Frage an Dietmar Bell von Johannes T. bezüglich Bildung und Erziehung
Welche Positionen vertreten Sie/Ihre Partei zur Schul-Politik, insbesondere zu G8/G9, zur Inklusion und zu den Förderschulen?
Sehr geehrter Herr Tielmann,
allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, mehr Chancen auf Bildung und damit auf Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, ist ein zentrales Leitmotiv unserer Politik. Jeder dritte Euro des NRW-Landeshaushaltes fließt daher in unseren Bildungsbereich. Dies macht deutlich, dass Kitas, Schulen und Hochschulen höchste Priorität in NRW genießen.
Nun zu ihren Fragen im Einzelnen:
In NRW wurde vor gut 10 Jahren auf das G8-Abitur an den Gymnasien umgestellt. Ab dem reißt die öffentliche Diskussion über die Sinnhaftigkeit und Umsetzung der Schulzeitverkürzung nicht ab.
Zentraler Webfehler der seinerzeit überhasteten Umstellung ist, dass die Verkürzung in der Sekundarstufe I. ohne jegliches Begleitkonzept (Entschlackung der Lehrpläne, Offensive für Ganztag etc.) umgesetzt wurde. Schülerinnen und Schüler, Lehrer- und Elternschaft klagen gleichermaßen über eine Verdichtung des Lehrstoffs, mangelnde Zeit für außerschulisches Engagement und Entspannung. Darüber hinaus kann derzeit kein mittlerer Bildungsabschluss mehr in der Klasse 10 am Gymnasium erlangt werden. Die unterschiedliche Länge der Sekundarstufe I. an den verschiedenen Schulformen führt insgesamt zu einer geringeren Durchlässigkeit im Bildungssystem. Lassen Sie mich unmissverständlich sagen, dass ich daher – gerade aus der Perspektive der betroffenen Kinder und Jugendlichen - die generelle Schulzeitverkürzung am Gymnasium als gescheitert betrachtet.
Trotz vielfältiger Versuche im Rahmen der ‚Runden Tische‘ Lösungen für die Probleme zu finden, stößt das Modell der verkürzten Schulzeit in der gymnasialen Sekundarstufe I. an seine Grenzen. Meine Partei hat daher ein Konzept vorgelegt, welches vorsieht, dass der Weg zum Abitur 12 oder 13 Jahre am Gymnasium dauern kann. Die Sekundarstufe I. wird in diesem Modell wieder auf 6 Jahre verlängert und die Oberstufe dauert optional, je nach der individuellen Entscheidung der SchülerInnen und Eltern, 2 oder 3 Jahre. Damit kann der Takt bis zum Abitur stärker selbst bestimmt werden. Mit diesem Konzept gehen wir in die Diskussion zur weiteren Ausgestaltung des gymnasialen Bildungsweges. Somit wird letztlich das klassische G9-Abitur an allen Gymnasien in NRW wieder möglich sein.
Wir haben in NRW infolge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auch den Anspruch auf schulische Inklusion gesetzlich verbrieft. NRW ist damit Vorreiter! Die Eltern von Kindern mit Behinderungen können nun entscheiden, ob ihre Kinder auf allgemeinbildenden Schulen, also im regulärem Schulbetrieb, oder wie bislang, auf Förderschulen ihren schulischen Bildungsgang beschreiten. Wichtig ist dabei allerdings, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Daran arbeiten wir! In NRW haben wir deshalb 4.600 neue Stellen für Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen im Lehramtsstudium geschaffen, die in naher Zukunft die Hochschulen verlassen werden und in den aktiven Schuldienst treten. Darüber hinaus ist die dauerhafte Sicherstellung der Schulsozialarbeit uns ein wichtiges Anliegen. Schulische Inklusion kann letztlich nur gelingen, wenn multiprofessionelle Kräfte, d.h. allgemeinbildende und sonderpädagogische Lehrkräfte sowie SchulsozialarbeiterInnen und SchulpsychologInnen zusammenwirken. Ich weiß sehr wohl, dass es derzeit in der praktischen Umsetzung im Schulalltag noch Probleme gibt, aber alle weitreichenden Veränderungen bedürfen ihrer Zeit, bevor sie sich eingespielt haben. Und ich bin sicher, dass uns dies im Sinne und zum Wohle der betroffenen Kinder gelingen wird.
Falls Sie Rückfragen haben, stehe ich Ihnen gerne und jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Bell