Frage an Dietmar Nietan von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Niethan,
leider haben Sie keine einzige Frage vom 5.2.14 beantwortet,sondern nur Ihre Sicht der Dinge dargestellt,nach der aber nicht gefragt war! Also warum durfte der gewählte Präsident Janukowitsch keine Gewalt gegen gewalttätige Demonstranten anwenden,während die jetzige Regierung sogar militärisch mit Billigung der EU gegen die eigene Bevölkerung vorgeht und durch Artilleriebeschuß u. Luftangriffe auf Städte und Dörfer den Tod von Zivilisten in Kauf nimmt,wie fast jeden Tag in allen Medien berichtet wird!Warum setzte sich Janukowitsch ins Exil ab?Lag das an den gewaltbereiten Demonstranten? Warum hat sich die Gegenseite nicht an das mit Steinmeier ausgehandelte Abkommen gehalten?Warum durfte Janukowitsch das EU-Assoziierungsabkommen nicht ablehnen?Was tun die USA, die EU, um die „bürgerkriegsähnlichen Zustände“ in der Ukraine, die bereits mehrere hundert Tote forderten,zu beenden? DLF und FAZ berichteten bereits vor Wochen, daß US-Söldnerbanden und die CIA auf Seiten der Kiewer Regierung aktiv sind?Welchen Beitrag zur Deeskalation leisten diese US-Söldner auf Seiten der Kiewer Regierung?Wenn deeskaliert werden soll,warum wird auf die Kiewer Regierung kein Druck ausgeübt? EU und USA unterstützen ihre Kandidaten in der Ukraine,warum soll Russland nicht seine Kandidaten unterstützen,Herr Niethan?Warum soll Rußland die Forderungen von EU und USA erfüllen,wenn diese russischen Interessen entgegenstehen?Warum erfüllen USA und EU nicht die russischen Forderungen zur Beendigung des Konfliktes?Weshalb soll Rußland eine Mitverantwortung am Abschuß von Maschine MH 17 haben?Warum schließen Sie eine Mitverantwortung der Kiewer Regierung aus? Im DLF wurde berichtet, die USA hätten keine Beweise, wer verantwortlich ist! Was tut die NATO, die das Kampfgeschehen mit AWCS etc. überwachen wird, was tun NSA und CIA zur Aufklärung? Erscheint es nicht unlogisch, daß dort nicht bekannt ist, was sich im Luftraum abspielte?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage vom 25.7.2014. Anbei finden Sie die Antworten auf Ihre Fragen:
Frage:
Warum durfte der gewählte Präsident Janukowitsch keine Gewalt gegen gewalttätige Demonstranten anwenden,während die jetzige Regierung sogar militärisch mit Billigung der EU gegen die eigene Bevölkerung vorgeht und durch Artilleriebeschuß u. Luftangriffe auf Städte und Dörfer den Tod von Zivilisten in Kauf nimmt,wie fast jeden Tag in allen Medien berichtet wird!
Antwort:
Präsident Janukowitsch hat den Fehler gemacht, nicht auf die wachsende Kritik aus großen Teilen des ukrainischen Volkes einzugehen und Dialog größtenteils zu verweigern bzw. erst dann zuzulassen als sich die Lage so polarisiert hatte, dass große Teile der Bevölkerung in ihm keinen ehrlichen Makler mehr sahen, der dem Frieden im eigenen Volk dienen könnte.
Die jetzige Regierung wehrt sich gegen Angriffe organisierter separatistischer Verbände auf die ukrainische Souveränität. Einige Persönlichkeiten aus Reihen der Anführer der separatistischen Gruppierungen kommen aus alten Kadern russischer Geheimdienste - Mittlerweile bestreitet Russland nicht mehr, dass es die separatistischen Gruppen sowohl mit Waffen unterstützt als auch mit eigenen russischen Soldaten völkerrechtswidrig auf ukrainischem Staatsgebiet operiert. Man kann also festhalten, dass Russland gegen sein Nachbarland Ukraine Krieg führt. Insofern sollten Sie sich lieber fragen, was dagegen zu tun ist, die imperialistische russische Politik zu stoppen.
Frage:
Warum setzte sich Janukowitsch ins Exil ab? Lag das an den gewaltbereiten Demonstranten?
Antwort:
Die "gewaltbereiten Demonstranten" sind eine allzubillige Ausrede dafür, dass der gewählte Präsident Janukowitsch seinen Amtseid verletzt hat, indem er durch die Flucht nach Russland sein Volk im Stich gelassen hat. Ein Grund dafür liegt darin, dass es Janukowitsch bewusst wurde, dass das Land und sein außenpolitischer Kurs nicht mehr in seiner Hand lag und sein Machtverlust nur noch eine Frage der Zeit war.
Frage:
Warum hat sich die Gegenseite nicht an das mit Steinmeier ausgehandelte Abkommen gehalten?
Antwort:
Auch hier hatten sich die Entwicklungen nach der überstürzten Abreise Janukowitschs überschlagen. Die bereits erwähnte feige Flucht von Janukowitsch führte zu einem politischen Vakuum in der Ukraine. Diese Situation aber hat nicht die EU zu verantworten, sondern allein Janukowitsch. Weiterhin muss man feststellen, dass zahlreiche Abgeordnete seiner eigenen Partei mittlerweile zur Opposition übergelaufen waren. Die auf die Flucht Janukowitschs folgenden Beschlüsse zu seiner Nachfolge in der Rada sind damit auf demokratischem Wege mit einer großen Mehrheit des Souveräns des ukrainischen Volkes, dem Parlament, gefasst worden.
Frage:
Warum durfte Janukowitsch das EU-Assoziierungsabkommen nicht ablehnen?
Antwort:
Das gehört in den erfolgreichen Bereich der Legendenbildung unter anderem russischer Medien und Blogger. Janukowitsch und seine Regierung hatten jederzeit freie Handhabe darüber, ob sie das Assoziierungsabkommen unterschreiben wollen. Es war die Regierung Janukowitsch selbst, die auf die EU zukam mit dem Wunsch eines Abkommens. Sicher waren Teile der EU-Kommission ungeschickt in der Kommunikation und Auslegung des Teils des Abkommens darüber, inwieweit Möglichkeiten für die UKR auch noch andere Abkommen (wie z.B. zur eurasischen Zollunion mit Russland) abzuschließen besteht - aber Janukowitsch und seine Regierung hätten zu jeder Zeit sagen können, wir wollen das Abkommen nicht.
Interessant ist hier auch, dass all die Russland-Versteher nie darauf hinweisen, dass umgekehrt eine Mitgliedschaft in der eurasischen Zollunion jegliche Zusammenarbeit mit der EU ausgeschlossen war und es der russische Präsident Putin war, der Janukowitsch gezwungen hatte, dass Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Der Druck auf die Ukraine ging umgekehrt von Russland aus, nicht von der EU.
Frage:
Was tun die USA, die EU, um die "bürgerkriegsähnlichen Zustände" in der Ukraine, die bereits mehrere hundert Tote forderten,zu beenden?
Antwort:
Die USA und die EU sind nach wie vor involviert in internationale Abtimmungsprozesse und Dialogformate zur Beilegung des Konflikts. Auch der deutsche Außenminister Steinmeier und sein Team widmen sich seit Beginn der Krise mit größtem persönlichen Einsatz einer Konfliktregelung. Bis an den Rand der körperlichen Erschöpfung hat Bundesaußenminister Steinmeier immer wieder mit ganz persönlichem Einsatz Druck auf die Ukraine erhöht, sich mit den Separatisten an einen Tisch zu setzen. Darüber hinaus ist es ihm gelungen zwischen den Positionen innerhalb von EU und NATO einer Appeasement-Politik und einer härteren Gangart gegenüber Russland zu einer gemeinsame Position zu finden, in der immer noch der Diplomatie Vorrang eingeräumt wurde. Dafür sollte man Frank-Walter Steinmeier dankbar sein.
Darüber hinaus bleibt festzustellen, dass Außenminister Steinmeier mit seinem russischen Amtskollegen Lawrov in unzähligen Telefonaten und Gesprächen immer wieder nach Kompromisslinien gesucht hat. Mir liegen gesicherte Erkenntnisse vor, dass so manch gefundener Kompromiss der beiden nach der Rückkehr von Lawrov in den Kreml von Präsident Putin dann doch wieder abgelehnt worden war. So ist festzustellen, dass fehlende Kompromissbereitschaft auf der russischen Seite vorliegt, nicht auf Seiten der EU oder USA.
Frage:
DLF und FAZ berichteten bereits vor Wochen, daß US-Söldnerbanden und die CIA auf Seiten der Kiewer Regierung aktiv sind?
Antwort:
Mir liegen hierüber keine gesicherten Erkenntnisse vor. Interessant aber ist, dass Sie keine einzige Frage stellen zur völkerrechtswidrigen Annektion der Krim und den ebenfalls völkerrechtswidrig auf ukrainischem Staatsgebiet operierenden russischen Soldaten. Ebenso wenig fragen Sie danach, was die Weltgemeinschaft dafür unternimmt, den Krieg russischer Soldaten gegen ukrainische Soldaten auf ukrainischem Staatsgebiet zu stoppen.
Frage:
Welchen Beitrag zur Deeskalation leisten diese US-Söldner auf Seiten der Kiewer Regierung?
Antwort:
Soldaten und Söldner sind nie geeignet, einen Konflikt friedlich zu lösen. Deshalb muss Russland alle seine Soldaten, Söldner und sein Kriegsgerät aus ukrainischem Staatsgebiet zurückziehen.
Frage:
Wenn deeskaliert werden soll,warum wird auf die Kiewer Regierung kein Druck ausgeübt?
Antwort:
Wie bereits dargelegt, übt die deutsche Bundesregierung auf beide Seiten Druck aus für eine friedliche Lösung.
Frage:
EU und USA unterstützen ihre Kandidaten in der Ukraine,warum soll Russland nicht seine Kandidaten unterstützen,Herr Niethan?
Antwort:
Weder die EU noch die USA haben Einfluss auf Kandidatenfindung oder die Wahl des ukrainischen Präsidenten Poroshenko ausgeübt. Allerdings Über Russland kann ich ihnen da leider keine Erkenntnisse vorbringen. Allerdings hat Russland alles unternommen, die Lage in der Ostukraine zu destabilisieren, dass dort eine freie und demokratische Wahl des ukrainischen Präsidenten unmöglich wird.
Frage:
Warum soll Rußland die Forderungen von EU und USA erfüllen,wenn diese russischen Interessen entgegenstehen?
Antwort:
Es gibt keine speziellen Forderungen der EU oder USA, sondern nur die Aufforderung, dass sich Russland an das Völkerrecht hält. Das bedeutet, dass es die völkerrechtswidrige Annektion der Krim zurücknehmen sowie Waffen, Söldner, Soldaten und Kriegsgerät aus der Ukraine abziehen muss. Dies sind keine Forderungen der EU oder USA, sondern einzig und allein international gültiges Völkerrecht, an das sich jeder Staat einschließlich Russland zu halten hat. Es kann nicht sein, dass ein Land mit Hinweis darauf, seine Interessen seien bedroht, das Völkerrecht bricht. Wer das akzeptiert, akzeptiert eine imperialistische Politik.
Russland hat mit seiner Haltung und den Aktionen, der illegalen Annektion der Krim, der mittlerweile bewiesenen Unterstützung der Separatisten in der Ukraine enormes außenpolitisches Kapital und Vertrauen in der Welt verspielt. Es ist zu hoffen, dass Präsident Putin sein Land auch wieder zurück in die internationale Gemeinschaft führen kann. Der jetzige Kurs Putins wird langfristig den Interessen einer Mehrheit der russischen Bevölkerung schaden. Für mich sind die Interessen von Herrn Putin nicht identisch mit den Interessen der Mehrheit des russischen Volkes.
Frage:
Warum erfüllen USA und EU nicht die russischen Forderungen zur Beendigung des Konfliktes?
Antwort:
Das ist in meinen Augen eine wirklich zynische Frage! Weder Truppen der USA noch Truppen der EU haben die Ukraine angegriffen. Sowohl die USA als auch die EU unterstützen den demokratisch gewählten Präsidenten Poroshenko. Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie wiederum die völkerrechtswidrige Politik Russlands gutheißen und meinen, die EU und die USA sollten die völkerrechtswidrige Annektion der Krim und den völkerrechtswidrigen militärischen Einsatz Russlands in der Ostukraine akzeptieren. Andere russische "Forderungen" sind mir nicht bekannt.
Frage:
Weshalb soll Rußland eine Mitverantwortung am Abschuß von Maschine MH 17 haben?
Antwort:
Weil nach wie vor die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Flug MH 17 mit einer Waffe aus russischen Beständen abgeschossen wurde. Hierzu aber werden die noch laufenden Untersuchungen hoffentlich demnächst mehr Aufschluss geben.
Frage:
Warum schließen Sie eine Mitverantwortung der Kiewer Regierung aus?
Antwort:
Ich schließe in diesem Fall gar nichts aus.
Frage:
Im DLF wurde berichtet, die USA hätten keine Beweise, wer verantwortlich ist! Was tut die NATO, die das Kampfgeschehen mit AWCS etc. überwachen wird, was tun NSA und CIA zur Aufklärung?
Antwort:
Nach veröffentlichten Protokollen des betreffenden AWACS Aufklärungsfluges ist Flug MH 17 kurz vor seinem Absturz überraschend vom Radargebiet des an diesem Tag im Dienst befindlichen Aufklärungsflugs verschwunden. Die NATO kann damit aber keine Beweise für die Absturzursache liefern.
Frage:
Erscheint es nicht unlogisch, daß dort nicht bekannt ist, was sich im Luftraum abspielte?
Antwort:
Es ist bei AWACS Aufklärungsflügen üblich, das sich einzelne Aufklärer in der Luft auf einen bestimmen Radar-Radius beschränken. Es ist dehsalb nicht ungewöhnlich, wenn ein (noch dazu ziviles) Flugzeug mit bisher unauffälliger Flugbahn nicht weiter "verfolgt" wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan