um geschätzte 27 Milliarden Euro zunehmen.
2. Von medizinisch-technischen Innovationen gehen weiterhin die stärksten Wachstumsimpulse aus. Der Marktwachstum wird auf 133 Milliarden Euro veranschlagt.
3. In Folge der zunehmenden Alterung der Bevölkerung steigt die Nachfrage der gesetzlichen und privaten Krankenkassen um 22. Milliarden Euro.
4. Sonstige Leistungen (die Verwaltungskosten der Krankenkassen, die Lohnfortzahlungen der Arbeitgeber) werden um 11 Milliarden Euro zunehmen.

Der Deutsche Gesundheitsmarkt bis 2020 wird real um durchschnittlich 3,3 % p.a. wachsen und damit deutlich stärker als das Brutto-Inlandsprodukt. Gemessen am Anteil des Brutto-Inlandproduktes nimmt die Bedeutung des Gesundheitswesens also weiter zu von 12,2 auf 15,5 %.

Sie fragen mich, wie ich die schlechten Bedingungen für Arbeitslose verbessern will.
Wenn Sie meine Gedankengänge als logisch empfinden und die genannten Zahlen überprüfen (ich habe sie aus dem Internet herunter geladen) und am 24.02.2008 die richtige Partei wählen, eine Partei, die den Gesundheitssektor nicht als drohendes Damoklesschwert empfindet, sondern als Job- und Wachstumsmotor mit einem gewaltigen Nachfragepotential, könnten durch Ihre Wahl am 24.02.2008 rund 1,4 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Die Probleme im Gesundheitswesen sind nicht Ausdruck höherer Gewalt. Sie ergeben sich aus den Gesetzmäßigkeiten eines politisch geschaffenen Paralleluniversums. Hier braucht es grundsätzliche Alternativen.

Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Rothe