Frage an Dirk Niebel von Marlene W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Niebel!
Mit welchen konkreten Maßnahmen würden sie dafür Sorge tragen, dass die Kosten der Bankenrettung von den Verursachern (Banken, Investmentbanken, Zweckgesellschaften, Ratingagenturen etc.)erstattet und nicht der Allgemeinheit aufgelastet werden? Welche Gesetze/Verträge sind vorgesehen, dass die Unterstützungen zurückgezahlt werden; wie werden die reichen Kapitalbesitzer beteiligt, die vorher ja hohe Renditen eingesteckt haben. Oder planen sie eher eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder Kürzung der Ausgaben im Sozialbereich?
Worin liegen nach ihrer Meinung die Ursachen des Crashs.
Welche Maßnahmen haben sie ergriffen oder sich dafür eingesetzt - nach den akuten Notfallrettungen - um eine ähnliche Krise in der (nächsten) Zukunft zu vermeiden.
Freundliche Grüße
Marlene Werfl
Sehr geehrte Frau Werfl.
die letzte Mehrwertsteuererhöhung hat schon genug Wachstum, Wohlstand und Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Politik gekostet. Eine Mehrwertsteuererhöhung wird es mit uns nicht geben, wenn wir nach der Bundestagswahl die Politik in Deutschland wieder mit gestalten können.
Ziel jeder Regulierung am Finanzmarkt muss ein funktionsfähiger Wettbewerb sein. Die Marktteilnehmer müssen Vertrauen in das System haben können. Dieses Vertrauen ist derzeit verloren gegangen. Wir brauchen nicht mehr, sondern bessere Regelungen für den Finanzmarkt. Dabei müssen wir das Subsidiaritätsprinzip konsequent anwenden. Es bringt nichts, wenn gemeinschaftsrechtliche Regelungen getroffen werden, die nationale Besonderheiten ignorieren. Auf der anderen Seite bringt es nichts, wenn nationale oder europäische Alleingänge bei Produkten vorgenommen werden, die sich nur im globalen Rahmen regulieren lassen, wie das Beispiel Hedgefonds zeigt.
Bei der Finanzkrise handelt es sich nicht um eine Anlegerkrise, sondern in erster Linie um eine Kreditkrise. Eine beträchtliche Zahl von Anlegern hat erhebliche Teile ihres Vermögens mit Anlagen eingebüßt, die von Anlageberatern als sichere Anlageform bezeichnet worden waren. Immer wieder erleiden Anleger auf dem sog. grauen Kapitalmarkt, wie im Fall Phoenix, durch unseriöse Anbieter hohe Schäden. Die Krise bietet die Chance, Fehlentwicklungen im gesamten Bereich der Beratung und der Vermittlung von Finanzprodukten zu korrigieren und die Grundsätze guter Unternehmensführung bei börsennotierten Unternehmen zu verbessern. Dabei sind regulatorische Schnellschüsse und punktuelle Regelungen zu vermeiden. Es kann nicht darum gehen, dem Verbraucher die Risiken des Kapitalmarktes vollständig abzunehmen.
Finanzanlagen erhalten zunehmend Ersatzfunktion für staatliche Leistungen im Alter. Die erheblichen Unterschiede in der Regulierung von unterschiedlichen Finanzprodukten und Finanzvermittlern sind auf den Prüfstand zu stellen. Der Anlegerschutz gegen unseriöse Produktanbieter und Falschberatung sollte prinzipiell unabhängig davon gewährleistet werden, welches Produkt oder welcher Vertriebsweg vorliegt. Daher sollten alle Optionen geprüft werden, die zu mehr Konsistenz und Einheitlichkeit im Anlegerschutz führen. Anforderungen, die das Verhältnis Vermittler/Berater zum Kunden regulieren, sollten sich am konkreten Schutzbedürfnis orientieren. Je unabhängiger ein Vermittler von einem Produktanbieter agiert und damit zum Anwalt des Kunden wird, desto geringer stellt sich das Schutzbedürfnis des Kunden vor einseitiger Beratung dar. Die fachliche Qualität aller Berater und Vermittler muss unabhängig von der Art des Vertriebs gewährleistet sein, dies ist der Schlüssel zu besserer Beratung. Es sollte nicht länger hingenommen werden, dass der Vertrieb von komplexen Finanzprodukten in Teilbereichen des Marktes ohne jegliche Qualifikation möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Niebel