Frage an Dirk Marx von Lisa S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Im Juli haben in Washington die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA begonnen. Finden Sie, daß es das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie stärkt, wenn das der EU-Kommission erteilte, auf 18 Seiten schriftlich formulierte Verhandlungsmandat zum Geheimdokument erklärt wurde und der EU-Bevölkerung und selbst den Abgeordneten des Europa-Parlaments vorenthalten wird?
Findet es Ihre Zustimmung, dass nach diesem Abkommen Unternehmen ein Klagerecht gegen Staaten auf Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe ermöglicht würde, wenn Unternehmen ihre Gewinnerwartungen durch gesetzliche Vorgaben – wie z.B. bei der Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall - geschmälert sehen? Finden Sie es richtig, daß nach dem Willen der Bundesregierung und der Regierungen der anderen EU-Länder Schiedsgerichte aus wenigen Wirtschaftsjuristen, also nicht aus Personen, die über die Befähigung zum Richteramt verfügen und demokratisch legitimiert sind, zusammengesetzt sind, über solche weitreichenden Schadenersatzklagen zu entscheiden hätten? Würde unser Rechtssystem und damit die Demokratie nicht schwer beschädigt, wenn sich die EU-Staaten, wie es vorgesehen ist, den Entscheidungen dieser Schiedsgerichte unterwerfen und auf jede Berufungsmöglichkeit verzichten?
Sehr geehrte Frau Schlüter,
ich halte ein Freihandelsabkommen zwsichen der EU und den USA für richtig und lange überfällig. Im Zuge dieses Abkommens wird die größte Freihandelszone der Welt entstehen, woraus ein wirtschaftlicher Wachstumsschub resultieren wird.
Eine gewisse Geheimhaltung der Verhandlungen ist unabdingbar, um diese zielgerichtet führen zu können. Die Kommission wird weiterhin den Kontakt mit der Wirtschaft, Handelsverbänden, Verbraucherorganisationen sowie anderen Vertretern der Zivilgesellschaft pflegen und die Mitgliedsstaaten sowie das Europäische Parlament unterrichten. Letztlich werden auch die Mitgliedsstaaten im Rat und das direkt gewählte europäische Parlament über das Abkommen abstimmen.
Ein Klagerecht von Unternehmen halte ich für sinnvoll, um europäische Investoren im Ausland zu schützen. Die Einbeziehung von der Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in das Freihandelsabkommen, wird weder Regierungen davon abhalten, Gesetze zu erlassen, noch dazu führen, dass Gesetze aufgehoben werden. Auch innerhalb der EU finden staatliche Regulierungen statt, welche nicht angefochten wurden. So arbeitet die Union daran, dass wirkliches und richtiges Regulierungshandeln nicht erfolgreich durch Unternehmen angefochten werden kann, gleichzeitig Unternehmen jedoch auch vor unverhältnismäßiger staatlicher Regulierung geschützt sind.
Die Einsetzung von Schiedsgerichten dient der Beilegung von Konflikten und ist somit unabdingbar. Die dort agierenden Juristen sollten rein nach ihrer Befähigung ausgewählt werden. Eine vollkommen demokratische Legitimierung dieser Schlichter ist derzeit noch nicht möglich. Doch die EU arbeitet an Vorschriften, eben jene unter staatliche Aufsicht zu stellen sowie die Schlichter an einen Verhaltenskodex zu binden. Die meiner Meinung nach idealste Lösung wäre die Berufung der Richter in der Art, wie die obersten Gerichtshöfe in Deutschland besetzt werden. Hier entscheidet der zuständige Bundesminister zusammen mit einem Richterwahlausschuss, bestehend aus Landesministern und vom Bundestag gewählten Mitgliedern. Durch ein solches Verfahren auf EU-Ebene kann das von Ihnen genannte Problem demokratischer Legitimation gelöst werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Marx