Frage an Eberhard Gienger von Benjamin L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Guten Tag Herr Gienger,
Ihre Partei steht einer Erhöhung der Umsatzsteuer generell nicht negativ gegenüber. Sehen Sie dabei nicht ebenfalls das Risiko, das Preise erhöht werden und somit die Binnennachfrage weiter gedämpft wird ? Resultat könnte aus meiner Sicht sein, dass das Gesamtsteueraufkommen aus der Umsatzsteuer reduziert wird.
Welche Vorteile sehen Sie ?
Grüße
Benjamin Laible
Sehr geehrter Herr Laible,
Die Erhöhung der Umsatzsteuer als Forderung der Union darf nicht isoliert betrachtet werden. Hier müssen die Ankündigungen aus dem Regierungsprogramm insgesamt einbezogen werden.
Bei rund fünf Millionen Arbeitslosen muss klar sein, dass die Binnennachfrage vor allem dann steigen kann, wenn wir mehr Arbeit in der Bundesrepublik haben. Hierfür muss auf die Leistungsfähigkeit der Bürger gesetzt werden. Es bedarf vorab einer Begriffserklärung.
Im deutschen Sprachgebrauch wird seit der Einführung des Mehrwertsteuersystems 1967 der Ausdruck "Umsatzsteuer" gleichbedeutend mit Mehrwertsteuer verwendet. Mehrwertsteuer bedeutet, dass nur die Wertschöpfung, also der Mehrwert mit Umsatzsteuer belastet ist.
Mehrwertsteuererhöhung zur Umfinanzierung: Um kurzfristig einen positiven Impuls für Wachstum und Beschäftigung zu geben, ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer durchaus sinnvoll, wenn – und das ist unabdingbar – im Gegenzug direkte Steuern und Sozialbeiträge gesenkt werden. Kein Cent darf für die Sanierung der maroden öffentlichen Kassen abgezweigt werden. Der Abbau der Schulden muss auf anderem Wege geschehen – etwa durch Subventionskürzungen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln schlägt vor, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 1 Prozentpunkt (dies entspricht 8 Milliarden Euro) zu senken, den Solidaritätszuschlag (10 Milliarden Euro) abzuschaffen und im Gegenzug den Normalsatz der Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte auf 18 Prozent (18 Milliarden Euro) zu erhöhen. Auch hier kommt wieder ein Mechanismus in Gang, der allerdings im Vergleich zur isolierten Steuererhöhung keine volkswirtschaftlichen Nachteile mit sich bringt. Im Gegenteil: Die Senkung des Soli sorgt für zusätzliche Investitionen und entlastet die privaten Haushalte; die Reduzierung der Sozialbeiträge senkt die Personalzusatzkosten und macht dadurch zusätzliche Arbeitsplätze rentabler.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat unlängst berechnet, was eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um 1 Punkt und die Anhebung der Mehrwertsteuer um 1 Punkt an Jobs bringt: Allein durch eine derartige Umfinanzierung könnten nach Berechnungen des IAB langfristig bis zu 100.000 Jobs zusätzlich geschaffen werden. Isolierte Mehrwertsteueranhebung: Eine isolierte Anhebung der Mehrwertsteuer auf 20 Prozent zur Sanierung der öffentlichen Haushalte kostet bereits 2007 rund 490.000 Arbeitsplätze – das hat die Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung im Auftrag des IW Köln berechnet.
Unterstellt man, dass der Normalsatz von 16 auf 20 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 auf 8,75 Prozent steigt, hätte das verheerende Folgen:
• Bruttoinlandsprodukt: Das BIP würde im Jahr 2007 – in heutigen Preisen gerechnet – um 30 Milliarden Euro bzw. 1,5 Prozent niedriger ausfallen als ohne Steuererhöhung. Im Jahr 2010 betrüge das Minus schon 34 Milliarden Euro.
• Lohn-Preis-Spirale: Die Mehrwertsteuererhöhung setzt – mit einem Timelag von einem Jahr – eine Lohn-/Preisspirale in Gang. Im Jahr 2007 wären die Verbraucherpreise um 2,8 Prozent höher als ohne Mehrwertsteueranhebung und die Löhne um 1,6 Prozent. Real hätten die Arbeitnehmer damit niedrigere Einkommen.
• Beschäftigung: Die Auswirkungen auf die Beschäftigung wären dramatisch. Bereits 2007 gingen durch die Steuererhöhung 490.000 Arbeitsplätze verloren; im Jahr 2010 wären es dann 610.000 Jobs weniger. Hinter diesen Berechnungen steckt ein einfacher Mechanismus: Wenn die Preise aufgrund einer Umsatzsteuererhöhung steigen, dann halten sich Verbraucher beim Einkauf zurück. Die Produktion muss entsprechend heruntergefahren werden; das kostet Beschäftigung. Der Anstieg der Mehrwertsteuer um ein Viertel hätte allerdings einen positiven Effekt: Sie würde den Staatshaushalt spürbar entlasten. Unmittelbar im Jahr 2006 stiegen die Mehrwertsteuereinnahmen um gut 33 Milliarden Euro. Damit könnte Deutschland ab 2006 das Defizitkriterium von 3 Prozent wieder einhalten – trotz steigender Sozialausgaben infolge der höheren Arbeitslosigkeit.
Wenn sich in Deutschland die Auffassung durchsetzen sollte, die Mehrwertsteuer anzuheben, dann kann das nur unter einer Bedingung geschehen: Der zusätzlichen Belastung muss eine entsprechende Entlastung gegenüberstehen – etwa bei den Sozialabgaben. Alles andere ginge auf Kosten weiterer Arbeitsplätze.
Mit unserem Regierungsprogramm haben wir uns viel vorgenommen (www.Regierungsprogramm.cdu.de/).
Wie beschrieben soll eine Erhöhung der Umsatzsteuer zur Konsolidierung der maroden Staatskassen nicht das erklärte Ziel einer von der Union geführten Bundesregierung sein.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Eberhard Gienger