Frage an Dirk Kienscherf von Detlef B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Kollege Kienscherf
zum Thema Zwangsverrentung jetzt Neu ab 63 Jahren (gilt ja nur für Pers., welche mindestens 48 Monate vorher gearbeitet haben), welche Auswirkungen wird das auf benachteiligte behinderte Menschen haben? Ist das Hamburger Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen ausreichend?
Was will die SPD Neues erreichen? In vielen Bereichen hatten wir doch eine Große Koalition, oder?
Für eine Antwort wäre ich dankbar
mfg
Detlef Baade
Sehr geehrter Herr Baade,
vielen Dank für ihre Fragen, die ich wie folgt beantworten möchte:
Ihre erste Frage betrifft die Bundesebene und fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Hamburgischen Bürgerschaft. Gleichwohl betrifft sie die Lebenssituation Hamburger Bürgerinnen und Bürger.
Wie sie wissen, hat die Bundesregierung mit dem 7. SGB III-Änderungsgesetz die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für über 50-Jährige verlängert sowie beschlossen, eine Verrentung älterer Arbeitslosengeld II-Bezieher künftig nicht ab dem 60. sondern erst ab dem 63. Lebensjahr erfolgen kann. Letzteres halte ich für einen Erfolg. Ob es weitere Veränderungen geben wird, ist bis heute nicht geklärt.
Nach dem neuen Gesetz erhalten Arbeitslose ab 50 Jahren das am letzten Einkommen orientierte Arbeitslosengeld I künftig bis zu 15 Monate. Bisher waren höchstens zwölf Monate möglich. Für über 55-Jährige soll eine Verlängerung auf 18 und für über 58-Jährige – also auch z.B. 61-jährige - auf 24 Monate gelten.
Wie sie ebenfalls wissen, gibt es für Menschen mit Behinderungen hinsichtlich des Renteneintrittsalters gesonderte Regelungen.
Daher sind Menschen mit Behinderungen eher nicht von der Neuregelung betroffen, wie dies auch der Sozialverband Deutschland in seiner Stellungnahme ausführt:
„Ferner wird die Problematik mit der Einschränkung der Zwangsverrentung auf Hilfebedürftige ab 63 Jahren nur für einen Teil der Betroffenen entschärft. *Denn ein Renteneintritt mit 60 Jahren ist im Regelfall nur über die Altersrente für Frauen und die Altersrente für schwerbehinderte Menschen möglich.“
*Auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen hat Anspruch, wer
- das 60. Lebensjahr vollendet hat,
- bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderter Mensch (§ 2 Abs. 2 SGB IX) anerkannt ist und
- die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt hat.
Schwerbehinderte Menschen im Sinne § 2 Abs. 2 SGB IX sind Personen deren Grad der Behinderung mindestens 50% beträgt.
Um diese Rente als Vollrente zu erhalten, ist es notwendig, dass eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit aufgegeben wird oder künftig nicht mehr als 345.00 EUR monatlich hinzuverdient werden. Werden die 345.00 EUR überschritten, kann die Rente als Teilrente gezahlt werden. Ist der Ehepartner selbstständig, ist ein Nachweis notwendig, dass keine Innengesellschaft (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) vorliegt.
Bei dieser Rentenart wird die Altersgrenze seit dem 1.1.2001 für Versicherte, die nach dem 31.12.1940 geboren wurden, in monatlichen Schritten von der Vollendung des 60. Lebensjahres auf die Vollendung des 63. Lebensjahres angehoben. Eine vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist frühestens ab Vollendung des 60. Lebensjahres möglich. Für jeden Monat des vorzeitigen Altersrentenbezugs ergibt sich eine Rentenminderung im Umfang von 0,3% des Rentenzahlbetrags.
Vertrauensschutz
Versicherte, die zu den sogenannten rentennahen Jahrgängen gehören, können sich auf einen Vertrauensschutz bei der Anhebung der Altersgrenze berufen, wenn sie
- vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und mindestens 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt haben (Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren zählen hierbei jedoch nicht mit) oder
- bis zum 16.11.1950 geboren sind und am 16.11.2000 schwerbehindert, berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht waren.
Der Vertrauensschutz bewirkt, dass eine Anhebung der Altersgrenze nicht erfolgt - die Rente kann also mit 60 Jahren ungekürzt in Anspruch genommen werden.
Zudem ist darüber hinaus zu beachten, dass das durchschnittliche Zugangsalter in die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lag 2003 für Frauen in Deutschland bei 49,2 Jahren, für Männer bei 50,7, in den ostdeutschen Ländern noch darunter (Frauen 48,8 Jahre, Männer 49,8). Damit ist das Renteneintrittsalter wegen Erwerbsminderung seit 1993 sowohl bei ost- als auch bei westdeutschen Frauen kontinuierlich gesunken, ebenso bei westdeutschen Männern.
2. Hamburger Gleichstellungsgesetz
Das Hamburger LBGG ist ein wichtiger Schritt zur mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderungen in Hamburg. Wie sie wissen, was es die SPD-Fraktion, die den Prozess zur Formulierung und Verabschiedung des Gesetzes vorangetrieben und eigene Inhalte durchsetzen konnte.
So wurde neben der Möglichkeit des Verbandsklagerechts beschlossen, dass alle zwei Jahre der Hamburgischen Bürgerschaft ein Umsetzungsbericht sowie ein Bericht über die Lage der Menschen mit Behinderungen in Hamburg vorzulegen ist. Dieser Bericht wird vom Senatskoordinator für Gleichstellung und dem neuen Landesbehindertenbeirat formuliert. Ich denke, damit wurde ein wirksames Instrument geschaffen, um auf Unzulänglichkeiten aufmerksam machen und Verbesserungen herbeiführen zu können.
Ziel des Gesetzes ist die Schaffung einer umfassenden Barrierefreiheit in Hamburg. Gerade im Bereich der baulichen Gestaltung von Gebäuden und Plätzen, der Kommunikation und des Verkehrs ist hier noch eine Menge zu tun.
Die SPD-Fraktion setzt sich für eine barrierefreie Gestaltung des Rathauses ein (eine Arbeitsgruppe auf Parlamentsebene wird nun eingesetzt) ein, wir wollen den barrierefreien Ausbau des HVV vorantreiben (10 Haltestellen pro Jahr) und die Mitnahme von mehreren Rollstühlen in Bussen kurzfristig wieder ermöglichen. Im Bereich der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik werden wir eine Integrationsoffensive starten.
Grundsätzlich gibt es in der Politik für Menschen mit Behinderungen zwischen SPD und CDU keine Gemeinsamkeiten.
Gruß
Dirk Kienscherf