Frage an Dieter Wiefelspütz von Petra L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Wiefelspütz,
auch ich bin beunruhigt auf Grund des neuen BKA-Gesetzes. Kein Mensch und keine Institution sollte meiner Meinung nach das Recht haben ohne Gefahr in Verzug in die Wohnung eines Menschen einzubrechen. Das BKA bekommt mit Ihrem Entwurf jedoch das Recht heimlich in die Computer und in die Wohnungen von Bürgern einzubrechen, ohne dass das ein Richter im Vorfeld genehmigen muß. Auch aus meiner Sicht besteht da keinerlei rechtsstaatliche Legitimation mehr.
Im Umkehrschluß ist es vielmehr so, dass Sie in der Tat das Recht auf freie persönliche Entfaltung abschaffen. Denn Menschen, die beobachtet werden, verhalten sich nicht mehr so unbefangen und frei wie Menschen, die nicht beobachtet werden - das haben zahlreiche Studien bewiesen. Und sicher würden auch Sie sich anders verhalten, wenn Sie wüßten, dass Sie auf Schritt und Tritt beobachtet werden.
Nun wird vermutlich nicht jeder einzelne Mensch vom BKA beobachtet - aber durch den fehlenden Richtervorbehalt kann sich niemand sicher sein ob er beobachtet wird oder nicht - es könnte ja sein, dass ihn irgendjemand auf Grund irgend eines dummen Zufalls für "verdächtig" hält.
Glauben Sie nicht auch, daß sich viele Menschen unter solch einer potenziellen Beobachtung nicht wohlfühlen? Haben Sie solche Bedenken bei Ihren Arbeiten an dem Gesetz miteinbezogen? Und was hat Sie bewogen, den Entwurf dennoch zu erstellen?
Ich wünschte mir, dass Sie meine ernsten Bedenken nicht einfach als "absurd" abschmettern, sondern würde mich auf eine fundierte Antwort freuen. Mich haben diese Bedenken in den letzten Tagen wirklich unruhig schlafen lassen.
Vielen Dank für Ihre Antwort
Petra Leucht
Sehr geehrte Frau Leucht,
wenn hinter einer verschlossenen Wohnungstür ein Mensch Opfer eines Verbrechens zu werden droht, tritt die Polizei zur Not die Tür ein. Oder halten Sie das nicht für richtig? Solche Fälle von Gefahr in Verzug treten immer wieder auf. Deshalb sind solche Konstellationen in allen deutschen Polizeigesetzen als Eilfälle rechtsstaatlich präzise geregelt.
Die BKA-Novelle, die ich maßgeblich mitgestaltet habe, ist selbstverständlich ein strikt rechtsstaatliches Gesetz. Es wird das qualifizierteste Polizeigesetz sein, das wir gegenwärtig in Deutschland haben. Insbesondere die sehr strenge Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre ist an vielen Stellen des Gesetzes umfassend berücksichtigt worden. Die BKA-Novelle ist letztlich nichts anderes als ein ganz normales Polizeigesetz, wie es entsprechende Polizeigesetze in jedem, ich wiederhole in jedem Bundesland in Deutschland gibt. Neu ist ausschließlich die Onlinedurchsuchung, die freilich milimetergenau den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine verfassungsgemäße Onlinedurchsuchung entspricht.
Schließlich: Sie leben in dem qualifiziertesten Rechtsstaat weltweit. In keinem Land der Welt hat der Schutz der Grundrechte die Qualität wie in unserem Land. In keinem Land der Welt gibt es ein Gericht von der Bedeutung und der Machtfülle unseres Bundesverfassungsgerichts. Nur in unserem Land gibt es einen Art. 19 Abs. 4 GG, der es jedem Bürger ermöglicht, jede staatliche Maßnahme, die in seine Grundrechte eingreift, durch ein unabhängiges Gericht überprüfen zu lassen. In unserem Land hat nicht die Politik, sondern das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort.
Nochmals: Sie leben in dem qualifiziertesten Rechtsstaat der Welt. Das wird auch so bleiben. Wir leben in einem sehr freien und sehr sicheren Land. Unsere Sicherheitsarchitektur hat sich bewährt. Wie habe freilich die Aufgabe diese Sicherheitsarchitektur mit Augenmaß weiterzuentwickeln. Das geschieht mit der BKA-Novelle.
Das alles schreibe ich Ihnen an einem Sonntagmorgen. Und jetzt lese ich Thomas Mann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz, MdB