Dietrich Herrmann
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Dietrich Herrmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Rainer L. •

Frage an Dietrich Herrmann von Rainer L. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Dr. Herrmann,

wie ist Ihre persönliche Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Locke

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Locke,

ich möchte mich einsetzen für eine Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird und in der alle ihre Chancen zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten bekommen. Das können wir erreichen durch eine grüne Sozialpolitik, die Selbstbestimmung, Teilhabe und eine verlässliche materielle Absicherung gleichermaßen anstrebt.

Der Abstand zwischen diesen Zielen und der Wirklichkeit vor Ort hat sich vergrößert - auch durch Entscheidungen der großen Koalition. Dem arbeiten wir entgegen.

Bündnis 90/Die Grünen wollen soziale Bürgerrechte stärken. Der ungebrochene Zuwachs an Verfahren vor den Sozialgerichten und die Tatsache, dass beinahe die Hälfte der Verfahren zugunsten der Kläger entschieden werden, verdeutlichen eines: Selbst gesetzlich festgeschriebene soziale Rechte werden immer öfter im Verwaltungsverfahren missachtet.

Was wir als Bündnisgrüne wollen:

Bildung verbessern. Armut beginnt früh - schon dann, wenn Kinder wenig Chancen auf Bildung und Entwicklung haben. Zugang zu Bildung ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wir setzen auf Bildung und bessere Betreuung von frühester Kindheit an. Wir wollen mehr in Bildung investieren, mehr Ganztagsschulen einrichten und unser Bildungssystem durchlässiger machen.

Geringe Einkommen stärken Mindestlöhne. Wer arbeitet, muss von seinem Einkommen leben können. Mindestlöhne sind notwendig, um Lohndumping Einhalt zu gebieten. (s.a. Argu-Hilfe Mindestlohn) Progressiv-Modell. Für Menschen mit geringen Einkommen gibt es zwar geringere Steuersätze, aber keine vergleichbaren Regelungen bei den Beitragssätzen zur Sozialversicherung. Das ist ungerecht und ein Grund für das hohe Armutsrisiko von Geringverdienenden. Konkret wollen wir die Abgaben bei einem Einkommen von z.B. 1000 Euro auf 14 Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer absenken Regelsätze für Erwachsene und Kinder - die Teilhabe sichern. Der Regelsatz für Erwachsene soll in Zukunft 420 Euro betragen. Dieser Betrag orientiert sich an einem Gutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Dieser Betrag muss in einem transparenten Verfahren unter Beteiligung der Wohlfahrtsverbände regelmäßig angepasst werden. Der Bedarf von Kindern muss eigenständig ermittelt, die Regelsätze müssen ebenfalls angehoben werden. Notwendig sind Regelsätze für Kinder und Jugendliche, die ihren tatsächlichen entwicklungsbedingten Bedarf decken. Wir setzen uns für eine Kindergrundsicherung ein, die jedes Kind entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse fördert - damit jedes Kind, egal welcher Herkunft, eine Zukunft bekommt. Mit der Kindergrundsicherung wollen wir Leistungen der Ehe- und Familienförderung bündeln und auf die Kinder konzentrieren. Für alle Kinder soll, unabhängig von der Familienform, das Existenzminimum gesichert werden.

Soziale Bürgerrechte: Wirkliche Balance zwischen Fördern und Fordern erreichen. Die schematische Fallbearbeitung in den Jobcentern mittels EDV-Masken muss einem qualifizierten, individuellen und umfassenden Fallmanagement weichen. Die große Koalition aus SPD und CDU/CSU hat das Fordern zulasten des Förderns in den Vordergrund gestellt und die Sanktionen deutlich verschärft. Sowohl Scheinangebote zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft als auch Sanktionsandrohungen und -automatismen darf es in Zukunft nicht mehr geben. Wir wollen weg von der Unkultur des Misstrauens und des Sanktionierens. Dafür müssen Hilfebedürftige und ihre Angehörigen im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) in ihren Rechten gestärkt werden. Die Hilfebedürftigen müssen zukünftig das Recht haben, zwischen Maßnahmen zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Auf dieses Recht müssen sie im Erstgespräch hingewiesen werden. Eigene Vorschläge der Hilfebedürftigen müssen Priorität in der Hilfeplanung haben. Die Ausübung von bürgerschaftlichem Engagement muss anerkannt werden. In Zukunft sollen Hilfebedürftige die Möglichkeit haben, den persönlichen Ansprechpartner auf ihren Wunsch einmalig zu wechseln. Bei allen Trägern des SGB II sollen unabhängige Ombudsstellen eingerichtet und finanziell abgesichert werden, die in Konfliktfällen zwischen Hilfebedürftigen und Trägern vermitteln.

Der Grundbedarf, der für eine Teilhabe an der Gesellschaft notwendig ist, darf nicht durch Sanktionen angetastet werden. Wird Fähigkeiten, Wünschen und Vorschlägen der Einzelnen nicht Rechnung getragen und besteht keine Wahl zwischen verschiedenen Förderangeboten, dürfen keine Sanktionen verhängt werden (Sanktionsmoratorium). Widerspruch gegen die Verhängung einer Sanktion muss in Zukunft aufschiebende Wirkung haben. Anrechnung von Partnereinkommen abschaffen. Die Existenzsicherung muss langfristig vollständig individualisiert werden. Dieser Prozess muss von der Individualisierung anderer Systeme wie der Einkommensteuer sowie der Kranken- und Rentenversicherung begleitet werden.

Ein "Altersvorsorgekonto" einführen. Das Konto soll als "Dach" für alle Sparformen, also z. B. für Betriebsrenten, Riester-Renten, Fondsanteile oder Bundesschatzbriefe dienen. Das erleichtert den Wechsel von einem Arbeitgeber zum anderen oder auch in Ausbildung und Selbstständigkeit. Maximal 3.000 Euro der Einzahlungen auf das grüne Altersvorsorgekonto sollen pro Jahr steuerfrei sein, ebenso sämtliche Erträge. Guthaben auf dem Altersvorsorgekonto sollen vor der Anrechnung auf Hartz-IV-Leistungen geschützt sein.

Vor Überschuldung schützen. Wir wollen die Privatinsolvenz und damit einen finanziellen Neustart erleichtern - zum Beispiel durch mehr Schuldnerberatungen. Wir wollen Verschuldung vorbeugen - zum Beispiel durch schärfere Regeln für die Kreditvergabe. Und wir wollen das Leben mit Überschuldung erträglicher machen - zum Beispiel durch ein Recht auf ein Girokonto auf Guthabenbasis.

Mir ist wohl bewusst, dass auch das von uns vorgesehenen Mindestsummen alles andere als üppig sind. Ich halte es jedoch für verantwortungslos, mich in einen Wettbewerb darum zu begeben, wer die höchsten Sozialleistungen verspricht, ohne dass klar wird, wie das Geld jetzt und auch auf Dauer aufgebracht werden kann (Dasselbe gilt spiegelverkehrt selbstverständlich für die haltlosen Steuersenkungsversprechen von FDP und Union).

Sehr geehrter Herr Locke,

auf Ihre recht allgemein gefasste Frage zunächst also eine eher allgemeine, zumindest in Knappheit umfassende Antwort.

Für weitere Fragen zu diesem oder anderen Themenkomplexen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Besten Dank für Ihr Interesse!

Herzliche Grüße,

Ihr
Dietrich Herrmann