Frage an Dirk Niebel von Franz R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Niebel,
ich habe ihren Beitrag bei YouTube zum Thema Mindestlöhne gesehen http://www.youtube.com/watch?v=ik3-k0hmWf4 . Darin kritisieren Sie den von der Bundesregierung beschlossenen Postmindestlohn und plädieren für ein Bürgergeld als bessere Alternative zum Mindestlohn. Auch ich kann mich mit der Idee eines Bürgergelds in vielen Punkte durchaus anschließen, es ist u.a. weniger bürokratisch und trotzdem gerechter.
Trotzdem verstehe ich nicht ganz wieso die FDP einen flächendeckenden Mindestlohn ablehnt.
Ich bin nun kein Fachmann in Wirtschaftsfragen (E-Technik Student) aber ich werde Ihnen mal versuchen, die Sache aus meiner Sicht zu schildern:
Der Sinn eines Mindestlohns sollte nicht sein Löhne gesetzlich festzulegen, aber er verhindert, dass Unternehmen Geschäftsstrategien fahren, die nur bei der Unterbezahlung ihrer Mitarbeiter funktionieren. Der Vorteil eines einheitlichen Mindestlohns ist, dass er eine Rahmenbedingung darstellt, die für alle gleich ist. Die von der FDP im Bürgergeld favorisierte negative Einkommenssteuer oder auch Kombilöhne verzerren jedoch den Wettbewerb da der Steuerzahler dann für Unternehmen einspringt, die ihren Arbeitern keine anständigen Löhne bezahlen. Das führt bei arbeitsintensiven Tätigkeiten zu Lohndumping, was zwar für niedrige Preise bei den Verbrauchern sorgt, aber wenn man dann wieder über Steuern Löhne finanzieren muss, läuft dass doch im Endeffekt auf eine indirekte Subvention bestimmter Branchen hinaus.
Und genau das möchte ja die FDP gerade nicht, oder?
Zum Postmindestlohn: Wenn die Pin-AG und Co nur „überleben“ können, wenn sie ihren Postzusteller Löhne bezahlen, die deutlich unter 10 Euro/Std liegen, muss man doch sagen, dass die DPAG recht gute Arbeit macht und keinesfalls ihre Monopolstellung, wie etwa die Stromkonzerne oder wie früher die Telekom missbrauchen. Wäre das nicht der Fall, würden sich ja Wettbewerber mit fairen Löhnen finden, dass ist ja gerade die Stärke eines freien Marktes!
MfG
Franz
Sehr geehrter Herr Rampp,
das Arbeitslosengeld II wirkt faktisch wie ein Mindestlohn, darunter wird niemand Arbeit annehmen. Durch einen Mindestlohn wird der Arbeitsmarkt im unteren Bereich noch weiter verriegelt. Liegt er unter dem Marktlohn, ist er wirkungslos, liegt er darüber, vernichtet er Arbeitsplätze. Gerade die vermeintlichen Gewinner eines Mindestlohns, die Geringverdiener, werden die Verlierer sein. Ihre Arbeitsplätze werden mit Mindestlohn so teuer, dass sie nicht mehr konkurrenzfähig sind. Einfache Arbeitsplätze werden abgeschafft, sie wandern dann ins billigere Ausland oder in die Schwarzarbeit ab.
Der Niedriglohnsektor, der doch eigentlich wachsen müsste, wird mit einer staatlich verordneten unteren Lohngrenze zurückgedrängt. Wenn Löhne nicht existenzsichernd sind, muss der Staat sie aufstocken, das macht er auch schon beim ALG II. Ein Stundenlohn, der mehr als ein Drittel unter dem ortsüblichen Vergleichslohn liegt, kann rechtlich belangt werden (§ 138 BGB). Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) arbeiten 11% aller Arbeitnehmer für weniger als 7,50 Euro in der Stunde. Nur 4% der Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von weniger als 7,50 Euro leben in einem Haushalt, der über keine weiteren Erwerbseinkommen und keine staatlichen Zuschüsse verfügt. Die meisten Kleinverdiener müssen, anders als es die Gewerkschaften unterstellen, nicht von diesen Löhnen existieren.
Und darüber hinaus: Was nutzt den Arbeitnehmern ein Bruttomindestlohn, der auf dem Papier steht, wenn ihnen durch Steuer- und Abgabenerhöhungen immer weniger netto in der Tasche bleibt? Eine durchschnittliche vierköpfige Familie hat aufgrund der Steuer- und Abgabenerhöhungspolitik in diesem Jahr 1.600 Euro weniger zur Verfügung als im letzten Jahr.
Die Tarifautonomie schützt nicht nur Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vor staatlicher Einflussnahme auf die Lohnfindung, sie bewahrt auch diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Bevormundung, die sich direkt über die Löhne einigen und keine Einmischung des Staates oder der Tarifparteien wünschen. Die Einführung von Mindestlöhnen bei den Briefzustellern stellt die Tarifautonomie infrage und ersetzt sie durch staatliche Lohnfestsetzung. Das Monopol der Post wird geschützt, die zusätzlich noch den Vorteil der Mehrwertsteuerbefreiung hat. Die Post zahlt keine Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent, während die Privaten die volle Mehrwertsteuerlast zu tragen haben. Ein solcher Kostenvorteil ist unfair. Dass Private dann versuchen, diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen, ist marktwirtschaftlich nachvollziehbar, wenn auch sozial falsch. Deswegen wäre es Aufgabe der Regierung, das Mehrwertsteuerprivileg aufzugreifen.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Niebel