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Dirk Stettner
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Frage von Stephan B. •

Frage an Dirk Stettner von Stephan B. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Stettner!

Trotz all der Lockerungen: Leidtragende der Corona Pandemie waren und sind vor allem Kinder!

Viele haben wochenlang nur im Home-Schooling gelernt, oft mit extrem eingeschränktem Kontakt zu ihren Lehren. In vielen Grundschulen gab es keinen oder kaum Online-Unterricht o.ä. Bei den Jüngsten, die gerade erst eingeschult worden sind, wäre das auch kaum sinnvoll gewesen: Die Grundlagen von Lesen, Schreiben und Rechnen lernt man nicht am Computer!

Sie als Bildungsexperte wissen natürlich: Das zweite Schulhalbjahr hat quasi gar nicht stattgefunden. Es wurde, zumindest in den unteren Klassen, fast nur Bekanntes wiederholt.

Viele Lehrende und Schulleitungen haben mir bestätigt: Die fehlenden Inhalte können - im reduzierten Unterrichtsangebot, wie es aktuell angeboten wird - kaum nachgeholt werden. Schon gar nicht, wenn nach den Sommerferien alle in die nächste Klassestufe kommen würden. In dem dann ja der neue Stoff dran wäre.

Meine Frage: Was spricht dagegen, dass aktuelle Schuljahr (zumindest in der Grundschule) bis zum 31. Januar 2021 zu verlängern? So hätten alle Kinder und Lehrkräfte genügend Zeit im reduzierten Präsenzunterricht Versäumtes nachzuholen und alle wieder auf einen ähnlichen Wissensstand zu bringen. Und das neue Schuljahr würde dann für alle im Februar beginnen. Wie stehen Sie zu dieser Idee? Wären Sie bereit, sich dafür einzusetzen?

Dass ein Schuljahr immer im Sommer endet und das neue im August beginnt, ist ja nicht in "Stein gemeißelt".

Meine herzliche Bitte: Setzen Sie sich dafür ein, dass diese Variante umgesetzt wird!

Ich freue mich auf Antwort von Ihnen!

Mit freundlichen Grüßen
S. B.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Buchheim,

zunächst möchte ich Ihnen ganz herzlich für Ihre Kontaktaufnahme danken und meine unerfreulich verspätete Antwort entschuldigen!

Ich teile Ihre Meinung, dass vor allem Kinder von den Corona-bedingten Einschränkungen betroffen gewesen sind. Auch wenn die Ausbreitung des Virus und die damit verbundenen Schulschließungen sicherlich für alle sehr plötzlich kam, muss man auch festhalten: die Senatsverwaltung und das Berliner Schulwesen waren nicht gut auf eine solche Situation vorbereitet. Leidtragende dieser schlechten Vorbereitungen waren neben Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrern insbesondere die Schülerinnen und Schüler.

Schon lange vor der Corona-Pandemie haben wir als CDU-Fraktion den Ausbau von Breitbandanschlüssen an Berliner Schulen gefordert - in den Haushaltsberatungen 2020/21 forderten wir bspw. in Zusammenarbeit mit dem ITDZ innerhalb von 6 Monaten alle Berliner Schulen an das Breitbandnetz anzuschließen, was die Koalition ablehnte. Unsere Forderung die Osterferien für eine Digitalisierungsoffensive an Berliner Schulen zu nutzen (siehe hier) wurde durch die Koalition als "hirnverbrannt" bezeichnet und ebenfalls abgelehnt (siehe hier).

Auch die geforderte Weiterentwicklung des Lernraum Berlin in eine DSGVO konforme Lernplattform, auf der virtuelles Lehren und Lernen möglich ist, hätte dazu beitragen können, dass die Kontaktaufnahme und Interaktion zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern besser gelingt. Die Beschaffung von Leihgeräten, für alle Schülerinnen und Schüler zielte darauf ab, dass Schülerinnen und Schüler so wenig Lerninhalte wie möglich verpassen und die Unterschiede der Wissensstände innerhalb von Klassenverbänden so gering wie möglich ausfallen. All dies haben wir in einem Dringlichkeitsantrag (siehe hier) im Parlament gefordert. Die Koalition hat auch diesen abgelehnt.

Virtuelles Lehren und Lernen kann dabei jedoch immer nur als unterstützende Ergänzung verstanden werden. Sie ersetzt Präsenzunterricht, gerade in Grundschulen, da bin ich ganz Ihrer Meinung, natürlich nicht. Der von Ihnen vorgeschlagenen Verlängerung des Schuljahres (in Grundschulen) bis zum 31. Januar 2021 stehe ich jedoch kritisch gegenüber. Die jeweiligen Schulformen können nicht nur einzeln betrachtet werden. Eine Verlängerung des Schuljahres in Grundschulen hätte zu Folge, dass Abläufe in weiterführenden Schulen sowie Universitäten angepasst werden müssten. Außerdem müssten dringend notwendige und bereits geplante Bauvorhaben in Schulen verschoben werden. Der organisatorische Aufwand bei ca. 360.000 Berliner Schülerinnen und Schülern und ca. 40.000 Lehrerinnen und Lehrern und das Binden von Ressourcen für diesen, würde meiner Meinung nach in keinem guten Verhältnis zu dem Ertrag der Maßnahme stehen. Eine Einschätzung, die auch von den Expertinnen und Experten in den von uns veranstalteten "Fachgesprächen Bildung" geteilt wird. Protokolle von erfolgten Fachgesprächen können Sie hier abrufen.

Das fehlende Unterrichtsinhalte nachgeholt werden müssen, da stimme ich Ihnen aber ausdrücklich zu. Die Lehrpläne und Stundentafeln für das kommende Jahr einfach zu kürzen, wie von der Koalition vorgeschlagen, halte ich für falsch. Aus diesem Grund haben wir als CDU-Fraktion die Ausweitung der vom Senat angebotenen Sommerschule für alle bedürftigen Schülerinnen und Schüler gefordert (siehe hier). Für den Fall, dass die Sommerschule nicht ausreichen sollte oder es zu einer zweiten Welle kommt, haben wir außerdem ein Konzept entwickelt, das die temporäre Einführung von Samstagsunterricht an Berliner Schulen vorsieht, damit Lehrinhalte des zweiten Schulhalbjahres nachgeholt werden können (siehe hier) - ein Plan B, den Senatorin Scheeres bisher leider nicht entwickelt hat. Die Corona-Krise zwingt uns dazu, dass wir alle verfügbaren Ressourcen so effizient wie möglich nutzen und auch unbequeme Wahrheiten aussprechen. Samstagsunterricht ist sicherlich nicht populär, könnte aber notwendig werden, um fehlende Unterrichtsinhalte nachholen zu können, vor allem dann, wenn es wieder zu Schulschließungen kommen sollte, was ich natürlich nicht hoffe!

Ich möchte mich nochmals ganz herzlich für Ihre Kontaktaufnahme bedanken und würde mich über einen fachlichen Austausch in Zukunft freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Stettner

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