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Dirk Kienscherf
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Frage von Jörg R. •

2.236 Fälle von Mord und Totschlag 2022 in D - was bringt ein Verbot des Sportwaffenbesitzes an signifikanter Veränderung?

Sehr geehrter Herr Kienscherf,
hier in Abgeordnetenwatch stellen Sie die Forderung "ein deutlich schärferes und einheitliches Waffenrecht". Was bringt ein noch schärferes Waffenrecht (angestrebtes Sportwaffen-Besitzverbot), wenn das bestehende schon nicht ausreichend umgesetzt wird, bzw. eklatantes Polizei- und Behördenversagen zu derartigen Vorfällen wie in Hanau, Hamburg oder Bad Lauchstädt beiträgt? Ist dieser ganze Aktionismus gegen Sportschützen und Legalwaffenbesitzer gar ein gigantisches Ablenkungsmanöver um diese Fehler zu kaschieren? Einfache Antworten für das "einfache Volk"?
Im Jahr 2022 ereigneten sich laut IMK-Kriminalstatistik 2.236 Fälle von Mord, Totschlag usw. - eine Steigerung zu 2021 von 6%.
Wie signifikant wird sich hier ein Verbot des Besitzes von Sportwaffen nach Ihrer Expertise auswirken - bei den wenigen Einzelfällen, die politisch und medial jedoch hochgekocht werden?
Für Ihre fundierte Antwort bedanke ich mich schon im Voraus.

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Sehr geehrter Herr R.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.

Ob im Fall der Amoktat in Hamburg ein Behördenversagen vorliegt, wird noch ermittelt und wird auch noch Teil der Arbeit des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft sein.  Die Ergebnisse dieser Aufarbeitungen sind abzuwarten. Deshalb kann ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend äußern. 

Dennoch stimme ich Ihnen zu, dass geltendes Recht durchgesetzt werden muss. Länder und Kommunen müssen deshalb dringend für eine angemessene Ausstattung der Waffenbehörden und für die zügige Digitalisierung der Prozesse sorgen. Das ist uns bewusst. Deshalb haben wir trotz der schwierigen Haushaltslage auch in den letzten Jahren deutlich das Personal der Sicherheitsbehörden aufgestockt und in die Ausrüstung und Ausstattung der Sicherheitsämter investiert. Bei uns in Hamburg ist die Waffenbehörde Teil der Polizei.

Neben der Verbesserung der personellen Ausstattung der Sicherungsbehörden und der Vollzugsprozesse sehe ich aber ganz klar die Aufgabe, Regelungsdefizite zu beheben. Furchtbare Anschläge wie jetzt am 9. März in Hamburg, aber auch in Hanau und Kassel sowie die Ausschreitungen in der Silvesternacht mit Schreckschusspistolen zeigen doch, dass das Waffenrecht in Deutschland auf den Prüfstand gehört. Die Vorschläge zur Änderung des Waffenrechts sollen Regelungslücken schließen. Wir wollen, dass die psychologische Eignung zum Waffenbesitz jeder Antragstellerin und jedes Antragstellers eingehender überprüft wird. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass fortan alle Antragsteller:innen verpflichtet werden, ein psychologisches oder fachärztliches Gutachten vorzulegen. Außerdem sollen die Waffenbehörden künftig neben Polizei und Sicherheitsbehörden auch bei Gesundheitsbehörden abfragen, ob dort Bedenken im Hinblick auf die persönliche Eignung des Antragstellers vorliegen. Der Besitz von Schreckschuss-, Reizgas oder Signalwaffen (SRS-Waffen) soll künftig einen Kleinen Waffenschein inklusive Sachkundennachweis erfordern, gleiches gilt für Armbrüste. Um zu verhindern, dass Extremisten an Schusswaffen ausgebildet werden, soll zudem die Nutzung von Schießstätten stärker reguliert werden. Alle geplanten Maßnahmen dienen einem Ziel: Die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, indem Waffen nicht in unbefugte Hände geraten.

Das deutsche Waffenrecht ist eines der strengsten der Welt. Einzelfälle zeigen aber, dass es dennoch Regelungsdefizite bei Besitzern legaler Waffen gibt - zuletzt die furchtbare Amoktat in Hamburg. Hier hätte möglicherweise ein ärztliches Gutachten zum Verwehren der waffenrechtlichen Erlaubnis geführt. Diese Defizite im Gesetz soll die geplante Verschärfung des Waffenrechts durch das Bundesministerium für Inneres nun schließen. Insgesamt geht es also nicht um entweder oder, sondern um sowohl als auch.

Menschen unter 25 Jahren müssen schon heute ein amtsärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen, wenn sie einen Waffenschein erwerben wollen. Es gibt keinen guten Grund, warum dies auf junge Menschen beschränkt sein sollte. In Deutschland eine Waffe zu besitzen und sie für private Zwecke beim Schießsport oder bei der Jagd einzusetzen, muss stets mit der Verantwortung gegenüber der Gesamtgesellschaft im Einklang sein. Die öffentliche Sicherheit und die Sicherheit jedes und jeder Einzelnen sind hohe Güter, die zu schützen sind. Daher sind Maßnahmen, die diesem Schutz dienen, nicht stigmatisierend und Aktionismus, sondern gerechtfertigt. Der Waffenbesitz ist die Ausnahme, nicht die Regel.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik unterscheidet bisher nicht nach Straftaten mit legalem und illegalem Waffengebrauch. Daher ist eine Aussage hierzu noch nicht möglich. Dies wird künftig geändert, so dass nach legalen und illegalen Waffen differenziert wird. Damit wird eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages auf Bundesebene umgesetzt. Das Bundeskriminalamt und die Polizei der Länder haben mit der Vorbereitung der Anpassung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik bereits begonnen.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Kienscherf

 

 

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