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Frage von Jürgen B. •

Frage an Dirk Becker von Jürgen B. bezüglich Finanzen

Guten Tag,

wie ist es zu Rechtfertigen, das sich die Abgeordneten eine Erhöhung von knapp 8% genehmigen?
Ich selbst arbeite als leitenden Angestellter in einer Druckerei und habe nach dem Austritt der Geschäftsführer aus dem Arbeitgeberverband keine Gehaltserhöhung mehr erhalten, das heißt 6 Jahre ohne Gehaltserhöhung, dazu werden Mehrstunden nur unzureichend vergütet, höchstens in Freizeit, natürlich ohne Zuschläge. Viele andere Arbeitnehmer mussten auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten..... und es wird auch zur gängigen Praxis für Gehaltserhöhungen die Vergütung von Mehrstunden zu streichen...
Das ist kein Einzelfall sondern die gängige Praxis!! Selbstverantwortung der Bürger wird verlangt, das heißt nichts anderes wie selbst Verantwortung zu übernehmen und zwar für Dinge die sonst durch Steuermittel verauslagt wurden. Wo bleibt die Selbstverantwortung der Mitglieder des Deutschen Bundestages? Die Mehrkosten betragen ca. 2,9 Mio Euro im Jahr!! Wie ist das moralisch zu verantworten?? In den Medien wird bekannt gegeben, dass jedes vierte Kind kein Essen mit zur Schule bekommt... wievielen bedürftigen Kindern für diese 2,9 Mio. Euro täglich eine kleine Mahlzeit in Kindergärten und Schulen ermöglicht werden könnte.
Ich bitte Sie mir den Sachverhalt bitte einmal zu erklären. Und bitte keine üblichen Flosken in denen es um eine allgemeine Preissteigerung der Lebenshaltungskosten geht, denn die hat jeder Bürgen auch zu tragen und die Bürger erhalten keine Einkommenserhöhung von ca. 8% innerhalb 2 Jahren! Wo bleibt in so einer weitreichenden Entscheidung die Meinung und die Billigung, Befragung der Bürger????? Wie wollen Sie einem Hartz4 Empfänger oder einem Rentner der am Existensminimum lebt eine solche Erhöhung vermitteln??? Ein Gedanke von mir ist der Griff in die Kasse des eingesetzten Geschäftsführeres... und der wenigere Umsatz wird dann durch Gehaltskürzungen, oder wegfall von Leistungen der anderen Beschäftigten wieder weg gemacht....

Jürgen Betsch

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Herr Betsch,

ich danke Ihnen sehr für Ihre Frage nach der Berechtigung der Diätenerhöhung für Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die Diäten oder wie es im Grundgesetz heißt die „Entschädigung“ der Abgeordneten sind eine demokratische Errungenschaft. Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Wir brauchen daher eine angemessene Abgeordnetenentschädigung.

Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Wahlberechtigte in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die über die Auslandseinsätze deutscher Soldaten entscheiden müssen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu beschließen haben?

Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durchs Gesetz festgelegt werden muss. Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission oder die automatische Anpassung der Entschädigung ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden. Selbst über die Höhe des einem zustehenden Geldes zu entscheiden, ist nicht unproblematisch. Nicht zuletzt deshalb hat es in den vergangenen 10 Jahren 5 Nullrunden für die Abgeordneten gegeben.

Das Bundesverfassungsgericht hat daran erinnert, dass die Abgeordnetenentschädigung von Zeit zu Zeit an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden muss. Der Bundestag hat daher 1995 eine Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6.

Gegenwärtig erhalten die Abgeordneten eine Entschädigung, die geringer ist als gesetzlich vorgesehen. Als die Vergütung für B6 und R6 nach den Tarifrunde 2008/2009 und der Tarifrunde 2010/2011 angehoben wurde, haben die Abgeordneten auf eine Erhöhung ihrer Entschädigung verzichtet. Die Entschädigung der Abgeordneten entspricht derzeit dem Niveau von B6/R6 aus dem Jahr 2007.

Um die Abgeordnetenentschädigung wie gesetzlich vorgesehen an die Vergütung von B6/R6 anzupassen, wurde entschieden, die Entschädigung von jetzt 7.668 Euro in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2012 und zum 1.Januar 2013 wird die Abgeordnetenentschädigung um jeweils 292 Euro angehoben. Im Jahr 2013 wird die Abgeordnetenentschädigung dann 8.252 Euro betragen und damit dem Stand von B6/R6 im Jahr 2010 entsprechen.

Außerdem wird eine unabhängige Kommission beim Deutschen Bundestag eingesetzt, die bis Ende der laufenden Wahlperiode ein Verfahren empfehlen soll, wie die Diäten künftig angepasst werden und wie die Altersversorgung künftig geregelt werden kann.

Auch im internationalen Vergleich sind die deutschen Diäten moderat: Gemessen an der Zahl der Einwohner, die ein Abgeordneter vertritt, liegen die Diäten auch nach der Erhöhung im unteren Drittel in Europa. Insgesamt machen die Diäten übrigens nach dieser Erhöhung einen Betrag von nur 0,75 Euro pro Einwohner und Jahr aus.

Insgesamt handelt es sich um eine zurückhaltende Diätenerhöhung. Im Durchschnitt steigen die Diäten von 2010 bis 2013 jedes Jahr um 1,9 Prozent. Das ist auch im Vergleich zu aktuellen Tarifabschlüssen moderat und absolut vertretbar: So wurde erfreulicherweise in der Chemischen Industrie eine Tariferhöhung von 4,1 Prozent zum April 2011 vereinbart, im Baugewerbe steigen die Löhne und Gehälter und Gehälter dieses Jahr um 3,0 Prozent und bei Volkswagen wurde eine Erhöhung von 3,1 Prozent zum Mai 2011 erreicht.

Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung müssen die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern. Dabei wird es auch bleiben.

Ich halte es im Übrigen für falsch, die Bezüge der Abgeordneten an den Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, so wie Sie sie beschreiben, zu orientieren. Die SPD will gute Arbeit und faire Löhne für alle. Dafür brauchen wir starke Arbeitnehmervertretungen, flächendeckende Mindestlöhne und eine solidarische Bürgerversicherung.

Ich habe die Hoffnung, dass ich mit meinen Hinweisen für etwas Klarheit sorgen konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Dirk Becker, MdB