Frage an Dirk Niebel von Clarissa S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Generalsekretär,
in Ihrer bayerischen Tochtergesellschaft wird derzeit viel von Neo-Liberalismus gesprochen. So spricht ein Mitglied der Partei von "Man solle Neoliberalismus nicht mit Marktradikalismus verwechseln" ( http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/muskelspiele-hinter-klostermauern-61248.html ).
Aus diesem vielen "neo" kann ich nur vermuten, daß dies neudeutsches Sprech ist und für "neu" steht. Dabei bin ich jedoch dann etwas besorgt, warum die FDP nicht mehr für Liberalität und Liberalismus einsteht, sondern für einen Neo-Liberalismus. Vielleicht können Sie etwas inhaltliche Klarheit hineinbringen, ob die FDP noch eine liberale oder doch schon eine neo-liberale Partei ist und was das "neo" bedeutet (also Marktradikalismus wohl nicht, aber vielleicht z.B. Staatskapitalismus?). Und was ist mit den Fragen Bürgerrechte im Neoliberalismus: gibt es diese dann noch oder sind diese vorbei?
Herzlichst
Ihre Clarissa Saidle
Sehr geehrte Frau Saidle,
der Liberalismus bezieht seine Kraft aus zwei Ideen: Alle Menschen sollen gewisse Grundfreiheiten genießen, und sie brauchen Grundrechte, um von diesen Freiheiten Gebrauch machen zu können. Der Weg zur Durchsetzung der Grundfreiheiten und der dazu gehörenden Bürgerrechte war ein schwieriger Prozess. Rechtsstaat und Demokratie sind die Säulen der liberalen Ordnung. Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Unser heutiger freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat ist gegen schwerste Widerstände erkämpft worden. Unsere Grundrechte sind Freiheitsrechte, und die müssen immer wieder verteidigt werden. Heute geht es dabei auch um die Befreiung der Bürgerinnen und Bürger von Bevormundung durch den Wohlfahrtsstaat sowie um Entbürokratisierung und Steuer- und Abgabensenkungen für die Bürger und Unternehmen, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Ziel der FDP ist eine Ordnung der Freiheit. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal als Liberale. Die Neoliberalen waren diejenigen, die den Nachtwächterstaat abgelöst und die Spielregeln für das gesellschaftliche Zusammenleben entwickelt haben, welche dann durch den Staat als Schiedsrichter auf ihre Einhaltung überprüft werden sollen. Die schwarzen und die roten Sozialdemokraten sehen die Rolle des Schiedsrichters so, als ob der die Tore schießen muss. Die Reaktion im Stadion kann sich jeder gut vorstellen. Das Publikum wendet sich mit Grausen ab.
Die FDP setzt auf wirtschaftliche Vernunft. Das, was verteilt werden soll, muss zuerst einmal erwirtschaftet werden. Derjenige, der bedürftig ist, soll Hilfe bekommen, aber nicht der, der lieber auf Kosten der Allgemeinheit leben möchte. Die FDP wendet sich verstärkt an die in der Union und von der Union enttäuschten Anhänger der sozialen Marktwirtschaft. Aber auch an die von Gerhard Schröder verratene "neue Mitte" in der SPD. Was mit Union und SPD nicht geht, das geht mit uns. Wir sind das freiheitliche Gegengewicht zu allen anderen Parteien. Deutschland hat einen großen Gewinn davon gehabt, wenn die soziale Marktwirtschaft gepflegt wurde. Unter Schwarz-Rot kann davon nicht die Rede sein.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Niebel