Portrait von Dietmar Bartsch
Dietmar Bartsch
DIE LINKE
100 %
216 / 216 Fragen beantwortet
Frage von Irmgard R. •

Frage an Dietmar Bartsch von Irmgard R. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Bartsch,

um die soziale und die innere Sicherheit mache ich mir große Sorgen.
In diesem Bericht sehen Sie, dass 1/3 der Insassen in einem Berliner Gefängnis Schwarzfahrer waren:
http://www.taz.de/!5134051/

Finden Sie das gut? Warum hilft man den Menschen nicht, statt sie zu bestrafen? Ich habe die Befürchtung, dass Arme immer mehr an den Rand gedrängt werden und gar eingesperrt werden. Teilen Sie diese Besorgnis?

In diesem Artikel ist davon die Rede, dass Gefährder ggf. nur überwacht ( ist das nicht sehr teuer?) werden können, sofern keine "konkrete Gefahr" besteht:
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/terroristen-kaum-ein-mittel-gegen-gefaehrder-13359999.html

Warum kann ein Staat der Schwarzfahrer einsperren lässt nicht auch Gefährder einsperren lassen? Ist das nicht eine riesen Schieflage?

Stimmen Sie meinem Eindruck zu, dass Gewaltdelikte und Terrorismus nicht hart genug bestraft werden?

Mit freundlichen Grüßen
Irmgard Resch

Portrait von Dietmar Bartsch
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Resch,

es ist Tatsache, dass Schwarzfahrer sehr unterschiedliche Motive für ihr Verhalten haben. Einige tun das aus politischen, die meisten aus finanziellen Gründen. Bislang kommen vor allem „notorische“ Schwarzfahrer ins Gefängnis oder solche Menschen, die aus finanziellen Gründen eine Geldstrafe nicht zahlen können.

In Berlin mussten 2016 rund 47 % der Forderungen abgeschrieben werden. Rund 400 Personen sitzen in Berlin derzeit eine Ersatzfreiheitsstrafe ab.

Wie handhaben wir es mit Schwarzfahrern? Eine Frage, die strittig in unserem Land diskutiert wird. Wir verstehen diejenigen, die sagen, es sei ungerecht, wenn die einen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zahlen und andere nicht. Die verschiedenen, vor allem öffentlichen Fahrgastunternehmen handhaben es unterschiedlich, wann sie Schwarzfahren zur Anzeige bringen. Wenn Anzeige erstattet wird, dann beruft man sich in der Regel auf § 265 a der StGB, der das Erschleichen von Leistungen zum Inhalt hat.

Auch bei der LINKEN wird diskutiert, ob die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge nicht generell kostenfrei gestellt werden sollte. In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, dass der neu gewählte Berliner Senat zum Sommer 2017 den Preis für das Sozialticket von 36 Euro auf 30 Euro senken will. Wenn LINKE und GRÜNE als Regierungsparteien in Berlin fordern, die Schwarzfahrt nicht mehr als eine Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu handhaben, bedarf es einer erfolgreichen Bundesratsinitiative zur Gesetzesänderung.

Was Ihre Fragen zum Thema „Gefährder“ betrifft, so hat die LINKE in der Drucksache 18/11064 die Bundesregierung aufgefordert, einen umfangreichen Fragenkatalog zum Thema zu beantworten.

Schnellschüsse der Bundesregierung, wie die elektronische Fußfessel für islamistische Gefährder lehnen wir als unverhältnismäßig und unbrauchbar ab. Entweder eine Person bietet klare Anhaltspunkte für die baldige Begehung einer Straftat, so dass sie ohnehin rund um die Uhr überwacht oder in Gewahrsam genommen werden muss - oder dies ist nicht der Fall und dann ist auch das Anlegen einer elektronischen Fußfessel verfassungsrechtlich nicht erlaubt. Außerdem hält eine Fußfessel niemanden vom Morden ab. Sie verhindert auch nicht das Untertauchen Verdächtiger. Wenn einer wie Amri untertauchen will, dann macht er die Fußfessel einfach ab und ist weg und wir haben maximal einen Haftbefehl mehr.

Der Eindruck, dass Gewaltdelikte und Straftaten mit terroristischem Hintergrund in unserem Land nicht hart genug bestraft werden, drängt sich Ihnen nicht zu Unrecht auf.

Daran sind zumeist nicht die Gesetze zum Umgang mit derartigen Straftaten schuld, sondern das viel zu geringe Maß der Aufklärung solcher Straftaten und - wie im Falle des NSU, aber offensichtlich auch im Fall des Berliner Attentäters Amri - das Versagen und Fehlverhalten von Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene. Bislang ist die Bereitschaft der Politik, hier Aufklärung als Voraussetzung für Korrekturen im Handeln zu leisten, dürftig.

Aber auch die Verhinderung von Straftaten durch mehr Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum ist eine Forderung der LINKEN seit vielen Jahren. Im Unterschied zu den ähnlich klingenden Forderungen der Regierungsparteien fordert die LINKE, diese Stellen in die Fläche zu verteilen und nicht nur zentrale Einheiten zu verstärken. Nur so kommen wieder Polizisten auf die Straße. Es ergibt keinen Sinn, Hunderttausende Arbeitsstunden zu verschwenden, um Delikte wie Schwarzfahren, den Besitz kleinster Mengen von Drogen oder die illegale Einreise aufzunehmen - mit dem Wissen, dass die Staatsanwaltschaften viele dieser Verfahren wieder einstellen.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Dietmar Bartsch
Dietmar Bartsch
DIE LINKE