Frage an Dirk Fischer von Malte V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fischer,
Ihre Partei steht trotz der Proteste aus der Bevölkerung sowohl in Baden-Würtemberg als auch auf Bundesebene weiter zum Projekt Stuttgart 21. Die Argumentation Ihrer Partei basiert darauf, dass das Projekt vor vielen Jahre demokratisch legitimiert wurde und daher jetzt - anscheinend auch unter Einsatz von Knüppeln und Pefferspray - durchgesetzt werden muss.
Ich denke unstrittig ist, dass sich, neben anderen Parametern, z.B. die voraussichtlichen Baukosten seit der dem Start des Projektes Stuttgart 21 deutlich erhöht, je nach dem welcher Quelle man glauben will sogar verdoppelt haben. Die Rahmenbedingungen für die ursprünglich getroffene Entscheidung haben sich also mittlerweile deutlich geändert - trotzdem hält die CDU hier eine erneute Diskussion nicht für notwendig.
Gleichzeitig allerdings ist die CDU dabei den Atomausstieg rückgängig zu machen, da sich hier neue Rahmenbedingungen ergeben hätten. Dieser wurde 2002 - ebenso demokratisch legitimiert - beschlossen.
Wie stehen Sie zu beiden Themen und vor allem, wie können Sie es vereinbaren, dass bei Stuttgart 21 an einer festgehalten wird, während eine so folgenreiche Entscheidung wie der Atomausstieg kurzfristig revidiert wird?
Mit freundlichen Grüßen,
Malte Vahlenkamp
Sehr geehrter Herr Vahlenkamp,
vielen Dank für Ihre Frage zum Bahnprojekt „Stuttgart 21“ und zu den geplanten längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke.
Dass „Stuttgart 21“ demokratisch legitimiert wurde, ist nicht der einzige Grund, warum die CDU und zahlreiche Bürger das Projekt unterstützen. In erster Linie geht es darum, dass das Bahnprojekt für die Zukunft des Lebens-, Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Baden-Württemberg eine überragende strategische Bedeutung hat, denn die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes steht und fällt mit der Qualität seiner Infrastruktur. Eine hochleistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist besonders für das exportabhängige Baden-Württemberg ein entscheidender Erfolgsfaktor im Standortwettbewerb.
Die Kosten des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ in Höhe von ca. 4,1 Milliarden Euro wurden nach sorgfältiger Planung und unter Einbeziehung der allgemeinen Preissteigerung während der Bauzeit errechnet. Ein Risikotopf deckt unwahrscheinliche Kostensteigerungen bis zur Höhe von 4,5 Milliarden Euro.
Der Grund für die geplanten längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke sind nicht neue Rahmenbedingungen. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP verfolgt das Ziel, die Kernenergie durch erneuerbare Energie zu ersetzen. Das ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Bis die regenerative Energie die Kernenergie verlässlich und zu vertretbaren Kosten ersetzen kann, wird diese als Brückentechnologie noch benötigt. Die Betreiber der Kernkraftwerke sollen an den Kosten des ökologischen Umbaus beteiligt werden: Die Brennelementesteuer wird die Gewinne der vier großen Energieversorger um insgesamt 2,3 Milliarden Euro bis 2016 schmälern. Ergänzend werden die Energieversorger weitere 1,4 Milliarden Euro in einen Fonds zahlen. Ab 2017 werden sie dann neun Euro je megawattstunde Atomstrom, der aus der Laufzeitverlängerung resultiert, in den Fonds abführen. Aus diesem Fonds werden Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und Investitionen in erneuerbare Energien gefördert.
Für die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke spricht außerdem, dass Kernenergie CO2-neutral ist. In Deutschland vermeidet der Atomstrom jährlich circa 100 bis 150 Millionen Tonnen CO2.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer