Frage an Eckhard Rothe von Jule T. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Dr. Rothe,
Ihr Parteivorsitzender Roger Kusch hat sich in der neuesten Ausgabe des "PfotenAbdruck - Magazin der Hunde-Lobby" gegen den generellen Leinenzwang ausgesprochen. Sollten Sie nach der Wahl in das Bezirksparlament Eimsbüttel einziehen, werden Sie sich dann dafür einsetzen, dass auch in Eimsbüttel eine Lösung für geprüfte und leinenbefreite Hunde wie in Wandsbek umgesetzt wird?
Mit freundlichen Grüßen
Jule Thumser
Sehr geehrte Frau Thumser,
nach meinem Urlaub habe ich jetzt Zeit, Ihre Frage zu beantworten. Im Grunde genommen würde ein kurzes, knappes "Ja" genügen. Ich möchte Ihnen aber begründen, warum ich gegen einen generellen Leinenzwang bin.
Seit über 30 Jahren bin ich als Arzt tätig. In diesen 30 Jahren mußte ich 5 oder 6 Patienten mit Hundebissen behandeln. Rechnerisch bedeutet es, dass ich in dem Stadtteil Hamburg-Niendorf ca. alle 5 Jahre einen Patienten mit einer Hundebissverletzung behandelt habe. Diese Verletzungen waren nicht schwerwiegend. Es handelte sich stets um oberflächliche Hautverletzungen, Hautrisse oder Quetschungen. Als Allgemeinarzt bin ich sicherlich nicht repräsentativ für Hundebissverletzungen. Die meisten schwerwiegenden Fälle werden durch chirurgische Kollegen oder im Krankenhaus behandelt. Aber während meiner 3-jährigen chirurgischen Assistenzarztzeit in einem Krankenhaus in Flensburg, habe ich aus meiner Erinnerung einen Patienten mit einer Hundebissverletzung behandeln müssen. Auch diese Verletzung war nicht bedrohlich.
Während meiner Tätigkeit in Hamburg-Niendorf hatte ich ein bis zweimal im Jahr Kontakt zu Opfern sogenannter häuslicher Gewalt. Regelmäßig habe ich mitbekommen, dass es prügelnde Ehepartner, Väter und auch Mütter gibt.
Mit dieser Gegenüberstellung versuche ich deutlich zu machen, dass von dem Familienmitglied Mensch nach meiner Erfahrung ein höheres Gefährdungspotential ausgeht, als von dem "Familienmitglied Hund".
Ich selbst habe nie einen Hund besessen. Meine zugegebene subjektive Sympatie für Hunde und für ihre Besitzer ist durch Beobachtungen bei meinen Hausbesuchen entstanden.
Wenn ein Mitglied einer Familie, -ob nun der Mensch oder der Hund-, ständig an der Leine geführt wird, entwickelt sich bei beiden schon nach kürzester Zeit ein Aggressionspotential.
Bei dieser überzogenen Darstellung wird der Leser sofort misstrauisch: Rothe erzählt Märchen, um Wählerstimmen zu gewinnen. Darum nun die Kehrseite der Medaille.
Ich jogge regelmäßig im Niendorfer Gehege. Regelmäßig beobachte ich Konfliktsituationen. Konfliktsituationen zwischen Hund und Hund, Hund und Mensch, Mensch und Mensch usw.
Meine Beobachtung: Je kleiner der unangeleinte Hund, desto häufiger die Beschimpfung:"Leinen Sie gefälligst das Tier an". Ab Schäferhundgröße aufwärts habe ich dieses Aggressionsverhalten eines Menschen noch nicht gesehen.
Eine weitere Konfliktsituation: In der Nachbarschaft tobt ein Rottweiler jeden Passanten mit fürchterlichen Drohgebärden hinter einem Zaun an. Vor allen Dingen kleine Kinder erschrecken sich. Aus all den geschilderten Informationen schließe ich, dass die durch große Hunde erzeugte Furcht bei den Besitzern von kleinen, harmlosen Hunden abgeleitet wird.
Ein Nichthundebesitzer kann die Gefahr, die von einem Hund ausgeht, ob dieser nun groß, oder klein ist, nicht adäquat einordnen.
Wenn ein aggressives Familienmitglied, ein Mensch, vorbeigehende Passanten beschimpft und bedroht, wird sicherlich bald irgendeine Intervention zur Beruhigung der Situation eingeleitet. Dasselbe erwarte ich von jedem Hundehalter. Jeder Besitzer eines Hundes sollte sich im klaren sein, dass sein knurrender, bellender Liebling für seine Mitbürger eine größere Gefahr darstellt, als ein schimpfender, Mensch. Die Signale, die von einem Menschen ausgehen, sind für seine Mitmenschen in ihrer Bedrohlichkeit besser einzuordnen, als das aggressive Verhalten eines Hundes.
Alle Hobbytaucher dieser Welt melden regelmäßig ihre Tauchunfälle. Dabei stellte sich heraus, dass die kleinen Bagatellunfälle am häufigsten sind. Diese Bagatellen kosten aber viel Geld. Gehörgangsentzündungen verhindern das Tauchen, Verletzungen durch Seeigel oder Korallen am Fuß ebenfalls. Durch diese ständige Informationen über häufig vorkommende Urlaubsunfälle können die anderen Taucher Prophylaxe betreiben.
Deshalb mein Vorschlag: Fordern Sie doch die Leser Ihres Magazins auf, die Konfliktsituationen, in die ihr Hund gerät, regelmäßig zu melden. Durch die Information über die Häufigkeit und Art dieser kleineren "Unfälle" können Ihre Leser wie es schon die Taucher praktizieren, sinnvolle Prophylaxe betreiben.. Sie werden erstaunt sein, wie schnell sich das Bild des Hundes in der Öffentlichkeit zum Positiven wendet.
Zum Schluß möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich jeder Prüfung gegenüber sehr skeptisch eingestellt bin.
Sie haben zum Beispiel sicherlich von der sogenannten MPU gehört. Es ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung, zur Beurteilung, ob ein Autofahrer, dem mehrmals seine Fahrerlaubnis entzogen worden ist, weiterhin ein KFZ fahren darf. Ich habe glaubwürdige Schilderungen von Demütigung, Arroganz und Überheblichkeit von meinen Patienten gehört. Ein anderes Beispiel: Als Mediziner wurde ich wohl über 1000 Male geprüft, bevor ich meine Approbation erhalten habe. Auch deshalb bezweifle ich die Aussagekraft von Prüfung. Noch ein Beispiel: In Hamburg soll die Durchfallquote bei der Führerscheinprüfung ca. 30 - 50% höher sein, als im benachbarten Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Sind Sie sicher, dass ein Hund leichter zu beurteilen ist, als ein Mensch? Eine Lösung für die geschilderte Problematik kann ich Ihnen nicht anbieten. Ich freue mich schon auf eine Zusammenarbeit mit Ihnen. Gern werde ich mit Ihnen Ihre Ideen diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
gez.: Eckhard Rothe