Frage an Dirk Niebel von Erich H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werter Herr Niebel,
in Ihrer Partei sind auch viele ehemalige Mitglieder der LDPD der DDR, warum? Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass sie alle Entscheidungen in dem Unrechtsstaat mitgetragen haben. Sie waren nicht besser und nicht schlechter. Selbst habe ich nie erlebt, dass jemand dieser Partei gegen das Erschießen von Kindern und Jugendlichen an der innerdeutschen Grenze protestiert hat, auch nicht gegen den Einsatz von Splittergranaten am Zaun. Sie haben die geschichtliche Verdummung zur Kenntnis genommen, doch nicht mehr. Warum hat sich die LDPD der DDR, die ja jetzt Ihre Mitglieder im Bundestag sind, nicht dafür eingesetzt, dass das geraubte Eigentum der Juden zurückerstattet wird (während der DDR - Zeit)
Mit freundlichen Grüßen
E. Humplik
Sehr geehrter Herr Humplik,
wir haben nie bestritten, dass auch die Blockparteien das System der DDR gestützt haben. Bevor die FDP sich im August 1990 zur ersten gesamtdeutschen Partei zusammen geschlossen hat, hat sie lange darüber debattiert, ob eine Vereinigung überhaupt möglich ist. Die Protokolle der Präsidiums- und Bundesvorstandssitzungen wurden von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit aufgearbeitet und veröffentlicht. Gerade, weil führende West-FDP-Politiker wie Karl-Hermann Flach, Wolfgang Mischnick, Hans-Dietrich Genscher oder Burkhard Hirsch aus der LDPD kamen, wurden die Vereinigungsbedingungen besonders intensiv diskutiert und geprüft. Für alle Abgeordneten der FDP-Fraktion gibt es zu Beginn jeder Wahlperiode eine Überprüfung auf eine Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst.
Die LDPD war bis 1952 eine demokratische Partei und stand in dieser Zeit in Konkurrenz zur SED. Ihre Mitglieder wurden zum Teil verfolgt oder wie Arno Esch sogar hingerichtet. Sie hat sich dann mit dem System arrangiert und 1988 als erste der Blockparteien von der SED gelöst. Man muss sich auch in die Situation der Bürger versetzen, die bei nur graduell möglichen Unterschieden Alternativen und kleine Freiheiten gesucht haben. Selbst Matthias Platzek (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, war 1989 LDPD-Mitglied. Entscheidend ist, wie weit die Person aktiv für das System und gegen andere Mitbürger gearbeitet hat. Würde jemand ernsthaft Wolfgang Thierse (SPD) vorwerfen, dass er zunächst beim DDR-Kulturministerium und nachher bei der Akademie der Wissenschaft tätig war? Beide sind nicht gerade staatsferne Institutionen.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Niebel