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Dirk Niebel
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Frage von Jürgen O. •

Frage an Dirk Niebel von Jürgen O. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Hr. Niebel,

als ehemaliger Soldat ernenne ich Sie zum Fachmann für folgende Fragen:

Hr. Jung hat vielleicht/ angeblich schon 100% zuverlässige Piloten ausgesucht, die auf jedenfall den Ministerbefehl zum Abschuss von Flugzeugen ausführen. Das wirft mehr Fragen auf als beantwortet werden:
1. Haben wir Soldaten/ Offiziere die das Urteil des BverfG ignorieren oder nicht ausreichend auf das GG ausgebildet werden?
2. Werden Soldaten in Zukunft sozusagen zweigeteilt? In Treue dem Minister, oder dem Gesetz verpflichtend?
3. Wenn Soldaten bereit sind, sich dem Minister 100pro zu unterstellen, ohne das Urteil des BverfG zu berücksichtigen, wozu sind solche Soldaten u.U. dann noch bereit?
4. Nehmen wir mal an Hr.Jung hat Soldaten ausgesucht die seinem 100% Befehl folgen.
Wäre das nicht ein kleiner aber gefährlicher Schritt in Richtung paramilitärische Gruppe innerhalb der Armee?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
J. Oldenburg

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Oldenburg,

die FDP-Bundestagsfraktion will eine rationale Debatte zur inneren Sicherheit führen – frei von Hysterie, Übertreibung und Angstmacherei. Wir nehmen die Herausforderung des internationalen Terrorismus sehr ernst und sind bereit, auf dem Boden des Grundgesetzes konstruktiv über angemessene und sinnvolle Maßnahmen zu beraten. Wir sind aber nicht bereit, Bundesverfassungsgerichtsurteile zu missachten, das Abwägungsverbot in Bezug auf Menschenleben außer Kraft zu setzen und einer Amerikanisierung des deutschen Rechtes zum Beispiel mit Einführung eines Quasiverteidigungsfalles bei terroristischer Bedrohung Vorschub zu leisten.

Verteidigungsminister Jung behauptet, ein Abschuss sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch in Fällen gemeiner Gefahr oder der Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung möglich. Man hat den Eindruck, es hätte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegeben, dass es gegen Art. 1 und Art. 2 unseres Grundgesetzes verstößt, wenn ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug, in dem neben den Terroristen weitere Personen an Bord sind, abgeschossen werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass es schlechterdings undenkbar ist, dies gesetzgeberisch in Form einer Bestimmung zu regeln und damit eine gesetzliche Grundlage für einen Abschuss zu schaffen.

Die FDP hat gegen das Luftsicherheitsgesetz gestimmt, und wir haben auch das Bundesverfassungsgericht angerufen. Seitdem gibt es eine neue Situation: Wenn das Verfassungsgericht entschieden hat, dass etwas gegen die Verfassung verstößt, dann gilt das für jeden, auch für den Verteidigungsminister. Es mag einen übergesetzlichen Notstand geben, aber kein übergesetzlicher Notstand führt über die Verfassung hinaus. Der übergesetzliche Notstand hat den wesentlichen Charakterzug, dass er im Vorhinein nicht normiert werden kann. Das Abschießen von unschuldigen Menschen in Passagiermaschinen verstößt gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben. Man kann das Leben von Unschuldigen nicht gegeneinander abwägen oder gegeneinander aufrechnen

Weder die Mehrheit des Deutschen Bundestages noch die Mehrheit der Bundesregierung stehen hinter diesen Aussagen des Bundesverteidigungsministers. Solche Befehle sind rechtswidrig, und ein Minister darf solche Befehle seinen Soldaten nicht abverlangen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich an Recht und Gesetz hält und dass sie zur Verfassung steht. Die FDP-Bundestagsfraktion wird einen Missbilligungsantrag zu den Äußerungen des Verteidigungsministers in den Bundestag einbringen, den wir dem Deutschen Bundestag zur Abstimmung vorlegen. Dann werden wir sehen, wie die Regierungsfraktionen dazu stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Niebel